Synodaler Weg: Zwischen Zuversicht und Frust

Der Synodale Weg wird wohl erneut verlängert. Am Samstagmorgen machte das Präsidium den Vorschlag, dass der Prozess nicht im Herbst 2022 enden soll, sondern erst im Frühjahr 2023. Die Synodalen sollen mehr Zeit haben, um über die Inhalte zu diskutieren. Das Treffen in Frankfurt endete am Samstag mit einem Eklat. Weil zu viele Synodale vorzeitig abgereist waren, war die Versammlung am Nachmittag nicht mehr beschlussfähig. Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und Co-Präsident des Synodalen Wegs, kritisierte die Abgereisten scharf. Trotz des Frusts über das unschöne Ende zeigte sich das Präsidium zuversichtlich angesichts der gefassten Beschlüsse. 13 von 16 Texten seien mit großer Mehrheit verabschiedet worden. „Der gute Geist von Frankfurt war wieder da“, erklärte ZdK-Präsident Thomas Sternberg, ebenfalls Co-Präsident des Synodalen Wegs, mit Verweis auf die Aufbruchstimmung bei der ersten Synodalversammlung im Februar 2020. Dennoch bleibt die bange Frage, ob die Texte auch bei den endgültigen Abstimmungen eine so breite Mehrheit finden werden.

Standing Ovation bei der Verabschiedung von Thomas Sternberg und Karin Kortmann aus dem Präsidium des Synodalen Wegs. (Quelle: SynodalerWeg)

Mehrheit für Ständigen Synodalrat

Es war der Co-Präsident selbst, der den Eklat provozierte. Als sich die Reihen im Congress Center in Frankfurt am Samstagnachmittag zusehends lichteten, stellte Bischof Georg Bätzing den Antrag auf Feststellung der Beschlussfähigkeit. Mit 149 abgegebenen Stimmen wurde die notwendige Zweidrittelmehrheit von 154 knapp verfehlt. Insgesamt gehören 230 Mitglieder dem Synodalen Weg an. Bätzing nannte anschließend zwei Gründe für seinen Schritt. Zum einen kritisierte er, dass so viele Synodale bereits vorzeitig abgereist waren. Zum anderen wollte er Rechtssicherheit bei den Abstimmungen für die Handlungstexte, die am Nachmittag noch auf der Tagesordnung standen. Unter anderem ging es um die Rechenschaftspflicht von Pfarrern und Bischöfen. Bätzing erklärte, diese Themen seien so wichtig, dass er keinen Verdacht aufkommen lassen wollte, dass es bei der ersten Lesung Unregelmäßigkeiten gegeben habe.

Knifflig wurde es bereits am Samstagmorgen beim ersten Handlungstext: Soll es einen ständigen Synodalen Rat geben oder nicht? Unklar war, welche Bedeutung eine Entscheidung über den vorgelegten Text in erster Lesung hat. Werden damit bereits die dargelegten Details angenommen oder „nur“ die grundsätzliche Idee eines ständigen Synodalrats, in dem Bischöfe und Laien gemeinsam über die Geschicke der Kirche im Land entscheiden. Viele Synodale plädierten wie der Generalvikar des Erzbistums Berlin, Pater Manfred Kollig, oder die Geschäftsführerin des Hildegardisvereins, Birgit Mock, für eine Verstetigung der synodalen Struktur. Pater Kollig begründete das eher theologisch mit dem Blick auf die Synodalität als Grundprinzip der Kirche. Birgit Mock sieht in einem ständigen Synodalen Rat die Chance, die Erfahrungen des Synodalen Wegs fortzuführen und auch die Umsetzung der Beschlüsse sicherzustellen. Am Ende einer hitzigen Debatte war klar, es geht nicht um die Details des vorgelegten Textes, sondern um die Grundidee. Am Ende wurde er mit 138 zu 32 Stimmen angenommen bei neun Enthaltungen.

