Papst warnt vor Virus der Polarisierung

Papst Franziskus hat vor einer zunehmenden Polarisierung in Gesellschaft und Kirche gewarnt. „Wir erleben eine Zeit, in der in unseren Gesellschaften die Polarisierung und die Ausschließung als einzige Möglichkeit zur Lösung von Konflikten seuchenartig wieder aufleben“, sagte das Kirchenoberhaupt am Samstagvormittag beim Gottesdienst zur Kreierung neuer Kardinäle. Das „Virus der Polarisierung und der Feindschaft“ dringe in die Art zu denken, zu fühlen und zu handeln ein, so Franziskus. Dies gelte auch für „unsere Gemeinschaften, unsere Priesterkollegien, unsere Versammlungen“, betonte der Papst. Für Gott gebe es aber keine Feinde, so Franziskus. Die Menschen richteten Mauern auf und bauten Barrieren. Christen sollten Verschiedenheit nicht als Bedrohung, sondern als Reichtum sehen, forderte er. Bei seinem dritten Konsistorium nahm Franziskus 17 Bischöfe und Priester aus allen Kontinenten ins Kardinalskollegium auf. Er machte einen weiteren Schritt in Richtung Internationalisierung des „Senats der Kirche“. Kamen nach dem ersten Konsistorium von Papst Franziskus im Februar 2014 noch die Hälfte der in einem Konklave wahlberechtigten Kardinäle aus Europa, sind es jetzt nur noch 45 Prozent. Bis die Verhältnisse der tatsächlichen kontinentalen Verteilung der Katholiken entsprechen, wird es allerdings noch einige Jahre dauern.

17 neue Kardinäle wurden heute ins Kardinalskolegium aufgenommen. (Quelle: Erbacher)

17 neue Kardinäle wurden heute ins Kardinalskollegium aufgenommen. Für Deutschland gab es keinen neuen Kardinal. (Quelle: Erbacher)

Papst: Vielfalt ist Reichtum

Es war ein nachdenklicher Franziskus, der heute den neuen und alten Kardinälen zum Abschluss des Heiligen Jahres eine klare Botschaft mit auf den Weg gab: „Liebt eure Feinde, tut Gutes denen, die auch hassen, segnet die, die euch verfluchen, betet für alle, die euch misshandeln“, so der Papst in Anlehnung an die Worte Jesu aus dem Lukasevangelium (vgl. Lk 6,27-36), die im Gottesdienst verlesen worden waren. Das „armselige Herz“ der Menschen neige dazu, zu richten, zu trennen, Gegensätze zu schaffen und zu verurteilen. Die „instinktive Haltung“ gegenüber Gegnern sei es, „sie zu disqualifizieren, sie zu diskreditieren, sie zu verfluchen“. Das ist nicht die Haltung, die Franziskus vorschwebt, wenn er an einen Christen, geschweige denn an einen Kardinal denkt. Das Kirchenoberhaupt warnte davor, Verschiedenheit dürfe sich nicht in „Symptome von Feindseligkeit, Bedrohung und Gewalt“ verwandeln. Unterschiedliche Bräuche, Hautfarben, Sprache und Denkweisen gehörten nach Franziskus zu den „größten Reichtümern“ der Kirche.

Die katholische Kirche ist bunt und das ist gut so. Das ist die Botschaft, die von der Kardinalskreierung heute in Rom ausgeht. Mit der Warnung vor weiterer Polarisierung greift Franziskus eines der größten Probleme der Gegenwart in vielen Gesellschaften rund um den Globus auf. Er will, dass die Christen einen Gegenpol setzen. Dazu müssen sie aber die zunehmende Polarisierung im eigenen Laden in den Griff bekommen. Franziskus nimmt dieses innerkirchliche Problem sehr wohl wahr und konnte es seit Beginn seines Pontifikats bei unterschiedlichsten Anlässen, nicht nur dem synodalen Prozess zu Ehe und Familie, hautnah miterleben. Ändern kann er es letztendlich nicht durch Strukturreformen, sondern nur durch Überzeugungsarbeit und natürlich auch ein wenig durch seine Personalpolitik. Bei Letzterem ist er aber eher zurückhaltend.

