Kirche à la Franziskus für Asien
Am vierten Tag seines Besuchs in Südkorea hat Papst Franziskus die Bischöfe und Jugendlichen Asiens auf seine Vorstellung der Kirche eingeschworen. Die Stichworte lauteten dabei: beweglich, kreativ, heilig, missionarisch und demütig. Stand gestern mit der Seligsprechung der Märtyrer Korea im Mittelpunkt des Papstbesuchs, war es heute der ganze Kontinent Asien. Franziskus würdigte die „vielen positiven Werte der verschiedenen asiatischen Kulturen“. Betonte aber zugleich, dass der christliche Glaube dieses Erbe „läutern, erheben und vervollkommnen“ müsse. Zudem richtete Franziskus einen Appell in Richtung China, diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Zum Abschlussgottesdienst des 6. Asiatischen katholischen Jugendtags kamen über 40.000 Menschen zum Gottesdienst in Haemi.
Franziskus will Dialog mit China
Franziskus streckt die Hand nach China aus. „In diesem Geist der Offenheit anderen gegenüber hoffe ich ernstlich, dass jene Länder eures Kontinents, mit denen der Heilige Stuhl noch keine vollständigen Beziehungen unterhält, nicht zögern, einen Dialog zum Wohl aller voranzutreiben.“ Das sagte Franziskus bei der Begegnung mit den Bischöfen Asiens am Sonntagmorgen. Es gibt nur wenige Länder in Asien, zu denen der Heilige Stuhl noch keine vollen diplomatischen Beziehungen unterhält. Allen voran sind das China und Vietnam, wo es seit geraumer Zeit zähe, teils geheime Verhandlungen gibt, aber auch Nordkorea, Myanmar und Bhutan gehören dazu. Franziskus fügte spontan an dieser Stelle ein, dass er nicht nur von einem politischen Dialog spreche, sondern auch von einem brüderlichen, menschlichen Dialog. Die Christen kämen nicht als Eroberer, um den Menschen ihre Identität zu nehmen, so Franziskus.
Damit die Kirche nicht als „Eroberer“ wahrgenommen wird, muss sie eine ganz bestimmte Haltung und Form haben. Es sind keine Neuigkeiten, die Franziskus den Bischöfen heute Morgen dazu erzählt hat. Doch er rief seine Idee von Kirche noch einmal in Erinnerung. Diese müsse in der Verkündigung des Evangeliums „beweglich und kreativ sein durch Dialog und Offenheit allen gegenüber“. Voraussetzung dafür sei „ein klares Gefühl der eigenen Identität und die Fähigkeit zur Einfühlung“, also zur Empathie. Franziskus warnte vor drei Versuchungen des „Geists der Welt“, denen die Kirche ausgesetzt sei: Relativismus, Oberflächlichkeit und die „scheinbare Sicherheit“, indem man sich hinter einfachen Antworten, Regeln und Vorschriften versteckt.
Kirche muss demütig sein
Franziskus sieht einen Dialog des Alltags, einen Dialog der Nächstenliebe und einen mehr formalen Dialog. Er erinnerte an Benedikt XVI., der betont habe, dass die Kirche nicht durch Proselytismus wachse, sondern durch Attraktivität. Gegenüber den Jugendlichen fasste Franziskus seine Vision mit wenigen Worten zusammen. Es gehe darum, „eine heiligere, missionarischere und demütige Kirche aufzubauen – eine Kirche, die Gott liebt und anbetet, indem sie sich bemüht, den Armen, den Einsamen, den Kranken und den an den Rand Gedrängten zu dienen“. Die Jugendlichen sollten keine Angst haben, den Glauben in alle Bereiche der Gesellschaft zu tragen. Dabei könnten ihnen auch der Optimismus, die Energie und der gute Wille, der für ihren Lebensabschnitt charakteristisch sei, helfen. Die Jugend sei nicht nur die Zukunft der Kirche, sondern auch ihre Gegenwart, so Franziskus.“Es ist nicht gut, wenn ich Jugendliche schlafen sehe. Wacht auf! Geht voran“, fügte er spontan in seine Predigt ein, die er mit dem Appell beendete: „Jugend Asiens, wach auf!“
Die große Frage ist aber, wie tritt die Kirche auf? Das dürfte auch entscheidend sein, wie die Regime etwa in Peking oder Vietnam auf die neue Dialogofferte reagieren. Franziskus steht für eine demütige Kirche, und er lebt diese bescheidene Art auch. Er möchte nicht als mächtiger Kirchenherrscher wahrgenommen werden, sondern als ein einfacher Mann, der einen Dialog anbietet. Es ist auffallend, dass er in diesen Tagen hier in Korea den Blick eher nach innen richtet auf die eigene Kirche und scharfe Verurteilungen der Gesellschaft vermeidet. Die Probleme der Gesellschaft zeichnen sich natürlich im Spiegel dessen ab, was er der Kirche als Aufgaben für die Gesellschaft mitgibt. Da die Kirche Teil der Gesellschaft ist, ist die Selbstkritik der Kirche indirekt auch eine Gesellschaftskritik. Doch Franziskus greift nicht direkt ein und an. Damit scheint er sich das biblische Handlungsmotiv zu eigen zu machen, zuerst den Balken im eigenen Auge zu sehen, bevor er den Splitter im Auge des anderen sieht und kritisiert.
