Es ist angerichtet!

Im Vatikan ist alles bereitet. Das Konklave kann beginnen, zumindest logistisch. Das Gästehaus Santa Marta und die Sixtinische Kapelle sind mit einem Schutzschirm umgeben; die Helfer wurden am Abend vereidigt und die mittlerweile über 5.600 Medienvertreter stehen parat. Ob allerdings auch die Kardinäle bereits sind, ist nicht so ganz klar. Wie schon seit Tagen wurde bis heute Abend betont: Das Rennen ist offen. Wohl kaum ein Kardinal geht davon aus, dass die Papstwahl wie beim letzten Mal nur 26 Stunden und vier Runden dauern könnte.

Störsender auf dem Dach des Gästehauses Santa Marta

Gewiss ist erst einmal nur, dass es morgen losgeht. Am Morgen mit dem Gottesdienst, dem der Kardinaldekan Angelo Sodano vorsteht. Da er 85 Jahre alt ist, wird er aber nicht dabei sein, wenn am Nachmittag ab 16.30 Uhr die 115 Wähler feierlich in die Sixtinische Kapelle einziehen. Daher ist zu erwarten, dass die „graue Eminenz“, die auch nach ihrem Rücktritt vom Amt des Kardinalstaatssekretärs im September 2006 hinter den Kulissen weiter kräftig Strippen gezogen hat, seinen Mitbrüdern noch einmal eine klare Botschaft mit auf den Weg geben wird. Sodano möchte auch künftig mitmischen. Und hat daher seinen Adlatus, Kardinal Giovanni Battista Re sicher gut instruiert. Re (als der ranghöchste Kardinalbischof wird an seiner statt dem Konklave vorstehen. Auch Kardinal Jean-Louis Tauran, der unter Sodano 13 Jahre vatikanischer Außenminister war, scheint von Sodano instruiert worden zu sein; oder zumindest hat er es versucht. Am Samstagmorgen fuhren beide im selben Wagen vor, als es zur Generalkongregation ging. Kamen sie da vom gemeinsamen Frühstück?

Gegen 12.30 Uhr ging heute die letzte Generalkongregation zu Ende – die insgesamt zehnte. 28 Redebeiträge gab es noch einmal (insgesamt damit 161). Das zeigt, dass eigentlich doch noch ordentlich Redebedarf war; auch wenn der Pressesprecher des Vatikans erklärte, alle, die gewollt hätten, seien zu Wort gekommen. Wenn man aber vergleicht, dass in den letzten Kongregationen meist nur rund 16 Leute gesprochen haben, passt das nicht ganz zusammen. Zumal heute auch noch der Chef der Kardinalskommission für die Vatikanbank IOR, Kardinal Tarcisio Bertone, einen Bericht zur Situation des IOR, der internationalen Finanzkontrolle und der EU-Fachkommission gegen Geldwäsche Moneyval vorlegte, sozusagen auf den letzten Drücker. Laut Lombardi habe die Vatikanbank mit der Papstwahl nichts zu tun, und es sei daher auch kein Problem, dass der Bericht erst heute vorgelegt wurde. Das Ganze sieht aber doch eher nach Absicht aus. Die Rednerliste für heute war längst voll, als Bertone redete. D.h. eine Erwiderung und Nachfragen waren damit ausgeschlossen.

Auch die Loggia ist bereit für den ersten Auftritt des neuen Papstes.

Die Unzufriedenheit war in der letzten Woche ja schon groß, als die Berichte der drei anderen Behörden, die mit Finanzgeschäften zu tun haben, vorgelegt wurden (APSA, Governatorat und Wirtschaftspräfektur). Auch da gab es keine Chance zum nachhaken. So bleibt ein schaler Beigeschmack bei der ganzen Aktion „Vorkonklave“. Erinnert sei auch noch einmal an das Schweigegebot für die Kardinäle. Die sind dann seit Mitte vergangener Woche auch tatsächlich immer mehr verstummt; was umgekehrt zu immer heftigeren Spekulationen in den Medien führte. Gut – ab morgen ist dann eh’ Schluss. Die Kardinäle leben hinter Schloss und Riegel und werden uns dann in einigen Tagen eventuell eine Überraschung präsentieren. Denn nach wie vor rechnen viele mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Kardinälen Scola und Scherer. Dahinter bleibt das Rennen offen, wenn sich die beiden blockieren. Neben den gewohnten Namen für die zweite Reihe, Schönborn, Erdö, Maradiaga, Ouellet und O’Malley taucht nun plötzlich ein neuer Name auf: der Erzbischof von Guadalajara, Francisco Robles Ortega. Ein bislang unscheinbarer Mann. Der 63-Jährige hatte vor einigen Tagen eine „offenere und globalisierte Vision der Kirche“ gefordert, sagte zugleich aber auch, dass das Nein der Kirche zur Homo-Ehe, Abtreibung und Frauenpriestertum unverhandelbar sei. Mit diesen Positionen könnte er durchaus Stimmen von Reformern und Bewahrern sammeln. Aber ob es zur 2/3-Mehrheit reicht!?

Unterdessen sind heute die Konklave-Helfer vereidigt worden. Das sind rund 90 Personen darunter Beichtväter, Ärzte, das Küchenpersonal und der Busfahrer, der die Kardinäle zwischen Unterkunft und Sixtinischer Kapelle chauffiert. Sie alle müssen schweigen über das, was sie in den nächsten Tagen sehen und hören; sonst droht die Exkommunikation. Ein kleines Problem gibt es gleich zu Beginn des Konklaves. Es steht den Kardinälen nämlich frei, ob sie morgen am späten Nachmittag nach dem Einzug in die Sistina noch den ersten Wahlgang machen oder nicht. Das entscheiden sie erst nach Verriegelung der Türen. Doch Vatikansprecher Lombardi hat sich etwas einfallen lassen, um sicherzustellen, dass die versammelte Weltpresse nicht vergeblich auf ein Rauchsignal wartet, das es bei einem durchgeführten Wahlgang gegen 20 Uhr geben müsste. Es wurden „Spione“ aufgestellt, die beobachten, wann die Kardinäle zum Essen ins Gästehaus Santa Marta zurückkommen. An der Uhrzeit wird man dann erkennen, ob gewählt wurde oder nicht. Mit weißem Rauch rechnet morgen Abend eh’ niemand. Umgekehrt aber mit einem ersten Wahlgang, der den Kardinälen eine erste Orientierung gibt, wohin die Reise ab Mittwochmorgen gehen könnte. Ab dann gibt es täglich vier Wahlgänge, je zwei am Vormittag und zwei am Nachmittag – bis Freitag. Dann käme der schon einmal erwähnte Ruhetag. Doch so weit, denkt hier in Rom zur zeit noch niemand.

ZDF-Studio über den Dächern von Rom

P.S. Wir senden hier aus Rom live am Dienstag, 12.3. ab 9.45 Uhr den Gottesdienst „Pro eligendo Romano Pontifice“ sowie ab 16.15 Uhr den Einzug ins Konklave. Heute – Montag – Nacht gibt es bereits ab 0.05 Uhr die Diskussion „Welchen Papst braucht die Kirche?“

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.