Streitbarer Kirchenmann – zum Tod von Kardinal Meisner

Er war ein streitbarer Kirchenmann bis zum Schluss. Joachim Kardinal Meisner gehörte zu den vier Kardinälen, die Papst Franziskus wiederholt zu einer Klarstellung in Bezug auf das Päpstliche Schreiben Amoris laetitia aufgefordert hatten. Über viele Jahrzehnte prägte Meisner die Kirche nicht nur in Deutschland entscheidend mit. Dabei nutzte ihm das große Vertrauen, das er bei Papst Johannes Paul II. genoss. Der hatte ihn 1989 zum Erzbischof in Köln ernannt, gegen den Widerstand vieler Laien und Kleriker. 25 Jahre lang stand er an der Spitze des Erzbistums, das mit zwei Millionen Katholiken das mitgliederstärkste in Deutschland ist und zu den finanzstärksten Diözesen weltweit gehört. Entsprechend groß war sein Einfluss. Den machte er etwa geltend bei der Besetzung von Bischofsstühlen oder in den 1990er Jahren als Befürworter des Ausstiegs der kirchlichen Beratungsstellen aus der staatlichen Schwangerschaftskonfliktberatung. Lange Jahre war Meisner das Gesicht des konservativen Flügels der katholischen Kirche. Heute ist er im Alter von 83 Jahren gestorben. Mit seinem Tod verliert die katholische Kirche in Deutschland einen ihrer profiliertesten Vertreter.

Kardinal Joachim Meisner im März 2014 bei seinem Abschied als Erzbischof von Köln. (Quelle: dpa)

Kirche in Deutschland geprägt

Als Kardinal Joachim Meisner im März 2014 als Erzbischof von Köln in den Ruhestand verabschiedet wurde, ging eine Ära in der katholischen Kirche in Deutschland zu Ende. Über viele Jahre waren er und der langjährige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, die beiden prägenden Köpfe der katholischen Kirche in Deutschland gewesen und auch die beiden Antipoden. Über viele Jahre war es ein etwas ungleicher Kampf, denn während Meisner bereits 1983 von Johannes Paul II. zum Kardinal ernannt wurde, musste Lehmann bis 2001 warten. In einer Institution wie der katholischen Kirche spielen solche protokollarischen Fragen eine wichtige Rolle; auch wenn Lehmann in Rom aufgrund seiner theologischen Expertise und seines vermittelnden Wirkens immer geschätzt wurde.

Meisner liebte das klare Wort, mit dem er provozierte und oft auch verstörte. Etwa als er an Dreikönig 2005 in einer Predigt Abtreibungen mit dem Holocaust verglich und damit nach Ansicht des Zentralrates der Juden Millionen Holocaust-Opfer beleidigte. Oder als er bei der Eröffnung eines Museums im September 2007 von „entarteter Kultur“ sprach. Zugleich schaffte es Meisner aber auch, mit seinen wortgewaltigen Predigten Menschen für den katholischen Glauben zu begeistern. Darin sah der Kirchenmann seine ureigenste Aufgabe: den christlichen Glauben zu verkünden und zu verteidigen. Sicherlich prägte ihn seine Erfahrung der Vertreibung in Kinder- und Jugendjahren, als er mit seiner Familie 1945 aus Schlesien nach Thüringen flüchtete. Seine Zeit als Priester und junger Bischof ist stark vom atheistischen Umfeld der DDR geprägt. 1980 wird er Bischof in der geteilten Stadt Berlin und legt sich mit Honecker und Genossen an. Kämpfte er zunächst gegen den Kommunismus, war es nach dem Fall der Mauer, aus Meisners Sicht, der Kampf gegen die Gottvergessenheit in einer am Konsum orientierten Welt.

