Papst macht ernst gegen Vertuschung
Lange schon werden härtere Maßnahmen gegen Kirchenobere gefordert bei Vertuschung oder Nachlässigkeit im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen. Heute hat der Vatikan ein Dekret veröffentlicht, das ein entschiedeneres Vorgehen in solchen Fällen ermöglicht sowie die Amtsenthebung von Bischöfen und Leitern von Ordensgemeinschaften erleichtert. Die neuen Regeln gelten nicht nur für Missbrauchsfälle. Allerdings liegt in anderen Fällen, in denen der Obere einen „physischen, moralischen, spirituellen oder materiellen Schaden“ angerichtet hat, die Latte etwas höher für die Amtsenthebung. Sprich: Bei Missbrauchsvertuschung ist eine Amtsenthebung schneller möglich als in anderen Fällen. Zugleich gab der Vatikan heute bekannt, dass zum 1. September der nächste Schritt der Kurienreform in Kraft treten wird. Dann nimmt das neue „Dikasterium für Laien, Familie und Leben“ seine Arbeit auf. Es geht aus der Fusion der beiden Päpstlichen Räte für Laien und Familien hervor.
Amtsenthebung bei Verletzung der Sorgfaltspflicht
Ob das neue Verfahren praktikabel ist, muss sich zeigen. Denn die betreffenden Amtsenthebungsverfahren für die Kirchenoberen werden nicht an einer zentralen Stelle durchgeführt, sondern von den jeweils für die Oberen zuständigen Behörden: die Bischofskongregation, die Missionskongregation, die Ordenskongregation sowie die Ostkirchenkongregation. Die Glaubenskongregation ist bei den Verfahren nicht involviert, da es sich hier nicht um direkten Missbrauch durch die Kirchenoberen handelt, sondern um Vertuschung und Vernachlässigung bei der Aufarbeitung. Ist ein Kirchenoberer selbst Missbrauchstäter, dann wird sein Verfahren bei der Glaubenskongregation geführt. Hat ein Kirchenoberer in Bezug auf Vertuschung strafrechtlich relevante Taten begangen, dann wird das ebenfalls an der Glaubenskongregation verhandelt. Dazu wurde im vergangenen Sommer eigens ein Gericht dort installiert.
Die „Vertuschungsverfahren“ bei denen es um die Verletzung der Sorgfaltspflicht geht, laufen nach dem heutigen Dekret bei den jeweiligen Behörden, die für die Oberen zuständig sind. Die Letztentscheidung über eine Amtsenthebung liegt beim Papst. Und hier gibt es eine überraschende Neuerung. Der Pontifex verlässt sich nicht allein auf das Urteil „seiner“ vatikanischen Behörde, sondern berät sich noch einmal mit einem „Kollegium von Juristen“. Nach Auskunft von Vatikansprecher Federico Lombardi soll sich dieses Kollegium aus Kardinälen und Bischöfen zusammensetzen. Die Frage ist, wie unabhängig dieses Kollegium den Papst berät.
Gilt nicht nur für Vertuschung
In den wenigen Paragraphen des Dekrets von heute ist das Bemühen zu erkennen, das Verfahren möglichst transparent zu gestalten – zumindest gegenüber dem betroffenen Oberen. Ihm sollen alle Unterlagen der Untersuchungen zugänglich sein. Er soll jederzeit die Möglichkeit haben, mit den Oberen der zuständigen Vatikanbehörde zu sprechen. Sucht er selbst dieses Gespräch nicht, soll die Vatikanbehörde die Initiative dazu ergreifen. Ist einmal ein Urteil gefallen, soll der Betreffende dazu bewegt werden, innerhalb von 15 Tagen seinen Rücktritt einzureichen. Macht er das nicht, wird er amtsenthoben. Diese Transparenz dürfte gerade bei den Verfahren im Kontext von Missbrauchsfällen wichtig sein. Denn hier kann eine Amtsenthebung auch erfolgen, wenn keine „moralische Schuld“ des Oberen vorliegt.
Das Kirchenrecht sieht auch jetzt schon die Möglichkeit einer Amtsenthebung „aus schwerwiegenden Gründen“ vor. (vgl. Can 193§1 CIC) Mit den neuen Regeln, die ab dem 5. September gelten, wird allerdings mehr Klarheit geschaffen und der Druck noch einmal erhöht. Nicht zuletzt der Fall Tebartz-van Elst hat gezeigt, wie schwierig die Amtsenthebung eines Bischofs ist, wenn es etwa um die Verletzung der Sorgfaltspflicht im Vermögensbereich geht. Das neue Dekret könnte die Verfahren beschleunigen und senkt zudem noch die Latte in den Fällen, in denen es um Vernachlässigungen im Amt im Kontext von sexuellem Missbrauch geht. Problematisch ist eine Formulierung in dem neuen Dekret. Dort heißt es, in allen Fällen, in denen ernsthafte Indizien vorlägen, „kann“ die zuständige Vatikanbehörde gegen den betreffenden Oberen vorgehen. Besser wäre sicher gewesen zu schreiben „muss“. Doch die Intention des vorliegenden Dekrets ist klar. Künftig sollen nicht nur die Hierarchen zur Rechenschaft gezogen werden, die im Kontext von Vertuschung und mangelnder Aufarbeitung strafrechtlich relevante Taten begangen haben, sondern schon die Verletzung der Sorgfaltspflicht kann am Ende zur Amtsenthebung führen. Nach der Einrichtung des Gerichts für Bischöfe bei der Glaubenskongregation im letzten Jahr nun noch ein weiterer Schritt.
