Der Papst in Lateinamerika – Tag 5
Es dürfte der Hauptakzent für die Tage in Peru gewesen sein: die wenigen Stunden am Freitag im Amazonasgebiet. Viereinhalb Stunden war Papst Franziskus in Puerto Maoldonado. Bei den Menschen dort und in der gesamten Amazonasregion weckte er in dieser kurzen Zeit aber enorme Hoffnungen und zwar in mehrfacher Hinsicht. Er sprach ihnen Mut zu, ihre Anliegen weiter offensiv zu vertreten. Er machte deutlich, dass er dabei an ihrer Seite steht und sie aus seiner Sicht ein Recht haben, gehört zu werden; ja ein Recht an dem Land haben. „Liebt dieses Land, betrachtet es als eures“, rief er ihnen zu. Zurück in Lima zeigte Franziskus beim Treffen mit Vertretern aus Politik und Gesellschaft, dass er es ernst meint. Er forderte, „die Menschen und Völker vor Ort als vollwertige Gesprächspartner zu hören, anzuerkennen und zu respektieren“. Der Papst will, dass Politik und Wirtschaft den Indigenen auf Augenhöhe begegnen. Anders als sonst wurde Franziskus beim Treffen mit den Vertretern der Zivilgesellschaft sehr deutlich und prangerte die Korruption scharf an. Präsident Pedro Pablo Kuczynski applaudierte zwar; doch gerade auch seiner Regierung galt die scharfe Kritik. Von den mehreren tausend Menschen, die vor dem Präsidentenpalast ausharrten, wurden die Worte des Papstes mit viel Beifall unterstützt.
Den Indigenen eine Stimme geben
Der Auftakt war ganz nach dem Geschmack des Papstes. Man merkte Franziskus förmlich an, dass er sich im Kreis der Amazonas-Völker am Morgen wohl fühlte. Selten sieht man ihn so voll Energie klatschen, wie heute bei den Zeugnissen der Amazonasbewohner, die über die Zerstörung ihrer Umwelt berichteten, von der Ausbeutung sowohl der Natur als auch der Menschen und der Zerstörung traditioneller Kulturen und eine Umkehr forderten. Immer wieder wurde deutlich, dass sie in Franziskus einen Verbündeten sehen, dass sie große Hoffnungen in ihn setzen. Diese gründet sich in seinem bisherigen Engagement für die Umwelt, für eine nachhaltige Entwicklung und für die indigenen Völker.
Und Franziskus sollte sie nicht enttäuschen. Er zeigte großes Verständnis für ihre Anliegen und machte ihnen Mut. Neben einem Treffen mit den indigenen Völkern des Amazonasgebiets gab es noch eine eigene Begegnung mit den Bewohnern des Amazonasgebiets, denn nicht alle, die in der Region leben, gehören indigenen Völkern an. Doch seine beiden Reden ergeben ein großes Ganzes. Gleich zu Beginn des ersten Treffens machte er mit einer kleinen Bemerkung deutlich, dass er den Grundansatz der Anwesenden verstanden hat. Er zitierte Mose mit den Worten „Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden“ (Ex 3,5). Damit war klar, wir, Papst und Indigene, reden auf gleicher Wellenlänge, denn für viele Indigene ist die Erde heilig. Die Botschaft des Papstes habe ich in einem eigenen Artikel bei heute.de zusammengefasst. Franziskus will, dass die Indigenen wahrgenommen werden, dass sie teilnehmen können auf Augenhöhe bei allen Entscheidungen, die sie und ihre Territorien betreffen und sie so mitgenommen werden in den gesellschaftlichen und politischen Prozessen.
Auch seiner Kirche schrieb er ins Stammbuch, dass die indigenen Kulturen die Kirche bereicherten. Er sprach von einer „Kirche mit amazonischem Gesicht“ und einer „Kirche mit indigenem Gesicht“, die sich im Dialog aller miteinander herausbilden solle. Unter anderem darum dürfte es bei der Amazonassynode gehen, deren konkrete Vorbereitung mit dem Besuch des Papstes heute im Amazonasgebiet begonnen hat. Beim Besuch eines Kinderheims ermutigte Franziskus die jungen Indigenen, zu ihrer Kultur zu stehen. „Wir brauchen euch als authentische junge Menschen, die stolz darauf sind, zu den Amazonas-Völkern zu gehören und die der Menschheit eine wirkliche Lebensalternative bieten“.
Scharfe Kritik an Korruption
Nach Lima zurückgekehrt standen die politischen Termine an. Beim Treffen mit den Politikern und Vertretern der Zivilgesellschaft kritisierte Franziskus den illegalen Bergbau, neue Formen der Sklaverei und Menschenhandel. Beim Thema Korruption nahm er den ganzen Kontinent in den Blick und sprach von einem „gesellschaftlichen ‚Virus‘“. Er forderte eine „größere Kultur der Transparenz bei öffentlichen Einrichtungen, im privaten Bereich und in der Zivilgesellschaft“. Abweichend vom vorbereiteten Redetext fügte er noch dazu, dass dies auch für den kirchlichen Bereich gelte. Ein klares Signal in Richtung der eigenen Reihen.
Im Vorfeld der Reise forderten viele, Franziskus möge das Thema Korruption ansprechen. Dass er es in dieser Deutlichkeit machen würde, hat manchen überrascht. Zumal er gerade bei seiner letzten Auslandsreise nach Myanmar und Bangladesch im politischen Bereich eher diplomatisch aufgetreten war. Doch hier in Lateinamerika ist die Situation anders. Hier ist er Zuhause. Hier ist die katholische Kirche (noch) in einer relativ gefestigten Position, von der aus er anders auftreten kann als in den Ländern, in denen die Christen eine kleine Minderheit ist, die oft unter enormem Druck von außen steht. Wichtig dürfte gewesen sein, dass Franziskus noch die eigene Kirche mit einfügte. Denn damit hat er seiner Forderung mehr Glaubwürdigkeit verliehen. Denn auch im kirchlichen Bereich liegt beim Thema Transparenz und Korruption in Lateinamerika vieles im Argen.