Papst: „Nein“ zum Krieg, „Ja“ zum Frieden

Die Kriege rund um den Globus haben auch an diesem Weihnachtsfest im Mittelpunkt der Weihnachtsbotschaft von Papst Franziskus gestanden. Dabei richtete er ein besonderes Augenmerk auf den Konflikt im Heiligen Land. Schon in der Christmette sprach er von der „zum Scheitern verurteilten Logik des Krieges“ mit Blick auf die Region, in der Jesus geboren wurde. Beim Urbi et orbi forderte er ein Ende der Militäroperationen und freie Zufahrt für humanitäre Hilfe in Gaza. Einmal mehr gedachte er zwar den Opfern „des verabscheuungswürdigen Angriffs vom 7. Oktober“, doch die Hamas als Verantwortlichen der Gewalt zu benennen und zu verurteilen, das machte er auch in seiner Weihnachtsbotschaft nicht. Neben dem Blick auf die Krisen versuchte Franziskus zu Weihnachten denen Mut zu machen, die sich seelisch oder physisch in einer Krise befinden. Für Gott zähle nicht Leistung wie in der Welt, für ihn zähle jede und jeder, so wie sie oder er sei. „Christus schaut nicht auf Zahlen, sondern auf Gesichter“, so Franziskus in seiner Predigt bei der Christmette.

Mit stoischer Ruhe blickte Papst Franziskus lange auf die Menge. (Quelle: epa)

„Wer liebt, geht weiter.“

Am Ende stand Franziskus lange, auf seinen Stock gestützt auf der Loggia des Petersdoms und blickte auf die rund 70.000, die sich nach offiziellen Angaben auf dem Petersplatz versammelt hatten. Es wirkte, als wolle er damit demonstrieren, dass er da ist, dass mit ihm zu rechnen ist. Auf manche mag es auch wie ein Sehnsuchtsmoment gewirkt haben eines Mannes, der weiß, dass es vielleicht das letzte Mal war, dass er diesen Blick in die Menge hat, weil er spürt, dass ihn die Kräfte verlassen, vielleicht bald das Ende des Pontifikats naht? Zuletzt gab es allerdings keine Anzeichen dafür. Die lange Ansprache an die Kurienspitzen am vergangenen Donnerstag trug er mit Engagement vor, anschließend nahm er sich viel Zeit für die einzelnen Weihnachtsgrüße mit den leitenden Mitarbeitern der Kurie.

Dabei warnte er vor Stillstand und Erstarrung im Vatikan. „Auch im Dienst hier in der Kurie ist es wichtig, in Bewegung zu bleiben; nicht aufzuhören, die Wahrheit zu suchen und zu vertiefen; die Versuchung zu überwinden, stehen zu bleiben und innerhalb unserer umhegten Bereiche und Ängste ‚herumzuirren‘. Ängste, Starrheit und schablonenhafte Wiederholung erzeugen eine Unbeweglichkeit, die den scheinbaren Vorteil hat, keine Probleme zu schaffen (…), sie führen dazu, dass wir uns in unseren Labyrinthen im Kreis drehen.“ Eindringlich mahnte Franziskus, sich nicht in ideologischem Streit zu verlieren, sondern sich für den eigenen Auftrag zu begeistern. „60 Jahre nach dem [II. Vatikanischen] Konzil wird immer noch über die Unterscheidung zwischen ‚Progressiven‘ und ‚Konservativen‘ debattiert, während der zentrale Unterschied doch zwischen ‚Verliebten‘ und ‚Gewöhnten‘ besteht. Dies ist der Unterschied. Nur wer liebt, geht weiter.“

Zuletzt hatte sich auch im Vatikan Widerstand gegen die jüngste Erklärung des Glaubensdikasteriums zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare sowie von Paaren in „irregulären Situationen“ geregt. Dazu kommt Gegenwind etwa von vielen afrikanischen Bischofskonferenzen sowie aus einigen Ländern Osteuropas. Hier wird es im neuen Jahr sicher noch heftige Diskussionen über die Entscheidung des Papstes geben. Die afrikanischen Bischofskonferenzen wollen bis Mitte Januar eine gemeinsame Stellungnahme zu der Erklärung erarbeiten und sie an den Papst schicken.