Laienbeteiligung bei Bischofsbestellung

Auch beim Handlungstext „Austausch theologischer Argumentationen in weltkirchlichen Kontexten“ steckte der berüchtigte Teufel im Detail. Denn am Ende ging es dem Frauenforum bei diesem Text darum, dass die Bischöfe in die weltkirchlichen Debatten die Aspekte Geschlechtergerechtigkeit sowie den Zugang von Frauen zum Weiheamt mit offenem Ausgang einbringen. Das Weiheamt für Frauen wird nicht direkt gefordert, die offene Debatte darüber schon. Der Text wurde mit 155 zu 19 Stimmen angenommen bei drei Enthaltungen. Die Bischöfe Voderholzer und Oster forderten bei der Debatte, dass die Synodalversammlung über das Thema „gendergerechte Sprache“ in den Synodaltexten diskutieren müsse. Bisher ist geplant, dass das Synodalpräsidium am Ende darüber zentral für alle Texte entscheidet, ob und wie eine gendergerechte Sprache verwendet werden soll. Bischof Voderholzer verband damit auch die Frage nach der Anthropologie, die hinter der Genderdebatte stecke. Das Präsidium griff den Vorschlag auf und will das Thema „gendergerechte Sprache“ bei der nächsten Vollversammlung als eigenen Punkt auf die Tagesordnung setzen.

Am Nachmittag ging es um die Frage, ob und wie Gläubige bei der Bestellung von Diözesanbischöfen beteiligt werden können. Dabei betonte Professor Bernhard Emunds, dass sich die Vorschläge alle im Rahmen des geltenden Kirchenrechts bewegten und der Heilige Stuhl in seinen Rechten nicht beschnitten wird. Es gehe vielmehr um eine Selbstverpflichtung des Domkapitels – einerseits Laien bei der Erstellung der Vorschlagsliste für Rom und dann später auch bei der Wahl der aus Rom vorgelegten Dreierliste einzubeziehen – zumindest beim Preußischen und Badischen Konkordat. Eine Änderung der Konkordate strebt die Antragsgruppe nicht an, ebenso wenig einen Wahlkampf um das Bischofsamt.

„Priesteramt will niemand abschaffen!“

Noch ein Nachklapp zum Freitag. Auf der Tagesordnung stand auch der Grundtext des Forums „Priesterliche Existenz heute“. Dieser wurde beinahe durchweg kritisch gesehen und zu einer grundlegenden Überarbeitung an das Forum zurückgegeben. Diskutiert wurde, ob das Forum neue Mitglieder brauche oder eine externe Prozessbegleitung. In der Debatte zeigte sich, dass sich das Forum offensichtlich schwertut, einen auf Zukunft gerichteten Text zur „Priesterlichen Existenz heute“ zu verfassen, der von allen Mitgliedern getragen wird. Es wurde auch deutlich, dass es selbst im Klerus eine große Verunsicherung gibt, was das Priesterbild anbetrifft. Gründe wurden unterschiedliche genannt. Dazu gehören die immer neuen Aufgaben, die Priestern angesichts des Nachwuchsmangels und der immer größeren Seelsorgeeinheiten aufgebürdet werden, aber auch der oft geäußerte Generalverdacht gegenüber Priestern im Kontext der Missbrauchsdebatte.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Abstimmung zu sehen, mit der eine grundsätzliche Debatte über das Priesteramt in der katholischen Kirche gefordert wird. Der entsprechende Antrag wurde mit 95 zu 94 Stimmen bei neun Enthaltungen angenommen. Gespräche mit Synodalen zeigen, dass auch Bischöfe für den Antrag gestimmt haben. Sie erhoffen sich dadurch eine ernste Debatte über das Priesteramt und dadurch auch dessen Stärkung sowie Profilierung angesichts der aktuellen Veränderungen. „Kein Mensch geht daran, das Priesteramt abzuschaffen. Das ist nicht wahr“, betonte Bischof Bätzing bei der Abschlusspressekonferenz. Damit widersprach er anderslautenden Meldungen, die vor allem in konservativen katholischen Medien nach der Debatte am Freitag kursierten. Übrigens fand sich auch eine große Mehrheit für die Zulassung von Laien zur Predigt in Eucharistiefeiern – in erster Lesung.

