Synode: Papst wünscht Freimut und Demut

Heute haben die Beratungen bei der 3. Außerordentlichen Bischofssynode in Rom begonnen. Der Vormittag war geprägt von mehreren längeren Reden; am Nachmittag haben dann die ersten Synodenväter das Wort ergriffen. Papst Franziskus machte zum Auftakt noch einmal deutlich, worum es ihm geht: „Sprecht mit Freimut und hört mit Demut“, lautete seine Aufforderung an die rund 230 in der Synodenaula versammelten Mitglieder der Synode. Im Anschluss fasste Kardinal Péter Erdö die aus seiner Sicht zentralen Punkte der Beratungen für die kommenden zwei Wochen zusammen. Aus seiner Sicht gibt es zwar keinen Grund für eine „Katastrophenstimmung“ in der Kirche. Zugleich machte er in seinem Vortrag aber deutlich, dass die Kirche in Bezug auf Ehe und Familie vor großen Herausforderungen steht.

Echte Diskussion oder alles schon entschieden?

Der Vortrag Erdös, der den offiziellen Titel „Relatio ante disceptationem“ („Vortrag vor der Beratung“) trägt, enthielt bereits eine erste methodische Neuerung der Synode. Bisher war es dem so genannten Generalrelator vorbehalten, eigene Akzente in seinem Eröffnungsreferat zu setzen. Diese leitete er natürlich aus dem Arbeitspapier ab. Dieses Mal sind in die Relatio aber bereits die Statements der Synodenteilnehmer eingeflossen. Die mussten bis Ende September ihre Statements beim Vatikan einreichen und Kardinal Erdö hat sie bereits zum Teil in seine Rede eingearbeitet. Zu einem großen Teil hat er wohl auch schon seinen Zwischenbericht fertig, die „Relatio post disceptationem“, denn dieser ist letztendlich eine Zusammenfassung und Gewichtung der Statements der Synodalen.

Dieses Vorgehen führte dann heute auch beim Pressebriefing zu der Frage, ob denn nicht schon alles vorbereitet sei und die ganze Veranstaltung überhaupt keinen Sinn mehr mache. Erdö entgegnete, dass die Synodalen ja nicht verpflichtet seien, sich bei ihren mündlichen Statements an die schriftlichen Eingaben zu halten. Sie könnten auch andere Akzente setzen. Zudem gebe es jeden Abend eine Stunde freie Rede und Diskussion. Damit gebe es eine völlige Offenheit. Damit bleibt offen, ob der Erzbischof von Budapest am Ende nicht die bereits vorbereiteten Passagen seines Zwischenberichts komplett in den Müll werfen muss, weil sich während der Synode eine solche Eigendynamik entwickelt, dass wirklich alles neu wird. Eine ähnliche Entwicklung hatte es ja beim II. Vatikanischen Konzil gegeben, wo die Konzilsväter, unter großem Engagement der deutschen Vertreter Döpfner, Frings und Co, die zum großen Teil von der Kurie vorbereiteten Schemata einfach beiseitelegten und bei vielen Themen die ganze Geschichte neu aufrollten. Allerdings dürften zwei Wochen Synode zu kurz sein für eine solche Dynamik.

Papst Franziskus stellte auf jeden Fall klar: alles muss raus im Sinne von: alles muss gesagt werden. Niemand solle denken, er dürfe etwas nicht sagen, weil es dem Papst nicht gefällt. Nach dem Konsistorium im Februar habe ihm ein Kardinal geschrieben, dass einige Kardinäle sich aus Respekt gegenüber dem Papst nicht getraut hätten, sich zu äußern.  „Das ist nicht gut. Das ist keine Synodalität.“ Freimut im Sprechen und Demut beim Hören seien angesagt, so Franziskus. „Macht das mit großer Ruhe und Frieden, denn die Synode vollzieht sich immer mit Petrus und unter Petrus und die Anwesenheit des Papstes ist eine Garantie für alle und ein Schutz des Glaubens.“

Nur pastorale Fragen oder auch Lehrfragen auf dem Prüfstand?

Kardinal Erdös Relatio zusammenzufassen, würde den Rahmen hier sprengen. Eine Zusammenfassung findet sich bei Radio Vatikan. Einige Punkte sollen aber doch benannt werden. Erdö betonte, dass es bei der Synode vor allem um praktische, pastorale Fragen gehe und darum, hier neue Wege zu finden und nicht doktrinale. Allerdings stellte Erdö auf Nachfrage der Journalisten später klar, dass beide Ebenen eng miteinander verbunden seien. Sprich: er wollte nicht mehr ausschließen, dass auch die Lehre auf den Prüfstand kommt. Der Kardinal stellte fest, dass die katholische Lehre zu Ehe und Familie zwar vielen bekannt sei, aber nicht befolgt werde. Er sprach von der Bedeutung der Ehevorbereitung und der Begleitung von Familien durch die Kirche. Der Kardinal betonte, dass es nach den Ergebnissen der Umfrage zur Vorbereitung der Synode einen Konsens in der Kirche gebe, dass Homosexuelle nicht diskriminiert werden dürften. Zugleich wolle aber die Mehrheit der Katholiken nicht eine Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften mit der Ehe von Mann und Frau. Zum Thema „Ehe ohne Trauschein“ oder Paaren, die nur zivil verheiratet sind, also in Situationen leben, die aus katholischer Sicht eigentlich nicht akzeptabel sind, stellte Erdö fest, dass die Kirche auch an der Seite dieser Menschen stehen müsse.

