Der Papst in Südostasien – Tag 5

Soziale Gerechtigkeit, nachhaltige Entwicklung und die Überwindung interner Konflikte – die inhaltlichen Schwerpunkte haben sich auf der zweiten Etappe der 45. Auslandsreise von Papst Franziskus verschoben. Das wurde bei seinem ersten Treffen in Port Moresby mit Vertretern aus Politik und Zivilgesellschaft am Samstagmorgen deutlich. Das Kirchenoberhaupt mahnte eine Verbesserung der Infrastruktur an sowie menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen. „Die Güter sind von Gott für die ganze Gesellschaft bestimmt“, betonte er in seiner Ansprache. Am Nachmittag besuchte er zwei Sozialprojekte für Straßenkinder und Menschen mit Beeinträchtigungen. Anschließend rief er beim Treffen mit Klerus, Ordensleuten und Katecheten dazu auf, „an die Peripherien des Landes zu gehen“. Während in Indonesien auf den Straßen wenig vom Papstbesuch zu sehen war und meist nur unmittelbar vor den Veranstaltungsorten die Straßen gesäumt waren, ist das in Papua-Neuguinea anders. Hier gibt es immer wieder Plakate mit Bildern des Papstes, Vatikanfahnen und auch meist viele Menschen entlang des Weges des Papstes. Ob es tausende sind, ist schwer abzuschätzen. Doch der Unterschied zu Jakarta ist offensichtlich. Nun sind auch rund 30 Prozent der gut acht Millionen Einwohner des Inselstaats katholisch. Das ist ein großer Unterschied zur ersten Station der Reise, wo der Katholikenanteil bei drei Prozent lag.

Das Treffen mit Vertretern aus Politik und Zivilgesellschaft ist meist der Auftakt des Besuchs in einem Land. (Quelle: Erbacher)

Appell zum Klimawandel

„Der Klimawandel ist real, Inseln versinken! Es ist keine Zeit mehr für Diskussionen, was die Welt braucht, sind Entscheidungen und Handeln.“ Die Worte des Gouverneurs von Papua-Neuguinea, Bob Dadae, bei der Begrüßung des Papstes hätten klarer nicht sein können. Der Inselstaat spürt die Folgen des Klimawandels an vielen Stellen und sie sind lebensbedrohlich. Bei Papst Franziskus rennt er mit solchen Worten offene Türen ein. Wie kein anderer Pontifex hat er das Thema „nachhaltige Entwicklung“ ganz oben auf der Agenda stehen. Auch wenn seine Kritiker ihm vorwerfen, damit seine Kompetenzen zu überschreiten und sich zu weit ins politische Feld vorzuwagen. Für Franziskus geht es hier um das Kerngeschäft von Kirche: der Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung und die Sorge um eine menschenwürdige Lebensgrundlage für alle Menschen.

Mit Blick auf die Nutzung der natürlichen Ressourcen stellte der Pontifex fest, dass internationale Konzerne hier sicher eingebunden werden müssten, dennoch „müssten die Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung bei der Verteilung der Erlöse und der Beschäftigung von Arbeitskräften in angemessener Weise berücksichtigt werden, damit ihre Lebensbedingungen wirksam verbessert werden.“ Papua-Neuguinea ist reich an Bodenschätzen wie Gas, Kupfer und Gold. Dennoch ist die Armutsrate hoch. Der Papst schlug auch kritische Töne an, forderte eine „Stabilität der Institutionen“, eine „Verbesserung der Infrastruktur“ etwa in den Bereichen Bildung und Gesundheitsversorgung sowie ein Ende der immer wieder aufflammenden Gewalt zwischen Stämmen. Nachdem der Generalgouverneur in seiner Rede die Gleichberechtigung von Frauen und Männern anmahnte, würdigte Franziskus spontan am Ende seiner Rede die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Sie seien es, die Leben gäben und ein Land aufbauen könnten. In Papua-Neuguinea sind Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen weit verbreitet, die Gesellschaft patriarchal geprägt.