Schwierige Rolle des Nuntius

Am Ende der Versammlung verabschiedeten sich gleich beide Laien aus dem Präsidium des Synodalen Wegs. Thomas Sternberg und Karin Kortmann werden bei der Herbstvollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Mitte November nicht mehr für das ZdK-Präsidium kandidieren und scheiden damit auch aus dem Synodalen Weg aus. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz würdigte Sternberg als einen verlässlichen Partner. Er dankte für „ein vertrauensvolles Miteinander“, dass sich gerade auch in Krisenzeiten bewährt habe. Karin Kortmann fand zum Abschluss ihrer Zeit als Vizepräsidentin des Synodalen Wegs deutliche Worte in Richtung Rom. Dass weder das Gesprächsangebot, das vor über einem Jahr an Rom ergangen ist, noch die Einladung der Vertreter des Sekretariats der Bischofssynode zur aktuellen Synodalversammlung vom Vatikan beantwortet wurden, sei eine Brüskierung. Den Nuntius bat sie, den dringenden Wunsch nach Gesprächen mit Rom erneut an den Vatikan weiterzugeben.

Der Nuntius wollte just in dem Moment vorzeitig die Versammlung verlassen als Karin Kortmann ihm die Botschaft an den Vatikan durch den großen Versammlungssaal in freundlichen Worten zurief. Drei Tage lang beobachtete Erzbischof Nikolas Eterovic still die Versammlung. Oft war er mit seinem Smartphone beschäftigt. Am Freitag wurde er in einem italienischen Restaurant zusammen mit Kardinal Woelki sowie den Bischöfen Voderholzer, Oster und Hanke gesichtet. Eterovic kommt in der Vermittlung des Synodalen Wegs nach Rom eine entscheidende Rolle zu. Darin habe er versagt, kritisierten am Rande der Synodalversammlung Reformbewegungen wie „Wir sind Kirche“. Deshalb müsse er abberufen werden.

Die Versammlung von Frankfurt stellt einen wichtigen Schritt auf dem Synodalen Weg dar. Bei der Lesung der ersten Texte wurde wiederholt deutlich, dass sich die Reformen zum größten Teil innerhalb des geltenden Kirchenrechts bewegen. Bestehende Spielräume sollen ausgelotet und auch ausgenutzt werden. Von einer Einführung des Frauenpriestertums ist an keiner Stelle die Rede gewesen, von einer offenen Debatte darüber auf weltkirchlicher Ebene schon. An vielen Stellen ist von Selbstverpflichtung die Rede gewesen etwa von Bischöfen oder Domkapiteln. Ob sich daraus dauerhafte Lösungen ableiten lassen, muss sich in der Praxis zeigen. Von dieser praktischen Umsetzung ist der Synodale Weg aber noch weit entfernt. Erst müssen die Texte und damit die konkreten Reformanliegen einmal in einer endgültigen Fassung vorliegen und die Abstimmungen überstehen. Das ist noch ein langer Weg.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

5 Kommentare

  • Novalis
    02.10.2021, 22:49 Uhr.

    „Kein Mensch geht daran, das Priesteramt abzuschaffen. Das ist nicht wahr“, betonte Bischof Bätzing bei der Abschlusspressekonferenz.
    Das ist sachlich falsch. Denn es sind just die KONSERVATIVEN, die Woelkis, Osters, Voderholzers, die es faktisch abschaffen, weil es schlicht kaum mehr Männer (wie auch immer man die genau definiert. Es gibt schließlich XY-Chromosom-Menschen mit Vagina und XX-Chromosom-Menschen mit Penis) gibt, die das zölibatär auf sich nehmen wollen.

    • Wanda
      04.10.2021, 23:36 Uhr.