Marx: Er war mutiger Kämpfer

Meisner polarisierte und so manche wird Wunde über seinen Tod hinaus bleiben. Zum Ende seiner Amtszeit im März 2014 hatte er diejenigen um Vergebung gebeten, die er enttäuscht habe. Gegenüber seinem Nachfolger hatte er sich damals Zurückhaltung auferlegt. Und die hat er durchgehalten, auch wenn Rainer Maria Woelki sicherlich nicht zu den Wunschkandidaten Meisners zählte. Woelki würdigte heute vor allem Meisners Einsatz für den Lebensschutz und die Aussöhnung zwischen Deutschland und Osteuropa. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, zeigte sich heute beeindruckt von der Frömmigkeit und theologischen Argumentation Meisners. Er sei ein „mutiger Kämpfer gewesen“. „Er war bereit, öffentlich anzuecken und hielt mit seiner Meinung nicht zurück“, so Marx. „Gerade die Erfahrungen in der früheren DDR machten ihn zu einem unverzagten Kämpfer für den Glauben.“

 

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

27 Kommentare

  • Suarez
    05.07.2017, 15:27 Uhr.

    „auch wenn Lehmann in Rom aufgrund seiner theologischen Expertise und seines vermittelnden Wirkens immer geschätzt wurde.“

    Ausdrücklich nicht von Ratzinger. Der hat Lehmann im Gegensatz zu Kasper theologisch nie ernst genommen (was auch schon Bände über die theologischen Fähigkeit spricht. Von Ratzinger, nicht von Lehmann).

  • Hardenberg
    05.07.2017, 16:06 Uhr.

    Vielleicht ein Gottesurteil – schließlich ist er ein Unterzeichner der Dubia, die gegen Gott, die Kirche und den Papst gerichtet sind und er ist mitschuld am tausendfachen Tod abgetriebener Kinder, weil er den Ausstieg aus der Schwangerenkonfliktberatung wollte.

    • theobald
      06.07.2017, 8:34 Uhr.

      Schon lange habe ich einen solchen Unsinn nicht mehr gelesen. Meisner hat nicht die Beratung von Schwangeren abgelehnt, sondern die Ausstellung des Beratungsscheins. Er hat sich für die Beratung sogar wie kaum ein anderer eingesetzt.

      • Suarez
        06.07.2017, 13:55 Uhr.

        Man muss schon die Kirche im Dorf lassen. Die katholische Schwangerenkonfliktberatung ist tot – und viele ungeborene Kinder auch, dank Kardinal Meisner.

        • Jürgen Erbacher
          Jürgen Erbacher
          06.07.2017, 14:45 Uhr.

          Das sehen die Mitarbeiterinnen des Sozialdiensts katholischer Frauen und der Caritas sicherlich anders, die auch ohne das Ausstellen eines Beratungsscheins weiter beraten und ihr Bestes geben. Wir hatten im vergangenen Jahr in unserer Dokumentation zum 100. Katholikentag darüber berichtet: „Zwischen Revolution und Kuschelkurs. Katholikentag mal 100“. Außerdem sehen sich auch die Beratungsstellen von „Donum vitae“ als katholische Schwangerenberatungsstellen.

          • alberto knox
            06.07.2017, 18:21 Uhr.

            ihr bestes geben – aber eben einen massiven einbruch an beratungen zu verzeichnen hatten. und damit auch frauen in echten konfliktsituationen nicht mehr erreichen, was massenhafte abtreibung zur folge hat. diese ungeborenen kinder gehen auf das gewissen von meisner und b16.
            und die gemeinheiten und verbalinjurien der deutschen bischöfe gegen donum vitae, welches sich verdienstvollerweise der sache angenommen hat – sagen sie herr erbacher, würden sie die, wenn ich sie zitiere, freischalten?

    • bernardo
      06.07.2017, 10:11 Uhr.

      Meine güte, mit Ihren höhnischen Kommentaren zum Tod Meisterschaft schießen Sie wirklich den Vogel ab. Nach Ihrem Gottesbild will ich lieber nicht fragen…

    • Silvia
      06.07.2017, 12:00 Uhr.

      Erstaunlich, wie abergläubisch ultraprogressive Katholiken sein können, man lernt immer noch dazu.

      Da stirbt ein immerhin Dreiundachtzigjähriger eines ganz sanften, friedlichen Todes und DAS soll ein Gottesurteil sein?

      • Suarez
        06.07.2017, 13:58 Uhr.