„Krieg ist Wahnsinn“

War es bei der Kurie das eifrige Werben für Veränderung und gegen Stillstand, stand an Weihnachten das Thema Frieden im Mittelpunkt. „Nein zum Krieg, zu jedem Krieg, zur Logik des Krieges selbst, der eine Reise ohne Ziel, eine Niederlage ohne Sieger und ein Wahnsinn ist, für den es keine Entschuldigung gibt.“ Scharf kritisierte Franziskus die Produktion und den Handel mit Waffen, die er als eigentliche Drahtzieher von Kriegen sieht. Nein zum Krieg zu sagen, bedeute Nein zur Logik des Krieges und zu Waffen zu sagen, führte der Papst aus und sagte: „Denn wenn der Mensch, dessen Herz unstet und verwundet ist, Werkzeuge des Todes in Händen hält, wird er sie früher oder später einsetzen. Und wie kann man von Frieden sprechen, wenn Produktion, Verkauf und Handel von Waffen zunehmen?“ Mit Blick auf den Krieg im Heiligen Land erklärte Franziskus: „Man schüre nicht weiter Gewalt und Hass, sondern führe die palästinensische Frage zu einer Lösung, und zwar durch einen aufrichtigen und beharrlichen Dialog zwischen den Parteien, der von einem starken politischen Willen getragen wird und von der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft.“

Damit verpasste Franziskus auch beim Urbi et orbi, sich klar gegen die Terrororganisation Hamas zu positionieren. Das führte schon in den vergangenen Wochen zu scharfer Kritik an seiner Haltung, nicht nur von Seiten des Staats Israel und Vertretern des Judentums. Wie schon im Ukrainekrieg laviert Franziskus einmal mehr. Offiziell heißt es, er wolle damit die Möglichkeit einer Vermittlung in den Konflikten offenhalten. Doch in beiden Konflikten ist nicht erkennbar, dass der Heilige Stuhl eine entscheidende Rolle spielt bei der Suche nach diplomatische Lösungen.

Autorenbild

Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

5 Kommentare

  • Erasmus
    25.12.2023, 23:47 Uhr.

    FRANZISKUS KOMPLETTIERT SEIN VERMÄCHTNIS
    „Sehnsuchtsmoment … eines Mannes, der weiß, dass es vielleicht das letzte Mal war, dass er diesen Blick in die Menge hat, weil er spürt, dass ihn die Kräfte verlassen, vielleicht bald das Ende des Pontifikats naht?“ (Erbacher)
    Das bald 11jährige Pontifikat Franziskus‘ steht vor seiner Schlussetappe. Insbesondere seit Benedikts Tod vor einem Jahr nützt der Oberhirte der katholischen Kirche die ihm verbliebene Zeit, kraftvolle ZUKUNFTSWEISENDE ENTSCHEIDUNGEN zu treffen. Ein wichtiger Schritt erfolgte – bereits im Jahr zuvor – durch die Inkraftsetzung der neuen Kurienverfassung „Praedicate evangelium“, die den Weg dafür frei gemacht hat, dass auch eine Frau an die Spitze eines Dikasteriums berufen werden kann. Ein weiterer Meilenstein war die revolutionäre Umformung des exklusiven Organs Bischofssynode im April 2023. Zukünftigen Synoden gehören nun bis zu 25 Prozent stimmberechtigte Nicht-Bischöfe an, die Hälfte davon Frauen.
    Seit Franziskus keine Rücksichten mehr auf einen Papa emeritus nehmen muss, sieht er sich in der Lage, auf INAKZEPTABLE ILLOYALITÄTEN hochgestellter Kleriker markig zu reagieren. Erzbischof Gänswein musste zum 1. Juli 2023 Rom verlassen und in seine Heimatdiözese Freiburg zurückkehren. Im November enthob der Pontifex den erzkonservativen US-amerikanischen Bischof Joseph Strickland seines Amtes und maßregelte wenig später den ihn, von Anfang an bekämpfenden US-amerikanischen Kardinal Raymond Leo Burke und entzog ihm seine vatikanische Dienstwohnung und sein Kardinalsgehalt.
    Dem Schlussdokument der Halbzeit-Synode im Oktober wurde bescheinigt, die Diskussionen der Synode angemessen zu repräsentieren, ausgenommen das Konfliktfeld LGBTQIA+. Diese Schieflage begradigte Franziskus zusammen mit dem von ihm im Juli frisch ernannten Glaubenspräfekt Víctor Manuel Fernández. Seit der Erklärung „Fiducia supplicans“ vom 18. Dezember ist es fortan katholischen Priestern erlaubt, Paare in „irregulären“ Situationen und GLEICHGESCHLECHTLICHE PAARE zu SEGNEN.
    Für Franziskus hat die zweite Halbzeit der „Synode zur Synodalität“ im Herbst 2024 und das anschließende nachsynodale Schreiben mit Sicherheit einen sehr hohen Stellenwert. Insofern könnte ich mir vorstellen, dass 2025 der ZEITPUNKT SEINES RÜCKTRITTS vom Papstamt – im Alter von dann 89 Jahren – gekommen sein könnte.

  • Silvia
    27.12.2023, 14:35 Uhr.

    Zwischen dem Ukrainekrieg und dem Überfall der Hamas auf Israel sehe ich einen Unterschied.

    Der Krieg gegen die Ukraine wird von einem anderen Staat, nämlich Russland geführt.

    Israel wurde von Terroristen überfallen.