Kirche mischt sich nicht in Innenpolitik ein
Vatikansprecher Federico Lombardi erklärte, wenn es in der Vergangenheit Probleme mit politischen Autoritäten geben habe, habe das daran gelegen, dass diese die Kirche als etwas von außen kommendes gesehen hätten, etwas Fremdes, das nicht Teil der Gemeinschaft der Nation sein könne und nicht integriert sei. Dahingegen müsse man immer wieder betonen, „dass Katholiken, gute Christen, auch gute Bürger sein können und am Leben der Gemeinschaft teilhaben und sich für das Wohlergehen aller engagieren“. Die Autoritäten müssten den Heiligen Stuhl nicht als eine Macht fürchten, die eine Art fremde Macht im Land ausübe. Er sei vielmehr eine religiöse Autorität. Das sei etwas anderes als die politische und zivile Autorität. „Die Kirche ist immer zum Dialog bereit. Die Frage ist, ob die andere Seite zum Dialog bereit ist.“ Der Papst sei jederzeit zu einem Dialog bereit, wenn jemand diesen mit ihm führen will. Lombardi verwies darauf, dass der Heilige Stuhl derzeit mit rund einem halben Dutzend Staaten in Asien keine diplomatischen Beziehungen habe darunter China, Nordkorea, Vietnam, Myanmar, Laos, Brunei, Bhutan und Afghanistan. „Das Angebot des Papstes ist an alle diese Länder gerichtet, nicht nur an China, auch wenn China bekanntlich das größte Land ist.“
Vatikan zieht erste Bilanz
Vatikansprecher Lombardi zog am Abend eine erste Bilanz der Reise. Er wertete den Besuch in Korea als eine wichtige Etappe mit Blick auf die letzten beiden Pontifikate. Reisen seien ein gutes Mittel, um die Aufmerksamkeit der Kirche auf eine bestimmte Region zu lenken. Dass ein Papst nach langer Zeit wieder einmal nach Asien gekommen sei und bereits im Januar 2015 wieder hierher zurückkehre, sei ein klares Signal, dass ein neuer Akzent gesetzt werde. „Diese Reise ist der Beginn einer Orientierung der katholischen Kirche in Richtung Asien.“ Lombardi unterstrich, dass die Koreareise mehr pastoral als politisch gewesen sei. Die politischen Probleme seien zwar im Hintergrund präsent gewesen, hätten aber nicht im Mittelpunkt gestanden. Mit Blick auf Südkorea habe die Reise gezeigt, so der Vatikansprecher, dass das Land sehr stark durch zwei Themen beeinflusst sei: das Leiden unter der Teilung und das Sewol-Fährunglück vom Frühjahr. Beide Themen seien immer wieder präsent gewesen.
Das Treffen mit den Jugendlichen am Donnerstag in Solmoe habe gezeigt, so Lombardi, dass Franziskus auch in einer anderen kulturellen und sprachlichen Situation, als es etwa in Rom ist, mit den Menschen kommunizieren könne. „Das Charisma der Kommunikation des Papstes funktioniert auch in anderen Kulturen.“ Die Anstrengung, öffentlich Englisch zu sprechen, habe sich ausgezahlt. Laut Lombardi kann es gut sein, dass Franziskus künftig öfters öffentlich andere Sprachen nutzen wird.
Neue Priorität
Papst Franziskus gibt Asien eine Priorität in seinem Pontifikat. Das mag pastorale, aber auch politische Gründe haben. Die Katholikenzahlen steigen. In vielen Ländern ist der Alltag der Katholiken als Minderheit allerdings nicht einfach. Mehr Rückenwind aus Rom kann den Gläubigen nur gut tun. Allerdings muss Franziskus aufpassen, dass die katholische Kirche nicht als Machtinstitution wahrgenommen wird, die sich in andere Länder drängt. Mit seiner Rede von der demütigen Kirche, die sich vor allem um die Menschen kümmert und nicht um Macht, will er diesem Eindruck entgegenwirken.
P.S. Am Morgen hatte Papst Franziskus in der Nuntiatur in Seoul Lee Ho Jin getauft. Er ist Vater eines Jugendlichen, der beim Sewol-Fährunglück im Frühjahr ums Leben kam. Ho Jin hatte den Papst bei einer Begegnung am Donnerstag spontan gebeten, von ihm getauft zu werden. Franziskus stimmte dem zu und taufte ihn heute auf den Namen „Franziskus“.
P.P.S. Für den Rückweg von Haemi nach Seoul nutzte Papst Franziskus nicht den Hubschrauber. Wegen schlechten Wetters fuhr er mit der Delegation im Zug zurück. Dieses Mal war es nicht ein Linienzug, sondern der Präsidentenzug. „Er war recht kurz, aber sehr komfortabel“, erklärte Vatikansprecher Lombardi.