Papst: Reformen werden fortgesetzt

Im letzten Jahr attestierte der Papst der Kurie 15 Krankheiten, heute gab es 24 Antibiotika. So leitete Franziskus seine Ansprache beim Treffen mit den Kurienspitzen ein, die traditionell vor Weihnachten stattfindet. Mit den Heilmitteln wurden natürlich erneut die Defekte angesprochen, die es aus Sicht des Papstes an der Kurie, im Klerus und unter kirchlichen Mitarbeitern gibt. Er machte zugleich deutlich, dass er die Reformen mit Entschiedenheit fortsetzen werde. Allerdings hatte Franziskus heute auch viel Lob für die „anständigen und gewissenhaften Personen“ in der Kurie parat. Beim Treffen mit den „einfachen“ Mitarbeitern in seinem Staate entschuldigte sich das Kirchenoberhaupt anschließend für die Skandale, die es im vergangenen Jahr im Vatikan gegeben habe.

Papst Franziskus sprach heute im Sitzen. Er habe seit einigen tagen eine Erkältung und fühle sich daher nicht gut, sagte er zur Begründung. (Quelle: reuters)

Papst Franziskus sprach heute im Sitzen. Er habe seit einigen Tagen eine Erkältung und fühle sich daher nicht so gut, sagte er zur Begründung. (Quelle: reuters)

Franziskus stellt Tugend-Katalog auf

Franziskus sprach vom „Katalog der Tugenden“, den er vorlegen wollte. Zu diesen gehören demnach eine „gesunde pastorale Grundhaltung“ ebenso wie Eignung. Sie stehe gegen Empfehlungsschreiben und Bestechungsgelder, so Franziskus. Er forderte die Tugend der Menschlichkeit ein, die den Menschen von den Maschinen und den Robotern unterscheide, die nichts empfänden und sich nicht innerlich anrühren ließen. „Wenn es uns schwer fällt, ernstlich zu weinen oder herzlich zu lachen, dann hat unser Niedergang und der Prozess unserer Verwandlung von einem ‚Menschen‘ in etwas anderes begonnen.“ Franziskus erinnerte daran, dass die Kurie Vorbildfunktion habe, „um die Skandale zu vermeiden, die die Menschen innerlich verletzen und die Glaubwürdigkeit unseres Zeugnisses bedrohen“.

Er warnt unter dem Stichwort „Vernünftigkeit“ vor Übertreibungen, denn diese sei „ein Zeichen irgendeiner Unausgeglichenheit“ und mahnt das rechte Verhältnis zwischen Liebe und Wahrheit an. „Die Liebe ohne Wahrheit wird nämlich zur Ideologie des destruktiven ‚Alles-Gutheißens‘, und die Wahrheit ohne Liebe zur blinden ‚Buchstaben-Justiz‘.“ Er fordert Ehrlichkeit und Achtung. Unter letztgenannte Tugend zählt er auch die Schweigepflicht und Vertraulichkeit, eine Anspielung auf den Vatileaksskandal. Schon in seiner Einleitung hatte Franziskus betont, dass einige der Krankheiten, die er im vergangenen Jahr angesprochen hatte, im vergangenen Jahr aufgetreten seien. „Sie haben dem gesamten Leib nicht unerhebliche Schmerzen zugefügt und viele Menschen innerlich verletzt“, erklärte Franziskus und bekräftigt: „Die Reform wird mit Entschlossenheit, klarem Verstand und Tatkraft fortgeführt werden, denn Ecclesia semper reformanda.“

Papst fordert nüchternen Lebensstil

Weitere Tugenden, die Franziskus von seinem Führungspersonal einfordert, sind „Achtung und Demut“, „Großherzigkeit und Aufmerksamkeit“ sowie Unerschrockenheit und Regsamkeit“. Vor allem die letzten beiden Tugenden dürften ihm besonders am Herzen liegen: „Vertrauenswürdigkeit und Nüchternheit“. Letztere sei ein Lebensstil, zudem Klugheit, Schlichtheit, Ausgeglichenheit und Mäßigung. In den letzten Tagen waren die italienischen Zeitungen wieder voller Berichte über den ehemaligen Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone und die Renovierung seiner Wohnung im Vatikan. Bertone spendete 150.000 Euro an das vatikanische Kinderkrankenhaus. Eine Stiftung hatte die Renovierung von Bertones Wohnung mit 200.000 Euro unterstützt. Der Kardinal will davon nichts gewusst haben.