      Was bitte sehr hat diese Aufzählung der Chromosomen-Verteilung mit dem Priesteramt zu schaffen ? Die Probleme der Amtskirchen liegen ganz woanders: an der Spitze die Glaubwürdigkeit und die fehlende Bereitschaft diese zur Kenntnis zu nehmen…

    • Einfacher Katholik
      05.10.2021, 19:19 Uhr.

      Wenn man die Zahl der Priester auf die Zahl der Formalkatholiken bezieht, haben Sie natürlich recht. Wenn allerdings die Zahl der gläubigen Katholiken im Nenner steht, sieht die Quote dann so schlecht nicht mehr aus.

  • Wanda
    02.10.2021, 23:06 Uhr.

    Wieso erinnert mich dieser Eklat an unseren Bundestag, der bei freitags geplanten Sitzungen immer wie leer gefegt wirkt? Vielleicht doch von dieser Welt ? Dieses Gebilde Amtskirche verliert immer mehr an Glaubwürdigkeit und schafft sich langsam aber sicher ab. Bleibt die Frage, ob das wirklich ein Verlust ist…

  • Erasmus
    04.10.2021, 14:13 Uhr.

    Dem NUNTIUS Erzbischof Nikolas Eterovic „kommt in der Vermittlung des Synodalen Wegs nach Rom eine entscheidende Rolle zu. Darin habe er versagt … Deshalb müsse er abberufen werden.“ (Erbacher)
    Die Begründung der Abberufungsforderung von ‚Wir sind Kirche‘ lautet, „dass er nicht bereit oder in der Lage ist, dem Vatikan zu vermitteln, dass der Synodale Weg in Deutschland kein spalterischer Sonderweg ist.“ An dieser Stelle zeigt sich das Auseinanderfallen der Perspektiven Roms und des Synodalen Weges. Das Auftreten des Nuntius als VERMITTLER – was ja eine wünschenswerte Vorstellung wäre -, würde voraussetzen, dass sich die deutsche Ortskirche und der Vatikan auf Augenhöhe begegnen. Wir befinden uns aber in einem absolutistischen hierarchischen System. In diesem ist der Nuntius der verlängerte Arm des Papstes und kommt seiner wichtigsten Aufgabe nach, „das ‚Band der Einheit‘ zwischen der katholischen Kirche in diesem Land und der Weltkirche zu stärken.“ Das bedeutet im Klartext, dass der Nuntius ortskirchliche ABWEICHUNGSTENDENZEN frühzeitig erkennt, sie nach Rom meldet und versucht, diese einzudämmen. Genau auf dieser Linie liegt das informelle ‚Arbeitsessen‘ von Eterovic, Woelki, Voderholzer, Oster und Hanke.
    Ausgangspunkt des Synodalen Weges war das mit der MHG-Studie erkannte SYSTEMVERSAGEN der Katholischen Kirche. Kontinentübergreifend waren Bischöfe nicht den Opfern klerikaler sexueller Gewalt zu Hilfe geeilt, sondern bemühten sich – als wäre es abgesprochen -, keinen Schatten auf die glänzende Fassade der Katholischen Kirche fallen zu lassen. Damit wurde für jedermann erkennbar, dass etwas faul ist im Staate Vatikan.
    Der machtvolle katholische Herrschaftsapparat lässt sich allerdings von deutschen Reformwilligen nicht in Frage stellen und fährt seine Gegenstrategie. Nach dem Motto „Die Hunde bellen, und die Karawane zieht weiter“ wird das Zugehen des Synodalpräsidiums auf Rom einfach ignoriert, und der deutsche SONDERWEG wird dadurch verzwergt und unschädlich gemacht, indem Rom einen weltweiten synodalen Weg aufsetzt.
    Rom mag es gelingen, den Synodalen Weg abzuschmettern. Die EROSION der althergebrachten Kirche wird jedoch aufgrund von obsolet gewordenen Fundamenten des Katholizismus – wie binäre Geschlechtlichkeit, unkontrollierte klerikale Macht und Diskriminierung von Frauen – weiter voranschreiten.

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