Neue Vatikanbehörde für Laien, Familie und Leben
Mit dem nächsten Schritt der Kurienreform macht Franziskus nun endlich auch einmal auf der strukturellen Ebene ernst, was Laien in Führungspositionen anbetrifft. Auch wenn es wohl noch nicht bis in die erste Reihe reicht. Die neue Behörde wird von einem Präfekten und einem Sekretär geleitet. Nur in Bezug auf den Letzteren heißt es im heute veröffentlichten Statut: „kann ein Laie sein“. Klar ist die Ansage dann allerdings für die drei Untersekretäre, die jeweils eine der drei Abteilungen für Laien, Familie und Leben leiten werden. Diese sind künftig per Statut Laien. Interessant ist, dass die neue Behörde „Dikasterium“ genannt wird. So gibt es künftig im Vatikan Kongregationen, Päpstliche Räte, Sekretariate (für Finanzen und Medien) und Dikasterien. Bleibt zu hoffen, dass ganz am Ende der Kurienreform diese Vielzahl an Bezeichnungen und Formate von Vatikanbehörden vereinheitlicht wird; nicht zuletzt um Rangeleien um die Rangordnung innerhalb der Kurie zu vermeiden.
In der kommenden Woche tritt im Vatikan der Kardinalsrat K9 zusammen. Beim letzten Treffen hatten die Kardinäle bereits mit einer ersten Gesamtschau der Kurienreform begonnen, nachdem früher immer einzelne Dikasterien auf dem Prüfstand kamen. Dabei war auch noch einmal abschließend über das heute neu geschaffene Dikasterium gesprochen worden sowie über die neue Behörde zu Gerechtigkeit und Frieden. Deren Errichtung wird nun als nächstes erwartet mit der Fusion der Päpstlichen Räte Justitia et pax, Cor unum, Migranten und Krankenpastoral.
7 Kommentare
Wenigstens mal eine gute Nachricht aus Rom.
Fragt sich nur, was der Papst dann mit den abgesetzten Bischöfen machen wird. Die Bischofsweihe kann ja nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Suspendieren, also ihnen verbieten, gottesdienstliche Handlungen zu vollziehen. Ganz einfach.
– so einfach ? Sie bleiben jedenfalls Bischöfe…
Beide Schritte sind sehr richtig!
Das neue Dikasterium begrüße ich sehr!
Spannend wird nun besonders die Ernennung des ersten Präfekten!
Auch ist es ja nachvollziehbar, dass in der Einrichtung für Laien eben solche auch mitwirken. Allerdings ist es ebenso richtig, dass der „Chef“ des Dikasteriums ein Priester ist, wahrscheinlich sogar Bischof und Kardinal!
Es soll ja sicherlich ein Dialog stattfinden zwischen Laien und Priestern. Vielleicht schafft es ja dieses Dikasterium eine Art „Scharnier“ zu werden, zwischen Geistlichen und Laien! Das wäre jedenfalls sehr schön!
Gerade auch die Aufwertung der beiden Themenbereiche Familie und Leben ist unglaublich wichtig!
Ohne den Schutz des Lebens kann es letztendlich keine Familien geben und ohne Familien kann es einerseits keine funktionierende Gesellschaft und andererseits keine gesunde Kirche geben! Hoffentlich wird es auch hierzu gute Impulse des neuen Dikasteriums geben!
– kann er gleich im erzkatholischen Pfaffenhofen/Niederbayern anfangen. Dessen Stadtpfarrer wurde soeben wegen entsprechenden Verdachts von seinem Amt entfernt. Natürlich gilt auch hier vorläufig die Unmschuldsvermutung…
Dass der Mann allerdings ein rüden und „schlagkräftigen“ Umgang z.B. mit den Messdienern pflegte war schon länger in Umlauf und brachte die Eltern und Gemeinde gegen ihn auf…
Das sind sehr gute Nachrichten, auch wenn der Gegenstand natürlich ein trauriger ist. Ich bin gespannt, ob auch dem heftigen Vorwurf von P. Mertes SJ nachgegangen werden wird, dass Kardinal Müller zu den Vertuschern gehöre.
Ja, da bin ich auch gespannt. Davon abgesehen, dass Müller seine Diözese wie ein Spielzeug behandelt hat, das er nach einer Zeit aus Langeweile weggelegt hat, und die Regensburger nur noch gestöhnt haben, welche Sau nun wieder durchs Dorf getrieben wird, hat er beim Vertuschen und Beschönigen – gerade bei der Domspatzenaffaire – kräftig mitgeholfen.
Kommentare geschlossen
Dieser Beitrag kann nicht länger kommentiert werden.