Seelsorge an der Peripherie

Beim Treffen mit dem Klerus, Ordensleuten und Seminaristen am Nachmittag war es Franziskus wichtig, seine zentralen Ideen zur Seelsorge zu vermitteln: Geduld, Nähe, Zärtlichkeit. Das ist nichts Neues. Doch das Kirchenoberhaupt buchstabiert diese drei Haltungen während seiner Reisen bei den Treffen mit den pastoralen Mitarbeitern in immer neuen Varianten durch. Dabei nimmt er die konkrete Situation vor Ort in den Blick. So sprach er heute nicht nur von der Nähe zu den Benachteiligten und Armen, sondern er dachte auch „an diejenigen, die aufgrund von Vorurteilen und Aberglauben ausgeschlossen und verwundet wurden, sowohl moralisch als auch physisch, manchmal bis hin zur Gefährdung ihres Lebens“ – eine Anspielung auf den Hexenglauben und die Hexenverfolgung, die in Papua-Neuguinea verbreitet sind.

Herausfordernder Termin

Lange nahm sich Franziskus am Nachmittag Zeit für seinen Termin im Caritaszentrum. Dieser war allerdings auch herausfordernd – und zwar wegen der Fragen, die zwei Kinder ihm stellten. „Warum müssen wir für unsere Behinderung leiden? Warum bin ich nicht wie andere?“ fragte ein blindes Mädchen. „Warum haben wir nicht die gleichen Chancen wie andere Kinder und wie können wir uns nützlich machen, um unsere Welt schöner und glücklicher zu machen, auch wenn wir in Verwahrlosung und Armut leben?“ fragte ein Kind, das in einem Projekt für Straßenkinder mitmacht. Nicht dass Franziskus diese Fragen nicht schon tausend Mal beantwortet hätte, doch sie in dieser Öffentlichkeit zu stellen, erfordert auf beiden Seiten Mut: bei den Kindern und beim Papst.

Franziskus‘ Antwort: Niemand sei wie der andere. Vor Gott seien alle einzigartig. „Jeder hat in der Welt eine spezifische Rolle und eine Mission, die niemand anderer ausfüllen kann.“ Auch wenn dies manchmal mühsam sei, führe es zugleich zu einer großen Freude, bei jedem auf eine andere Art. Zu lernen, Gott und den Anderen zu lieben, sei der Schlüssel bei der Antwort zur zweiten Frage. Und – bei Kindern und Jugendlichen vielleicht weniger beliebt – seine Aufforderung zu versuchen, „auch in der Schule alles zu lernen, was wir können, und zwar auf die bestmögliche Art und Weise, indem wir lernen und unser Bestes geben bei jeder Gelegenheit, die sich uns bietet, um zu wachsen, uns zu verbessern und unsere Gaben und Fähigkeiten zu verfeinern“. Sein Ziel war es, den Anwesenden Mut zu machen. Am Ende ließ sich Franziskus lange Zeit zum Händeschütteln und für Fotos. Während er bei anderen Terminen durchaus ungeduldig wirkt nach Ende des offiziellen Teils, war das hier anders.

Es war ein langer Tag für Franziskus in Port Moresby. Dennoch zeigte er sich bis am Abend gut gelaunt. Der Plan des Vatikan scheint aufzugehen, dass mit einem ausgedünnten Programm der 87-Jährige auch eine solch anstrengende Reise gut absolvieren kann.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

7 Kommentare

  • Wanda
    07.09.2024, 20:20 Uhr.

    Aha, in Papua-Neuguinea ist die Diskriminierung der Frauen weit verbreitet und die Gesellschaft patriarchal geprägt. In der röm.-kath. Amtskirche nicht ?

    • Silvia
      09.09.2024, 13:26 Uhr.

