Der Papst und die Familie – noch eine Fortsetzung

Die Diskussionen rund um das Thema Ehe und Familie gehen weiter. Und das ist gut so. Der jetzt bekannt gewordene Brief des Präfekten der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, an den Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, hat noch einmal gezeigt, wie notwendig diese Diskussion auch ist. Und wie notwendig auch eine Diskussion um die Umgangsformen innerhalb der Kirche ist. Müller schreibt im Befehlston: „Aufgrund der genannten Divergenzen ist der Entwurf der Handreichung zurückzunehmen und zu überarbeiten, damit nicht pastorale Wege offiziell gutgeheißen werden, die der kirchlichen Lehre entgegenstehen.“ Was ist das für ein Tonfall? Kommt darin die „dienende Funktion“ der Kurie für die Weltkirche zum Ausdruck, die in den vergangenen Monaten selbst von Papst Franziskus immer wieder betont wurde?

Papst Franziskus im Gespräch mit Erzbischof Müller. Sprechen beide auch dieselbe Sprache? (ap)

Woran macht sich die Kritik von Erzbischof Müller am Entwurf der Freiburger Handreichung fest? Zum einen geht es um die Frage des Sakramentenempfangs für wiederverheiratete Geschiedene, die in dem Entwurf unter bestimmten Umständen ermöglicht wird. Hier führt der Chef der Glaubenskongregation lehramtliche Schreiben von Papst Johannes Paul II. (Familiaris Consortio, Nr. 84) und Benedikt XVI. (Sacramentum caritatis, Nr. 29) an. Zudem erinnert er an das Schreiben der Glaubenskongregation vom September 1994, mit dem einem ähnlichen Vorstoß der Oberrheinischen Kirchenprovinz unter den damaligen (Erz)Bischöfen Saier, Lehmann und Kasper eine Absage erteilt worden war. Damit scheint für Erzbischof Müller alles klar. Doch hat sich das Lehramt nicht immer auch weiterentwickelt? Wie steht es um die kirchliche Position etwa zu den Menschenrechten? Selbst das katholische Verständnis von Liebe, der Beziehung von Mann und Frau, hat sich im Laufe der Zeit verändert von einer reinen Zweckbeziehung zur Fortpflanzung mit leibfeindlichen Tendenzen hin zu einer personalen Liebesbeziehung zweier Menschen, die Körper und Geist umfasst!?!

Der zweite Kritikpunkt richtete sich gegen die in dem Entwurf vorgeschlagene Gebetsfeier für geschiedene Gläubige, die eine neue zivile Verbindung eingehen. Müller schreibt: „Feiern dieser Art wurden von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. ausdrücklich untersagt.“ Nun gilt es festzustellen, dass Freiburg in Bezug auf die Gebetsfeier nichts Neues erfunden hat. In den Bistümern Straßburg und Luxemburg gibt es bereits seit 2004 bzw. 2006 entsprechende Vorschläge und selbst im Erzbistum Wien, das von einem engen Vertrauten des emeritierten Papstes Benedikt XVI. geleitet wird, Kardinal Christoph Schönborn, gibt es entsprechende Feiern. Es ist bisher nicht bekannt, dass auch an die Oberhirten dieser Bistümer entsprechende Briefe der Glaubenskongregation gegangen sind.

So wird es wohl sein, wie vergangene Woche der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx erklärte, immerhin Mitglied des Kardinalsrats, der Papst Franziskus bei der Leitung der Kirche berät: Die Debatte um wiederverheiratete Geschiedene wird weitergehen. „Der Präfekt der Glaubenskongregation kann die Diskussion nicht beenden.“ Auch nicht durch einen Grundsatzartikel in der Vatikanzeitung L’Osservatore Romano über das katholische Verständnis von Ehe. Sonst hätte sich der Papst die Anstrengung mit den beiden Synoden zum Thema sparen können.

P.S. Das Bistum Trier hat übrigens den Fragebogen zur Vorbereitung der Sondersynode zum Thema Familie auf seiner Internetseite veröffentlicht. Bischof Ackermann bittet die Gläubigen, bis 15. Dezember die Fragen „alle oder teilweise“ zu beantworten. Erzbischof Werner Thissen in Hamburg forderte ebenfalls die Gläubigen seines Bistums auf, den Fragebogen zu bearbeiten. Im Erzbistum Köln wird er an die Gremien und Verbände zur Diskussion gegeben. Online kann man auch beim Familienbund der Katholiken in Bayern einen Fragebogen beantworten. Kardinal Karl Lehmann hat heute die Gläubigen im Bistum Mainz gebeten, sich mit dem Thema Ehe und Familie sowie der Umfrage zu beschäftigen. Im Erzbistum Berlin gibt es bereits seit Samstag eine entsprechende Einladung von Kardinal Rainer Maria Woelki an die Katholiken.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.