Überraschung zu Weihnachten
Ein Segen für gleichgeschlechtliche Paare ist jetzt auch in der katholischen Kirche möglich. Zwar beharrt der Vatikan in der am Montag veröffentlichten Erklärung „Fiducia supplicans“ auf der strikten Unterscheidung zwischen sakramentaler Ehe und irregulären sowie gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Dennoch stellt die Entscheidung des Papstes eine Kehrtwende dar. Noch 2021 stellte die Glaubenskongregation fest, dass eine Segnung homosexueller Paare „nicht erlaubt“ sei. Heute erklärt die oberste Glaubensbehörde mit einigen theologischen und argumentativen Klimmzügen, dass damals nur eine Segnung im Sinne der sakramentalen Ehe gemeint gewesen sei, die auch weiterhin verboten ist. Daneben habe man jetzt aber auf Wunsch und in Anlehnung an das Wirken von Papst Franziskus „ein umfassenderes Verständnis von Segnung entwickelt“. Und damit sei ein Segen doch möglich. Mit dem Fokus auf der Seelsorge versucht der neue Präfekt des Glaubensdikasteriums und Franziskus-Intimus, Kardinal Víctor Manuel Fernández, bei Beibehaltung der traditionellen Lehre zu Ehe und Homosexualität einen „innovativen Beitrag zur pastoralen Bedeutung von Segnungen zu bieten“.
„Kirche für alle“ konkret
Der Begriff „Innovation“ findet sich eher selten in lehramtlichen Dokumenten der katholischen Kirche. Der neue Glaubenspräfekt benutzt es schon in der Einführung seines ersten größeren Dokuments als oberster Glaubenshüter. Es könnte der Anfang eines neuen Selbstverständnisses der vatikanischen Glaubensbehörde sein. Papst Franziskus sprach vor allem zu Beginn seines Pontifikats von „kreativen Ansätzen“ in der Pastoral. Doch aus den Reihen der vatikanischen Behörden war dazu lange nichts zu hören. Kardinal Fernández schreibt jetzt in der Einleitung zu dem 14-seitigen Dokument, dass es Aufgabe seines Dikasteriums sei, „neben dem Verständnis der beständigen Lehre der Kirche die Rezeption der Lehre des Heiligen Vaters zu fördern“. Und der spricht seit langer Zeit von einer Kirche, die nicht ausgrenzen darf, sondern für alle da sei. „Alle, alle, alle“ seien in der Kirche willkommen, rief er den Jugendlichen beim Weltjugendtag in Lissabon im Sommer zu. Doch diejenigen, die nicht zu 100 Prozent dem katholischen Eheideal entsprechen, fühlen sich seit langer Zeit in großer Mehrheit nicht willkommen in dieser katholischen Kirche.
Die aktuelle Entscheidung des Papstes ist nun ein erster Schritt, diese „Kirche für alle“ Realität werden zu lassen. Dabei wirkt das neue Dokument allerdings einmal mehr wie die Quadratur des Kreises. Eine Gefühl, dass sich im aktuellen Pontifikat immer wieder einstellt. Einerseits wird an der traditionellen Lehre zu Ehe und Homosexualität festgehalten, andererseits wird eine Tür aufgemacht, die bisher verschlossen war. Es ist ein erster Schritt. Dabei stellt der Papst eine große Zahl von Schranken und Hürden auf. Gleich mehrfach wird betont, dass es keine Ritualisierung geben soll. Es wird sogar ausdrücklich untersagt, weil der Vatikan eine Verwechslung mit dem Ehesakrament befürchtet. Das dürfte die Deutsche Bischofskonferenz in schwere Nöte bringen, die nach den Beschlüssen des Synodalen Wegs zum Thema genau das vorhat.