      @Wanda, das war auch spontan mein erster Gedanke. Aber ich denke, es verhält sich hier wie mit der Demokratie.

      Demokratie und Gleichberechtigung von Frau und Mann sind die Aufgaben weltlicher Staaten.

      In der Kirche argumentiert man mit Theologie und Tradition, also auf einer anderen Ebene.

      Das mag man kritisieren, aber es ist halt so, sodass man Kirche und Staat nicht miteinander vergleichen kann.

      Deswegen kann der Papst von einem Staat die Gleichberechtigung von Frauen fordern, ohne sie in seiner Kirche zu verwirklichen.

      • Wanda
        11.09.2024, 19:11 Uhr.

        Pardon Silvia, wir sind in unseren Ansichten eigentlich nie weit auseinander, hier jedoch schon. Die Forderung des Papstes, Frauen die Gleichberechtigung zu gewähren, sie aber für seine eigene Kirche zu verweigern, ist für mich so absurd und unehrlich wie der Spruch „Wasch mich aber mach mich nicht nass“…

        • Silvia
          12.09.2024, 11:22 Uhr.

          Lieber Wanda, ich nehme den Papst schon lange nicht mehr so ernst, um ihn auf seine Äußerungen festzunageln. Der Mann ist so voller Widersprüche, fast jede seiner Äußerungen hat Interpretationsbedarf usw. Da lohnt es sich gar nicht, sich darüber aufzuregen und mit Logik zu argumentieren, denn mit Logik ist es bei Franziskus nicht weit her.

          Und wenn seine Äußerungen, die er über Frauen in einem kleinen Kreis macht, durchgestochen werden, dann ist er der reinste Macho.

          • Wanda
            12.09.2024, 19:04 Uhr.

            Angekommen…

  • Novalis
    08.09.2024, 1:02 Uhr.

    Der Papst scheint für seine recht(sradikal)en Kritiker immer dann die Kompetenzen zu überschreiten, wenn er anmahnt dass deren – also auch unser – westlicher Lebensstil schlicht tötet. Aber warum sollte man es anders nennen? Wenn man unbedingt in den Urlaub fliegen muss, obwohl jedes Kind weiß, dass Fliegen superschädlich ist für Klima und Umwelt; wenn eine Partei bei Regierungsantritt 2005 partout aus ideologischen Gründen die führende Stellung Deutschlands in der Solarenergie kaputtgemacht hat und die drei rechten Parteien ein Tempolimit torpedieren, obwohl jedeR weiß, wie sinnvoll das ist (und nein: ich bin keineswegs ein Grüner, ich mag diese Partei nicht sonderlich und auch nicht deren Spitzenpersonal); wenn sich der Parteivorsitzende für zum Mittelstand gehörig betrachtet und munter durch die Gegend fliegt (was sich niemand, der zum Mittelstand gehört leisten kann) und damit Umwelt zerstört: Dann ist das alles schlicht unchristlich und darf auch so genannt werden. Ich bin übrigens kein Fan der Auslandsfliegerei des Papstes – aus Umweltgründen. Fliegen sollte wirklich auf das notwendige Minimum eingeschränkt werden (also Rettungsflüge und in Herrgottsnamen Flüge von Politiker*innen zu Konferenzen). Das ändert aber nichts daran, dass es unserem Papst gelingt, auf diesem Wege seine – die christliche – Botschaft gut rüberzubringen.

    • Wanda
      09.09.2024, 8:52 Uhr.

      Nur mal so: ist der Papst, sein Stab und der ganze Tross nicht geflogen ? Was also schlagen Sie als notwendige Alternative vor ? Rudern, Schwimmen oder wochenlange Schiffspassagen, die gewöhnlich und immer noch Schweröl verbrauchen ? Vielleicht sollte er statt der 3 % Christen dort vorrangig zu Hause die Dinge regeln, von denen die Amtskirche übrigens wirtschaftlich lebt ? Denn da brennt der Kittel…

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