Die Rede des Papstes zeigt, dass die Krankheiten vom vergangenen Jahr noch nicht endgültig bekämpft sind. Franziskus versucht es immer wieder mit Worten. Will überzeugen und sozusagen die Grundhaltung ändern. Oft bleiben seine Aussagen aber vage. Vielleicht müsste er endlich einmal Ross und Reiter nennen, Personalentscheidungen treffen und deutlicher Farbe bekennen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

5 Kommentare

  • Alberto Knox
    21.12.2015, 22:51 Uhr.

    es könnte ja sein, dass unser papst gemerkt hat, dass DIESE kurie nicht reformierbar ist.
    vielleicht muss sie auch gar nicht mehr reformiert werden. auf jeden fall ist dieser pontifikat jetzt schon historisch und theologisch bedeutsam. da ist zum ersten mal seit paul vi. wieder ein ernsthafter versuch da, maß zu nehmen an christus selber und nicht irgendwelchen vorgeschobenen traditionen, die bei näherer betrachtung gar keine sind. und mehr als versuche zu wagen können wir menschen eh nicht. gott gibt seine gnade dem, der tut, was an ihm liegt. darauf baue ich. immerhin tut der papst, was an ihm liegt und beschränkt sich nicht auf nette theologische phrasen ohne intellektuelle tiefe wie bei seinem vorgänger.

  • Wanda
    22.12.2015, 15:20 Uhr.

    – es ist halt wie in der übrigen Welt draussen auch: die Elite (d.h. hier vor allem Mitglieder des oberen Klerus) beanspruchen für sich Narrenfreiheit und Privilegien, die sie dann auch kräftig und über Gebühr missbrauchen. Die gilt es endlich massiv zu beschneiden, wie auch diesen enormen Wasserkopf an der Spitze der Mutter Kirche…
    Da helfen selbst ernst gemeinte Entschuldigungen gegenüber dem verständnislosen Fussvolk nichts.
    Teil die Meinung Wrightflyers: es ist längst Zeit, die Missetäter mit Namen und mit dem entsprechenden Skandal gleichzeitig zu benennen. Schonung ist hier fehl am Platze, denn alles andere ist nur unverbindlich und es bleibt lediglich bei der im Kirchenvolk jahrhundertealten fatalistischen Stimmung „da kann man eh´ nichts machen“…
    Das sollte Franziskus ändern, aber vielleicht ist er ja auf dem Wege dahin…

  • bernardo
    23.12.2015, 10:23 Uhr.

    Zitat: „Die Liebe ohne Wahrheit wird nämlich zur Ideologie des destruktiven ‚Alles-Gutheißens‘, und die Wahrheit ohne Liebe zur blinden ‚Buchstaben-Justiz‘.“ Es geht also um die Mesotes, die goldene Mitte zwischen den Extremen gutmenschlicher, „progressiver“ Pseudotoleranz und rigoristischer, „konservativer“ Gesetzlichkeit. Was die Krankheiten in der Kirche angeht, hat der Papst recht, dem in Sachen Kurien- und Kirchenreform eine glückliche Hand zu wünschen ist. „Reformare“ heißt zurückformen, die Kurie zu einem Werkzeug des Bischofs von Rom zu machen und nicht zu einer Überregierung.

    Welche Theologen haben den Papst beeinflusst? So gut kenne ich ihn nicht :-), aber ich hoffe, der Einfluss Kaspers hält sich in Grenzen. Dieser hatte erklärt, es sei ein „Skandal, dass man die Kirche für unbarmherzig hält“. Ich dachte, es sei ein Skandal, wenn die Kirche unbarmherzig sei – so wie im Fall der „barmherzigen Schwestern“ in Irland. Dass der Skandal darin bestünde, dass man sie für unbarmherzig halte, scheint mir – mit Verlaub – eine Spießertheologie zu sein, frei nach dem Motto „Was sollen denn die Leute denken“. So viel also zum großen Theologen Kardinal Kasper.

    Frohe Weihnachten allen Lesern, Mitschreibern und natürlich den beiden Redakteuren.

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