Etwas verwunderlich ist, dass Franziskus das Konsistorium nicht zu Beratungen mit den Kardinälen genutzt hat. Zwar gab es sicherlich eine ganze Reihe von Einzelgesprächen. Doch zuletzt war es eigentlich immer üblich, dass im Zusammenhang mit der Kreierung neuer Kardinäle ein oder zwei Beratungstage verbunden waren. 2014 beriet Franziskus mit den Kardinälen über das Thema Ehe und Familie mit einem denkwürdigen Impulsvortrag von Kardinal Walter Kasper. 2015 diskutierte er mit ihnen über Vorschläge zur Kurienreform. Gesprächsbedarf gibt es genug. warum Franziskus die Gelegenheit verstreichen ließ, wo er doch immer so großen Wert auf synodale und beratende Elemente legt. Vermutlich lag es am engen Zeitplan zum Ende des Heiligen Jahres. Ein „Gschmäckle“ bleibt aber doch.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

7 Kommentare

  • Silberdistel
    20.11.2016, 13:11 Uhr.

    Ich weiß nicht, ob die Kirche gewahr wird welch großen Papst sie mit Franziskus inthronisiert hat. Hat es doch anfangs nicht nur in diesem blog einige Stimmen gegeben, die Franzsikus so jegliches Talent abgesprochen haben, außer einer gewissen Schwatzhaftigkeit.
    Der jedoch von nicht wenigen herbei gesehnte Reformpapst entpuppt sich dann tatsächlich als solcher, – allerdings im Vollzug mit derartiger Sanftheit, gar so liebevoll, das bei der notwendigen Kehrtwende des großen Tankers Kirche hin zu den wahren Wurzeln des Christentums, keiner von Bord gehen muß. „Amoris laetitia“ ist dafür das beste Beispiel. Ob man Ihn, bzw. „Amoris laetitia“ überhaupt versteht, steht auf einem anderen Blatt.

    Wenn überhaupt jemand, dann wird dieser großartige Visionär es schaffen die nicht nur in so vielen Schismen zerstrittenen christlichen Konfessionen wieder einander näher zu bringen, sondern obendrein vielleicht auch noch die drei monotheistischen Religionen. Gott würde das mutmasslich sicher gefallen! Für die unter der Orientierungslosigkeit der gescheiterten Experimenten von menschlichen -ismen und -logien leidende Welt würde das zudem mehr als heilsam sein.
    PS: Die obigen gelungenen Fotos von @Herrn Erbacher zeigen übrigens wie sehr schon rein äußerlich die Kirche von Polarität ihrer Mitglieder geprägt ist. Und das im Christentum, welches die Geschwisterlichkeit vor Gott verkündigt. Verschiedenfarbige Käppscher, Röbchen, gold- und silberfarbene Stühlchen als quasi-Rangabzeichen, gibt es so ähnlich sonst nur noch beim Militär und Karneval und muten im wahren Leben doch etwas sehr albern an. Oder hätte es Ihr Chef in der Firma denn nötig sich als solcher so eitel auffällig auszustaffieren?

    • Wanda
      22.11.2016, 17:02 Uhr.

      – Was den Inhalt Ihres P.S. angeht, da müssen die geistlichen Herren und Eminenzen ihren Religionsgründer (ich meine den in Sandalen) und dessen Botschaft entweder miss- oder überhaupt nicht verstanden haben…

  • Wanda
    21.11.2016, 16:27 Uhr.

    Wie schon so oft mein Hinweis: der Katholizismus ist auch ein menschlicher -ismus…

    • Silberdistel
      22.11.2016, 7:50 Uhr.

      Wanda
      21.11. 16:27 h
      Bingo! Denn weder Gott noch Jesus Christus sind/waren je katholisch! 🙂

    • Alberto Knox
      22.11.2016, 13:39 Uhr.

      das darf man m.e. getrost als persönliche idiosynkrasie bezeichnen.

  • bernardo
    24.11.2016, 11:04 Uhr.

    „Die katholische Kirche ist bunt und das ist gut so. Das ist die Botschaft, die von der Kardinalskreierung heute in Rom ausgeht.“
    Nichts dagegen, wenn Länder der Dritten Welt stärker zum Zuge kommen als bisher, allerdings hoffe ich, dass die Verbuntungsideologie jetzt nicht Einzug in die katholische Kirche hält.

    • Alberto Knox
      27.11.2016, 13:10 Uhr.

      es ist auch schon polarisierung, wenn man normale dinge wie die „buntheit“ (um bei der metapher zu bleiben) der menschheit diffamiert, indem man sie zur ideologie deklariert. […]*

      *Der Beitrag wurde wegen des Verstoßes gegen die Netiquette edietiert.

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