Trotz vieler „Aber“ eine Öffnung
Der Vatikan liefert übrigens neben der Verwechslungsgefahr noch weitere Gründe für die Ablehnung von Handreichungen und einer Ritualisierung. Das „würde eine schwerwiegende Verarmung darstellen, denn sie würde eine Geste von großem Wert für die Volksfrömmigkeit einer übermäßigen Kontrolle unterwerfen und die Seelsorger der Freiheit und Spontaneität in ihrer seelsorglichen Begleitung des Lebens der Menschen berauben“. Mit einer ähnlichen Argumentation hatte Franziskus bereits bei der Frage nach dem Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene argumentiert. Normen könnten zu einer „unerträglichen Kasuistik führen“, so Franziskus in seinem Schreiben Amoris laetitia.
Nichtsdestotrotz steckt in der Entscheidung das Potential für eine Revolution. Sie könnte eine Brücke bauen für weitere Entwicklungen im Kontext von Ehe, Beziehungen, Sakramenten und deren Bewertung durch die katholische Kirche. Interessant ist, dass das Papier an fast allen Stellen zwischen „irregulären Situationen“ und „gleichgeschlechtlichen Paaren“ unterscheidet. Warum diese Unterscheidung getroffen wird, wird nicht erläutert, könnte aber bei weiteren theologischen Diskussionen noch eine Rolle spielen. Es ist zu erwarten, dass Konservativen die aktuelle Erklärung zu weit geht und sie vor allem auf die Passagen verweisen werden, die die Beibehaltung der traditionellen Lehre propagieren. Reformern wird das Papier nicht weit genug gehen. Unabhängig davon gilt: es ist eine grundlegende Veränderung der bisherigen offiziellen kirchlichen Lehre in der Frage des Segens für gleichgeschlechtliche Paare.
13 Kommentare
Na also, es geht was vorwärts. Jetzt muss nur noch der durch nichts zu rechtfertigende Unfug weg, dass jeder Sexualakt für Nachkommenschaft offen sein muss und nur in der Ehe stattfinden darf. In der Bibel findet sich dazu eh keine Begründung. Als ob es den lieben Gott interessiert, ob eine Ejakulation im Mund, in der Vagina oder im Anus stattfindet – wenn sie nur in gegenseitiger Achtung und einvernehmlich und voll Lust geschieht.
Ich gehe davon aus, dass die „normalen“ Katholiken das Dokument nicht (gründlich) lesen werden und falls doch, den Unterschied der zweierlei Segen nicht verstehen werden und auch nicht den Unterschied zwischen einem „einfachen“ Segen und einer sakramentalen Trauung.
Außerhalb der Kirche wird sich sowieso niemand die Mühe machen, da durchzublicken. Bereits gestern habe ich einen Kommentar auf Focus online gelesen, wonach die katholische Kirche „endlich“ die Ehe für alle anerkenne.
Wäre es nicht konsequenter gewesen, dann auch die Lehre offiziell zu ändern als für (noch mehr) Verwirrung zu sorgen?
Was mich ärgert ist, dass standesamtlich wiederverheiratete Katholiken und unverheiratete Heteropaare immer noch aus vatikanischer Sicht in „irregulären“ Situationen/ Beziehungen leben, gleichgeschlechtliche Paare aber offenbar nicht mehr.
Man könnte auf die Idee kommen, dass bei den vielen homosexuellen Männern im Klerus eben mit zweierlei Maß gemessen wird.
geschieden wiederverheiratete sind exakt genau gleich irregulär wie homosexuelle für rom.
Der Unterschied besteht für mich darin, dass wiederverheiratete Geschiedene aus welchen Gründen auch immer (Tod des geschiedenen Partners, Eheannullierung…) irgendwann eine kirchliche Ehe schließen können, während die für homosexuelle Paare ausgeschlossen ist. Aber die Wortwahl ist schwierig.