        Sie sind ja schnell mit ihren Schubladen. Ich empfinde diese Wortmeldung, aus der Sie das schließen, als sarkastisch, nicht als abergläubisch.

        • Silvia
          06.07.2017, 15:15 Uhr.

          Suarez
          06.07.2017, 13:58 Uhr.

          Umso schlimmer!

        • bernardo
          06.07.2017, 15:52 Uhr.

          So sarkastisch wie die bemerkung, der Kardinal werde wegen seiner vielen Sünden zur Rechenschaft gezogen, aber aus gnade gerettet werden. Wie gut manche das Urteil Gottes kennen. Warum nur habe ich den eindruck, es mit einer trinkst zu tun zu haben, mit einem Blogger in drei gestalten? Ein Satz noch zum irgendein gewissen – auch dempfehlen muss man folgen, und so trank Kardinal newman zuerst auf das Gewissen und erst danach auf den papst.

          • Silvia
            07.07.2017, 9:52 Uhr.

            bernardo
            06.07.2017, 15:52 Uhr.

            Ach „trinkst“ nennt man das? Ich kannte bisher nur den Begriff „Sockenpuppen“ für dieses „Phänomen“, das ich auch schon länger vermute.

          • alberto knox
            07.07.2017, 10:33 Uhr.

            werden sie nicht für ihre vielen sünden zur rechenschaft gezogen? ich schon.

          • bernardo
            07.07.2017, 15:48 Uhr.

            @ Silvia: gemeint war die Trinität.
            @ Knox: können Sie bitte aufhören, anderen Bloggern mit der Hölle oder dem gottesgericht zu drohen. Das ist nämlich nur lächerlich.

          • Suarez
            10.07.2017, 1:27 Uhr.

            Interessant: Die Betonfraktion lässt sich nicht mit der Hölle drohen. Oder mit dem Gericht. Dabei landen alle Menschen vor dem Gericht Gottes. Und so verstehe ich @Knox auch. Warum die Wirklichkeit des Gerichts eine Drohung sein soll, entzieht sich mir. Eine Drohung ist ja doch nur für die, die wissen, dass sie sich von der Wahrheit abwenden, obwohl es die Wahrheit ist.
            Ich werde jedenfalls für die Umkehr von @Bernardo beten.

  • Silberdistel
    05.07.2017, 19:24 Uhr.

    Kardinal Meisner hatte eine Meinung. Es war meist nicht meine Meinung. Aber wenigstens war es nicht so das man den Eindruck haben müsste, Meisner wollte andere Meinungen ausser der seinigen, zum Schweigen bringen. Dafür denke, stehen andere Namen.

    • Silvia
      06.07.2017, 12:01 Uhr.

      Silberdistel
      05.07.2017, 19:24 Uhr.

      So sehe ich das auch.

  • bernardo
    05.07.2017, 22:35 Uhr.

    Eine traurige nachricht.

  • Krakebusch
    05.07.2017, 22:51 Uhr.

    Schön, dass er noch die Eheöffnung mitbekommen hat.

    • Suarez
      06.07.2017, 10:32 Uhr.

      Sehe ich auch so. Er MUSSTE noch dazulernen, dass Gottes Herz größer ist als sein eigenes.

  • bernardo
    10.07.2017, 13:25 Uhr.

    Die betonfraktion besteht ja wohl aus dendenen, die anderen häresie, apostasie unterstellen, ihnen mit der Hölle drohen und ansonsten gehorsam gegenüber dem Papst einfordern, als lebten wir zur Zeit Gregors VII. Oder bonifatius VIII.

    • Suarez
      11.07.2017, 13:49 Uhr.

      Es gibt selbstverständlich auch heute Apostasie und Häresie. Die muss man um des Seelenheiles der Apostatiker und Häretiker willen auch benennen. Und sie auch bekehren. Selbstverständlich mit Worten und guten Taten und nicht mit Feuer und Schwert. Zu Häresien gehört halt eben auch die fortwährende Widersetzlichkeit gegen Papst und Bischöfen, weil das ein Verstoß gegen die gottgewollte kirchliche Ordnung ist. Also entweder katholisch sein oder nicht. Mit Beton hat das nichts zu tun.

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