Showdown im Vatikan?
Mit Spannung blickt das katholische Deutschland diese Woche nach Rom. Im Vatikan startet an diesem Montag der Ad Limina-Besuch der Deutschen Bischofskonferenz. Bis Freitag führen die rund 60 Bischöfe Gespräche in den verschiedenen Dikasterien, am Freitag ist ein Treffen mit Papst Franziskus geplant. Daran nehmen auch mehrere Leiter vatikanischer Behörden teil. Im Mittelpunkt der Gespräche: der Synodale Weg. Viele im Vatikan beäugen die Reformbemühungen in Deutschland kritisch. Papst Franziskus goss jüngst noch einmal Öl ins Feuer, als er seine Kritik wiederholte, Deutschland brauche keine zweite evangelische Kirche. Es gebe bereits eine sehr gute. Er warnte davor, dass die Bischöfe „den religiösen Sinn des Volkes“ nicht verlieren sollten. Das verwundert, denn die Mehrheit der Bischöfe sieht sich in ihren Reformbemühungen von einer großen Mehrheit der Gläubigen getragen. Es gibt also viel zu besprechen in den „heiligen Hallen“.
Missverständnisse ausräumen
Für manchen Bischöfe könnte es eine unruhige Nacht gewesen sein vor dem Start des Ad Limina-Besuchs im Vatikan und das nicht nur wegen des Gewitters in den frühen Morgenstunden. Die vergangenen Monate zeigten, dass es um die Kommunikation zwischen Rom und Deutschland nicht sehr gut bestellt ist. Lange Zeit beklagten die Prälaten im Vatikan, dass die deutschen Bischöfe den Dialog nicht suchten, um ihre Anliegen zu erklären und die römischen Bedenken zu hören. Nun verstärkten in den vergangenen Monaten die deutschen Bischöfe ihre Präsenz in Rom, kamen regelmäßig zu Audienzen zum Papst und wieder gab es Kritik aus den „heiligen Hallen“. Die Deutschen versuchten kurz vor Ende des Synodalen Wegs im März 2023 auf der Zielgeraden Rom auf Biegen und Brechen von den angedachten Reformen zu überzeugen. Das komme zu spät und sei nicht wirklich ein dialogisches Verhalten, so der Vorwurf aus den Dikasterien. Zudem sprächen viele Bischöfe nur mit dem obersten Chef, ließen sich aber in den Dikasterien nicht blicken.
Fakt ist, dass es in der Kommunikation zwischen der Römischen Kurie und der katholischen Kirche in Deutschland seit Jahrzehnten hakt. Das hängt mit der Politik zusammen, nach der die deutschen Bischöfe Personalvorschläge für Posten in den vatikanischen Dikasterien machen. Die Bandbreite des Katholischen bilden die deutschsprachigen Mitarbeitenden in der Kurie nicht ab. Viele kommen eher aus dem konservativen Spektrum. Da verwundert es nicht, wenn an vielen Stellen die Diskussionen in Deutschland kritisch betrachtet werden. Ein zweiter Punkt, neben der Personalpolitik, ist die Frage nach dem „Wie“ des Dialogs. Viele Gesprächsangebote aus Deutschland werden im Vatikan als belehrend empfunden. Die jüngste Eingabe des Papstes, es drohe der „religiöse Sinn des Volkes“ verloren zu gehen, passt in das Narrativ, das in Rom an vielen Stellen zu hören ist. Demnach handle es sich beim Synodalen Weg um ein Selbstverwirklichungsprodukt einiger Theologinnen und Theologen sowie des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.
Dialog auf vielen Ebenen notwendig
Solchen Interpretationen kann man nur durch Gespräche begegnen, die Kontinuität brauchen. Das gilt auch für die Laien. Seit einem Jahr ist die neue Präsidentin des ZdK, Irme Stetter-Karp, im Amt. Bisher ist nicht bekannt, dass sie in dieser Zeit Gespräche in Rom geführt hat. Eine für Spätsommer geplante Reise in die Ewige Stadt wurde aus Termingründen, so die offizielle Version, abgesagt. Kurz zuvor hatte es heftige Debatten um einen Artikel Stetter-Karps gegeben. Darin hatte sie sich gegen eine weitere Liberalisierung des Abtreibungsrechts ausgesprochen, zugleich aber gefordert „sicherzustellen, dass der medizinische Eingriff eines Schwangerschaftsabbruchs flächendeckend ermöglicht wird“. Dies hatte zu heftigen Reaktionen vor allem aus konservativ katholischen Kreisen geführt. In der Debatte um den Artikel wurde deutlich, wie polarisiert und aufgeladen die Stimmung in der katholischen Kirche in Deutschland aktuell ist.