Beim Thema wiederverheiratete Geschiedene unterstrich Erdö, dass es sich dabei um „ein“ Problem unter vielen pastoralen Herausforderungen handle, das nicht in allen Ländern gleichermaßen vorhanden sei. Er warnte davor, sich bei diesem Thema nur auf die Frage nach dem Sakramentenempfang zu konzentrieren. Der Kardinal konzentrierte sich an dieser Stelle dann auf die Frage nach den Ehenichtigkeitsverfahren. Er sprach auch von einem „außergerichtlichen Weg“ einer Ehenichtigkeitserklärung und erinnerte an die orthodoxe Praxis, in der unter bestimmten Umständen eine zweite und dritte Eheschließung möglich ist. Allerdings wollte Erdö hier keine abschließenden Antworten geben.

Kardinal Marx mahnt zu Realismus

Die beiden Synodenteilnehmer aus Deutschland, Kardinal Reinhard Marx und die Berliner Theologin und Familienberaterin Ute Eberl, zogen am Abend eine positive Bilanz des ersten Tages. Beide berichteten von einem Klima der Offenheit. Es sei in den ersten Wortmeldungen deutlich geworden, dass es unterschiedliche Positionen gebe. Doch sei der Wunsch spürbar, aufeinander zuzugehen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz betonte, „natürlich wird die Lehre nicht verändert, aber sie entwickelt sich“. Daher sei ihm die Aussage von Kardinal Erdö in dessen Eröffnungsreferat etwas zu apodiktisch gewesen, dass es sich hier um eine reine Pastoralsynode handle. Auch das II. Vatikanische Konzil habe die Lehre der Kirche vorangetrieben. Durch einen neuen Blick auf bestimmte pastorale Fragen komme auch ein neuer Blick auf die Lehre.

Marx erklärte noch einmal, dass die deutschen Bischöfe mehrheitlich der Intention von Kardinal Kasper folgten. Er mahnte, man müsse den Unterton vermeiden, als habe es jemals eine Epoche mit idealen Familienverhältnissen gegeben, so als müsse es eine Reconquista geben von etwas, das es früher einmal gab. Die Menschen seien heute nicht unmoralischer als früher. „Das ist nicht wahr!“ Die wirtschaftlichen Herausforderungen setzten die Familien heute allerdings unter einen enormen Druck, die es schwieriger machten, die moralischen Werte zu leben. Man müsse sehen, wie ein weltweiter Kapitalismus die Menschen bedränge. Es müsse darum gehen, mit den Menschen heute das Schöne der Familie zu entdecken. Am Ende der Synode dürfe daher auch nicht eine Art „Syllabus errorum“ stehen, sondern es müsse das ausgedrückt werden, was die christliche Botschaft ist, die die Kirche in die Gesellschaft einbringen will zum Thema Familie. Mit Druck und mit Krampf habe man noch nie etwas erreicht, so Marx.

Der Kardinal betonte, dass man in Bezug auf Beziehungen nicht nur Schwarz oder Weiß sehen dürfe. Jede Beziehung sei ein Weg. Er sprach von einer Gradualität hin zum Sakrament der Ehe. Wenn jemand das Ideal nicht erreiche, dürfe er sich nicht wie ein Mensch 2. Klasse fühlen. Der Münchner Erzbischof wandte sich beim Umgang mit Scheitern von Beziehungen oder mit Beziehungen, die nicht hundertprozentig dem katholischen Ideal entsprechen, gegen generelle Lösungen. Vielmehr müsse man „pastoral sehr genau hinschauen“. Die Kirche könne nicht abseits stehen und sagen: Für Dich gibt es keine Chance! Hier brachte Marx, ähnlich wie Kardinal Kasper in seinem Vortrag beim Konsistorium im Februar, das Bußsakrament ins Spiel. Marx äußerte sich auch zu homosexuellen Beziehungen. Wenn diese über Jahrzehnte andauerten und treu seien, könne man nicht sagen, dass da nichts sei. „Das ist ein bisschen zu stark!“. Das bedeute aber nicht unbedingt, dass er homosexuelle Beziehungen für gut befinde, fügte Marx hinzu.

P.S. Erstmals ist übrigens Latein nicht mehr die Amtssprache der Synode. Papst Franziskus hat nach Auskunft von Kardinal Erdö verfügt, dass Italienisch jetzt die Amtssprache ist. Entsprechend war die Relatio Erdös auch auf Italienisch.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.