Wenn man aber die Einwände liest, die jetzt schon massiv da sind, allen voran von Kardinal Müller (war erwartbar), dann ist klar, dass der Schritt zu dieser Erklärung nicht einfach war.
man täusche sich nicht: die kirche ist nur ein wenig weniger homophob geworden, als sie unter B16 war. es gibt keinen anthropologischen und auch keinen theologischen grund, heterosexuelle ehen anders zu bewerten als nichtheterosexuelle ehen. wer hier mit der fruchtbarkeit und kinderzeugung kommt, sollte bedenken, ob sex mit einer frau über der menopause weniger wert ist. das war nie in der lehrgeschichte der kirche der fall.
INNOVATION ODER REFÖRMCHEN?
„… wirkt das neue Dokument allerdings einmal mehr wie die Quadratur des Kreises.“ (Erbacher)
Der Religionspädagoge und Initiator von „#OutInChurch“, Jens EHEBRECHT-ZUMSANDE, artikuliert in seinem Kommentar das extreme Spektrum, wenn es um Queerness in der katholischen Kirche geht. Aus seiner Warte handelt es sich um einen „Mini-Schritt in die richtige Richtung“, der aber eigentlich die Diskriminierung nur fortsetzt, weil es eben nicht um eine Gleichbehandlung von queeren Paaren geht. Würde man allerdings die Queerfeindlichkeit des Mainstreams der katholischen Kirche als Maßstab nehmen, so könnte man von einem Quantensprung sprechen.
In Franziskus’ nachsynodalem Schreiben „Amoris laetitia“ von 2016 taucht 6-mal der Terminus „irreguläre Situation“ auf, und erfreulicherweise ist das Wort „IRREGULÄR“ durchgehend in Anführungszeichen gesetzt. Daraus schließe ich, dass sich der Papst durchaus auch eine andere als die derzeitig geltende katholische Beziehungsethik vorstellen kann. Er hat allerdings qua Amtes seine persönliche Meinung immer mit seinem Auftrag, die Einheit der Kirche zu wahren, abzugleichen.
Im Hinblick auf die zweite Halbzeit der Weltsynode ergeben sich zwei Interpretationsperspektiven. Die vom Dikasterium für die Glaubenslehre herbeigeführte Innovation könnte Anstoß dafür sein, eine REFORM DER KATHOLISCHEN MORALLEHRE in Angriff zu nehmen. Sie könnte allerdings auch eine Schwelle im Sinne von: „Bis hierhin, aber keinesfalls weiter“, markieren. Für die erstgenannte Variante spricht, das im Zwischenbericht der Weltsynode festgehalten ist, dass die bisherigen lehramtlichen „anthropologischen Kategorien nicht ausreichen“, um komplexen Themen wie Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung gerecht werden zu können. (S. 31)
Mit der Fortentwicklung hin zu Pluralität in Sachen Homosexualität wird hoffentlich auch im Nachbar-Problem der Empfängnisplanung eine „Fortentwicklung“ oder „Revision“ (Peter Hünermann) von HUMANAE VITAE gewagt werden!
Bergoglio/Fernandez mögen weiter mutige Seelsorger sein!
Vielleicht werden dann sogar junge Leute wieder zuhören,
sage ich (*1942) mit etwas neuem Optimismus.
Mit Dank an Rom-Publizistik von ZDF durch Dr. Jürgen Erbacher
Bischof Oster legt auf seiner persönlichen Website den Inhalt des vatikanischen Schreibens und des neuen Verständnisses von Segen in verständlicher Sprache dar, gewissermaßen für Nichttheologen.
Ich finde diese Darlegung hilfreich, gerade für „Normalkatholiken“, also Nichttheologen. Wobei er gerade nicht auf die Spitzfindigkeiten und Haarspaltereien im vatikanischen Schreiben eingeht sondern sich auf das Wesentliche beschränkt.