Die Kommunikationsprobleme können in einer Woche nicht aufgearbeitet und aufgelöst werden. Dennoch ist die aktuelle Woche eine Chance, sich aufeinander zuzubewegen und die jeweils andere Seite anzuhören. Falsche Narrative abbauen, Vertrauen aufbauen und die Frage nach der Einbindung der deutschen Debatte in den weltweiten Synodalen Prozess angehen, wenn das gelingt, wäre am Ende der Woche viel erreicht. Die Bischöfe wollen die Situation der katholischen Kirche in Deutschland detailliert schildern. Offen ist, ob und in welcher Form dabei auch über die Vorgänge im Erzbistum Köln und die Personalie Kardinal Woelki gesprochen wird. Pressetermine während der Woche sind nicht geplant. Am Samstag will der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, bei einer Pressekonferenz über die Gespräche im Vatikan informieren.
9 Kommentare
WENN KATHOLISCHE WELTEN AUFEINANDERPRALLEN
„… handle es sich beim Synodalen Weg um ein Selbstverwirklichungsprodukt einiger Theologinnen und Theologen sowie des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.“ (Erbacher)
Wie von Jürgen Erbacher angesprochen, sind die deutschen Mitarbeiter der römischen Kurie nicht für den deutschen Katholizismus repräsentativ. Allein wenn man sich vergegenwärtigt, welche deutschen Kardinäle beim nächsten Konklave wahlberechtigt sind, so steht den erzkonservativen Kardinälen Woelki und Müller ein liberaler Erzbischof Marx gegenüber.
Aber eigentlich geht es gar nicht um die Frage, wer wen angemessen repräsentiert. Wir erinnern uns, dass der Ausgangspunkt des SYNODALEN WEGES das mit der Veröffentlichung der MHG-Studie im Herbst 2018 sichtbar gewordene monströse klerikale Missbrauchsdesaster war. Die KLERIKERKIRCHE hatte sich selbst zerlegt, weil fortan nicht nur der einzelne Geistliche als Vertrauensperson grundsätzlich in Frage gestellt war, sondern Bischöfe sowohl vertuscht hatten als auch durch die Versetzung von Tätern zu Schuldigen gegenüber neuen Missbrauchsopfern geworden waren.
Während Rom versucht, den Mega-Skandal auszusitzen, gibt es in Deutschland ernsthafte Anstrengungen zu Umkehr und Erneuerung. Aus der Erkenntnis der systemischen Dimension des Missbrauchsdebakels wurde folgerichtig ein Synodaler Weg initiiert, bei dem Laien und Kleriker gemeinsam grundlegende REFORMEN in Angriff nehmen. Auch ist an das authentische und adäquat begründete Rücktrittsgesuch von Kardinal Marx zu erinnern.
Bei dem Stichwort REFORMEN hört in Rom nicht nur der Spaß auf, sondern man hat den Eindruck, dass in Rom das Schreckgespenst der deutschen REFORMATION neu auflebt. Insofern trifft Papst Franziskus den Nagel auf den Kopf, wenn er katholische und evangelische Kirche gegenüberstellt und damit die Grundsatzfrage nach dem katholischen Proprium stellt. Was ist der MARKENKERN des Katholischen?
– Müssen Priester unbedingt zölibatär leben?
– Wäre das Ordinieren von Frauen unkatholisch?
– Muss alle Macht auf Seiten des Klerus sein und bleiben?
– Ist nur eine heteronormative katholische Sexualmoral denkbar?
Der Fragenkatalog ließe sich durchaus erweitern. Aus meiner Sicht gibt es eine klare Frontstellung: Soll die Katholische Kirche im Prinzip so bleiben wie sie ist (Rom), oder bedarf es einer grundlegenden TRANSFORMATION (Synodaler Weg)?