    Im kriegerischen Konflikt zweier Staaten konnte sich der Vatikan Hoffnungen machen, zu vermitteln. Auch war es sinnvoll, die Ökumene mit der russ.- orthodoxen Kirche nicht zu gefährden.

    Im Umgang mit Terroristen gibt es keine diplomatische Lösung. Die Hamas werden bestimmt nicht auf den Papst oder einen vatikanischen Abgesandten hören, das müsste auch dem Papst klar sein.

    Der Staat Israel wurde 1948 von der UNO gegründet auf einem Gebiet, das schon in alttestamentlichen Zeiten von Juden besiedelt war und nach dem Holocaust zur Heimat vieler überlebender Juden und deren Nachkommen wurde.

    Für uns Deutsche ist das Existenzrecht des Staates Israel Staatsdoktrin.

    Vielleicht sollte sich der Papst über die Geschichte des Staates Israel informieren.

    Die Ukraine wiederum hat einst zur Sowjetunion gehört und wurde erst nach deren Zerfall ein souveräner Staat.

    • Jürgen Erbacher
      Jürgen Erbacher
      31.12.2023, 10:03 Uhr.

      Die Geschichte der Ukraine reicht vor die Zeit der Sowjetunion zurück.

    • Novalis
      02.01.2024, 11:44 Uhr.

      „Staatsdoktrin“? Mit Verlaub, wir sind nicht in der DDR. Die Bundesrepublik ist ein weltanschaulich neutraler Staat und oktroyiert keine Doktrinen. Eine Staatsräson ist etwas anderes!
      Mit fällt es nicht schwer, auch die schwierigste israelische Regierung öffentlich zu verteidigen. Israel ist ein Rechtsstaat, Israel ist eine Demokratie mit freien, gleichen und geheimen Wahlen – und beides als einziges Land der Levante. In Israels Parlament sitzen sogar Abgeordnete der palästinensischen Minderheit, die in Teilen die Vorgängerregierung gestützt hat! – proportional sogar mehr als im deutschen Parlament die dänische Minderheit (die sorbische Minderheit hat gar keine Vertreter) – in welchem Land im Nahen Osten ist eine demokratische Minderheitenvertetung in diesem Maße gegeben? Man muss Israel aber vor vermeintlichen Verteidigern verteidigen. Israel wurde nicht von der Uno gegründet, Israel wurde als Staat gegründet durch die Ausrufung des Staates seitens David Ben-Gurion. Die Uno hat einen Teilungsplan für das Britische Mandatsgebiet vorgelegt, den das damalige Übergangsparlament im Gegensatz zu den umliegenden Ländern akzeptierte. Auch das nur am Rande.
      „Im Umgang mit Terroristen gibt es keine diplomatische Lösung.“ Ganz richtig, aber sind alle Palästinenser denn Terroristen? Faktisch ist das ja die Unterstellung, die Silvia da ungeheuerlicher Weise von sich gibt. Der Papst hat Recht – und angesichts der christlichen Palästinenser auch die Pflicht – darauf hinzuwirken, dass auch im Kriegszustand die Rechte von Zivilisten gewahrt werden. Und zwar bitte auf beiden Seiten dieses furchtbaren Konflikts. Staat und überwältigende Mehrheit der Bevölkerung Israels stellen jedenfalls das Existenzrecht der Palästinenser nicht in Frage. Gilt das auch umgekehrt? Wenn ja, wie kommt es, dass z.B. in der Levante an Kiosken „Mein Kampf“ verkauft werden kann?
      „Vielleicht sollte sich der Papst über die Geschichte des Staates Israel informieren.“
      Vielleicht sollte sich Silvia über die Geschichte des Staates Israel informieren. Und über die der Ukraine. Kiew war als Haupstadt vor dem Mongolensturm in den 1240er Jahren so wichtig, dass das Kloster St. Emmeram in Regensburg dort sogar eine Dependance unterhielt. Dort gab es eine hochstehende Kultur, da haben nicht Wilde gehaust, da war Moskau noch unbedeutend.
      Ich muss es jetzt schon auch mal direkt schreiben: Wenn man nichts, aber auch wirklich nichts zu sagen hat, dann sollte man nicht einfach irgendwas plappern. Vielleicht googlet man mal die Geschichte von den drei Sieben. Würde nicht schaden.

  • Gisela Hielscher
    31.12.2023, 10:50 Uhr.

    Sehr geehrter Herr Erbacher! Leider erwähnen Sie in Ihrem Bericht nicht, dass der Papst bei seiner Rede zum Segen Urbi et Orbi dazu aufrief, die Hintermänner, Drahtzieher und Profiteure der Kriege in Wort und Schrift öffentlich zu benennen. Das könnte ein effektiver Schritt sein, und das habe ich bislang in keinem Bericht gelesen, nur in der Rede selbst gehört.

Kommentare geschlossen

Dieser Beitrag kann nicht länger kommentiert werden.