Theologen sind keine Normalkatholiken? Alle? Also die Theolog*innen, die ich kennengelernt habe, waren in überwältigender Mehrheit ganz normale Katholik*innen, hatten dieselben Nöte und Sorgen wie die theologisch Gebildeten etc. Spannend finde ich, dass manche es sich hier einfach machen: Wenn man als Theologin mit einem Abschluss wahrgenommen werden will, dann gilt der Fernkurs wie ein Unidiplom; wenn man Theologenbashing betreiben will, dann ist man nicht mehr Theologin, sondern Normalkatholikin, die den gesunden Volksverstand kennt und sich von „den“ bösen Theologen absetzt.
Was Gott verbindet, das kann der Mensch nicht trennen!
Wer aber kann seine Verbindung durch Gott als Mensch bestätigen?
Ich glaube, selbiges geschieht nicht über die Sexualität, denn daraus erwächst eine viel tiefere Verbindung durch Gott, als es für den Menschen nachvollziehbar wäre. Immerhin basiert die ganze Evolution auf einer Generation von Verbindungen, die sich vielleicht noch durch Gott rechtfertigen lassen, jedoch spätestens an der katholischen Ehe, die rein geistige Frücht trägt, an ihrem Erklärungswillen scheitern dürfte. Scheitern deshalb, weil es unglaublich schwer ist, dem Innersten eines einzigen Menschen gerecht zu werden. Diese Gerechtigkeit dann einer ganzen Menschheit überzustülpen, bliebe auch für diesen Menschen unmöglich. Einzig aus dieser Erkenntnis wiederum gewinnt der Mensch das Ego, sich auf Jesus einzulassen, denn der scheiterte an genau diesem Punkt an seinen Mitmenschen und ist trotzdem noch heute in ihrem Gedächtnis verankert, sodass es sich auf ihn einlassen kann.
Ich denke, in Zukunft wird die Kirche ihre Fruchtbarkeit noch besser zur Geltung bringen können. Anhand dieser Entscheidung für den Segen von Gott, will ich erkennen, dass sich die Angst vor dem Glauben an Jesus in ihr Vertrauen gewandelt hat, das auf den Vater baut, der ihr schon immer anvertraut, was das für ihn bedeutet. Jesus hat sich dem Herz offenbart, das zu seinem Gedächtnis lebt und damit alles erfüllt, was es zu erfüllen gilt. Es ist der Mensch, den Gott zu sich rief, damit er mit ihm teilen kann, was bereits durch ihn miteinander verbunden ist.
Kirche und Fruchtbarkeit: unfreiwillig komisch…
Ich halte Franziskus‘ Position für einen Fehler: Den einen ist es erwartbar zu wenig, den anderen viel zu viel. In den Ländern, in denen die Kirche wächst, vor allem im Asien und Afrika, werden diese „Liberalisierungen“ auf Ablehnung stoßen, weil man darin westliche Dekadenz und westlichen Hegemonialanspruch sieht. Die deutsche, weitgehend schismatisch gewordene Kirche – man könnte sie in ihrer Verbuntungsreligion schon fast als apostatisch geworden bezeichnen – wird alles, was unterhalb der völligen Gleichbehandlung homosexueller Paare mit heterosexuellen liegt, als unchristliche Diskriminierung ansehen, obwohl „discrimen“ Unterschied bedeutet und die Gabe der Unterscheidung (der Geister) eine der wichtigen Gaben ist. Kirchenpolitisch hat dieser Papst, dessen Bilanz ich als bestenfalls gemischt ansehen, wieder einmal daneben gehauen. Sein Nachfolger ist um die Aufgabe nicht zu beneiden.
Die Praxis von der Lehre abzukoppeln, halte ich grundsätzlich für problematisch.
Übrigens ist geplant, dass der Glaubenspräfekt zusammen mit weiteren Dikasterienleitern in absehbarer Zeit nach Deutschland kommen wird, um Gespräche mit den deutschen Bischöfen zu führen.
Auf die Ergebnisse bin ich gespannt.
Kommentare geschlossen
Dieser Beitrag kann nicht länger kommentiert werden.