Im Unterschied zu Erbacher bin ich nicht der Meinung, dass es sich um Kommunikationsprobleme handelt, sondern es geht aus deutscher Sicht um die Überwindung eines anachronistischen Systems. Gut, dass Franziskus die Bischofssynode auf den Herbst 2024 verschoben hat. Bis dahin ist viel Zeit für diskursive Prozesse in der Weltkirche. Ob und welche Neuerungen zu verzeichnen sind, wird das vermutlich im Frühjahr 2025 erscheinende nachsynodale Schreiben des Papstes erweisen.
Erasmus: kann mich in Ihrem Kommentar wiederfinden und möchte hinzufügen, bis 2025 zumindest geht die Erosion in der deutschen röm-kath. Kirche vermutlich ungebremst weiter…
Das sehe ich genauso.
Frage mich wirklich was dieser viel zu früh hochgejubelte Papst vom Kirchenvolk in Deutschland und dessen Besorgnissen überhaupt weiß oder ob er nur auf das reagiert, was ihm ultrakonservative Subalterne einflüstern. Wie auch immer, er hat die Pflicht sich selbst neutral zu überzeugen und den Synodalen Weg ernst zu nehmen. Dazu aber ist dieser sichtbar alternde Mann leider nicht mehr in der Lage…
Mir scheint aber auch Papst Franziskus nicht richtig verstanden zu werden. Für ihn besteht, wie er in Interviews sagt, eine Synode nicht in einem gemeinsamen Gebet am Anfang und dann parlamentarischen Abstimmungen über Themen mit Mehrheitsentscheidung, sondern in einer Unterscheidung der Geister auf einem gemeinsamen Weg, der auch zu einer eigenen Positionsänderung führen kann;über die Kategorien progressiv und konservativ hinaus.
Nun, den Dialog, den er großzügig und sehr offen den anderen Religionen (siehe die kürzliche Reise) anbietet, verweigert er seiner eigenen Kirche. Dort tendiert er zum absoluten Monolog. Franziskus sollte eigentlich den kritischen Gläubigen dankbar sein und sich die alte Weisheit zu eigen machen: Denken ist Dialog und nicht Monolog, wo die Antwort bereits feststeht wie in den so oft dogmatischen Religionen. Er würgt damit die Entwicklung seiner Kirche zu einer menschlicheren religiösen Gemeinschaft ab. „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen“ Joh. 14:2…
Sehen Sie Wanda, worüber Sie sprechen, das ist wohl eher eine Art Philosophie, der Papst ist aber der Hirte einer Kirche. Da kann es ihm nicht darum gehen, dass die Demokratie eine Religion „verbessert“, er wird sich eher fragen: was hat die Kirche der Welt zu sagen ?
@Arnold 19.11. 14:33 Uhr
– Was die Kirche der Welt von Gottesgläubigen zu sagen hätte, wäre: wie schafft die Amtskirche eine Selbstreinigung von all den in 2000 Jahren angehäuften Verfehlungen, Unmenschlichkeiten, Anmassungen, Ankrustungen und Entfernungen von der Grundidee des Nazareners ? Der würde sich im Vatikan als armer, auf ein humanes Ideal hin konzentrierter Wanderprediger ganz sicher nicht wiedererkennen… P.S. aktuelle Probleme lassen wir ausnahmsweise mal beiseite.
Die Kirche war bis zur Reformation die Gesamtheit der Christen, gute und schlechte, die gesamte Gesellschaft. Die soll sich heute als katholische Kirche selbstreinigen ? Fällt Ihnen nicht auf, dass die Probleme der Kirche begannen, als das römische Reich, der damalige Staat also, interessante Machtperspektiven in der Übernahme der christlichen Religion als Staatsreligion sah ? Und ist es in der menschlichen Geschichte nicht immer so gewesen, dass die Probleme von der Macht und dem Geld herkamen ? Schauen Sie zum Beispiel die Klimakatastrophe, die von unseren liberalen und aufgeklärten reichen Gesellschaften ausgehen. Und nun sollen von da her die Anstöße zur Reform in der Kirche kommen ? Ich denke nicht.
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