Papst in den USA – Tag 3 – Fortsetzung

24.9.2015: Am Donnerstag stand für Papst Franziskus nicht nur die Rede vor dem US-Kongress auf dem Programm, sondern gleich: Im Anschluss besuchte er eine Sozialeinrichtung für Obdachlose in Washington. Am Nachmittag flog er dann nach New York weiter. Dort feierte er in der berühmten Sankt Patricks-Kathedrale einen Abendgottesdienst mit Priestern und Ordensleuten. Seine Botschaft dort war eine Mischung aus Lob, Dank und Mahnung. Erneut sprach er – wenn auch nur indirekt – den Missbrauchsskandal an. Besonders interessant ist, dass er seinen ausdrücklichen Dank an die US-Ordensfrauen, den er schon vor knapp zwei Wochen bei einer Videokonferenz ausgesprochen hatte, nun noch einmal wiederholte: „Danke. Und [ich] möchte euch sagen, dass ich euch sehr gerne habe.

Besuch bei Obdachlosen

Neben den Worten sprachen an diesem historischen Tag in Washington auch die Gesten. Schnell verabschiedete sich Papst Franziskus nach seiner Rede vor den beiden Häusern des Kongresses von den Abgeordneten und Senatoren und eilte in eine Einrichtung für Obdachlose. Er sprach den Menschen dort Mut zu und stellte fest: „Wir können keine gesellschaftliche oder moralische Rechtfertigung, überhaupt keine Rechtfertigung finden, um das Fehlen von Unterkünften hinzunehmen.“ Er versuchte den Menschen Trost zu spenden. Einen etwas seltsamen Beigeschmack hatte dieses Ereignis. Der Papst wünschte zwar allen einen guten Appetit. Doch zum Essen blieb er nicht, sondern fuhr, wie geplant, in die Nuntiatur zurück. So war es zwar ein schönes Zeichen, dass er nach den Mächtigen im Land, die besuchte, die ganz unten sind. Aber es bleibt ein Geschmäckle.

Papst gegen Effizienzkriterien

Beim Vespergottesdienst in der Sankt Patricks-Kathedrale in New York dankte er den Priestern und Ordensleuten für ihre Leistung beim Aufbau der Kirche in den USA, vor allem im Erziehungsbereich. Dann hatte er zwei Warnungen im Gepäck. Die kirchliche Arbeit sei nicht „nach den Kriterien der Effizienz, der Funktionsfähigkeit und des äußeren Erfolgs zu messen, welche die Geschäftswelt vorschreibt“. Vielmehr werde die Arbeit „in den Augen Gottes gemessen“. Zum zweiten warnte er davor, „eifersüchtig auf die Freizeit bedacht“ zu sein. Vielmehr müsse man dazu kommen, im Dienst Erholung zu erfahren. Schon einmal hatte er während der Reise erklärt, Seelsorger jederzeit zum Dienst bereit sein. Beim Treffen mit den Bischöfen gestern in Washington sagte er in Bezug auf die Priester: „Wacht darüber, dass sie nicht müde werden, aufzustehen und dem, der nachts an die Tür klopft, zu antworten, auch wenn man bereits denkt, Anrecht auf Ruhe zu haben (vgl. Lk 11,5-8).“ Zum zweiten Mal während der USA-Reise ging Franziskus auf den Missbrauchsskandal ein und sprach von einer „Schande“, „die von vielen Mitbrüdern verursacht wurde, welche die Kirche in ihren wehrlosesten Gliedern verletzt und empört haben…“ Allerdings benutzte er auch dieses Mal den Begriff „Missbrauch“ nicht.

Erneuter Dank an US-Ordensfrauen

Zum Schluss seiner Predigt dankte Franziskus noch einmal den US-Ordensfrauen für ihre Arbeit. Diese Passage wurde mehrfach von Beifall unterbrochen. Hier der Text im Ganzen. Franziskus wiederholt das, was er vor knapp zwei Wochen in einer TV-Schaltkonferenz gesagt hat: „In besonderer Weise möchte ich den Ordensfrauen der Vereinigten Staaten meine Bewunderung und meinen Dank ausdrücken. Was wäre die Kirche ohne euch? Starke Frauen, Kämpferinnen – mit diesem mutigen Geist, der sie an die vorderste Front der Verkündigung des Evangeliums stellt. Euch, ihr Ordensfrauen, Schwestern und Mütter dieses Volkes, möchte ich Dank sagen, ein ganz großes „Danke!“…, und euch auch sagen, dass ich euch sehr gern habe.“ War es beim letzten Mal eine TV-Schaltkonferenz für einen US-Sender, schaute dieses Mal die ganze Welt zu, als der Papst diese Worte sprach – und das nach Jahren der Maßregelung, oder wie es in offizieller Sprache hieß, des Dialogs zwischen den US-Ordensfrauen und der vatikanischen Glaubenskongregation.

Der Tag begann im Kongress in Washington mit Standing Ovations und er endete damit nach der Predigt in Sankt Patricks in New York. Franziskus scheint den richtigen Ton zu finden, obwohl er nicht jedem nach dem Mund redet. Seine Botschaft besteht aus einer Mischung aus Lob und Mahnung.

P.S. Zu Beginn seiner Predigt in Sankt Patricks gedachte Papst Franziskus der Opfer der Pilgertragödie in Mekka. Er versicherte den „muslimischen Brüdern“, für sie zu beten.

Autorenbild

Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.