„Militärische Lösung = sinnloses Streben“

Papst Franziskus ist es ernst mit seiner Forderung nach einer friedlichen Lösung des Konflikts in Syrien. Alle nur möglichen Mittel setzt er ein, um seine Botschaft an den Mann und die Frau zu bringen: Am Sonntag widmete er den kompletten Angelus dem Thema, seine letzten Twitter-Botschaften ebenfalls. Heute schrieb er an Russlands Präsident Putin aus Anlass des G20-Treffens in Sankt Petersburg. In einer eher ungewöhnlichen Aktion lud der Vatikan heute alle beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschafter zu einem Treffen ein, um die vatikanische Position darzustellen. Und dann ist da noch der große Fasten- und Gebetstag für den Frieden am Samstag, zu dem Papst Franziskus aufgerufen hat. Er selbst wird auf dem Petersplatz vier Stunden lang am Abend mit den Gläubigen beten. Weltweit haben sich Bischöfe in allen Kontinenten angeschlossen; auch von Vertretern anderer Konfessionen und Religionen kamen positive Rückmeldungen; will man sich an der Initiative beteiligen.

Papst Franziskus richtet beim Mittagsgebet am vergangenen Sonntag einen Friedensappell an die Welt. (ap)

In seinem Brief an Putin findet Franziskus die gewohnt deutlichen Worte. Er spricht von einem „sinnlosen Streben nach einer militärischen Lösung“, das die politisch Verantwortlichen aufgeben sollten und stattdessen mit „erneuertem Einsatz sowie mit Mut und Entschlossenheit nach einer friedlichen Lösung auf der Basis von Dialog und Verhandlungen auf beiden Seiten“ suchen sollten, unterstützt von der Internationalen Gemeinschaft. Bereits am Sonntag hatte sich Franziskus ja zu einem Fürsprecher des „Schreis nach Frieden“ gemacht, den es an vielen Stellen weltweit gebe.

Während der Papst sonst nur am Ende des Angelusgebets kurz auf aktuelle Ereignisse eingeht, hatte er dieses Mal die komplette Ansprache dem Thema Frieden gewidmet; Ausdruck der Dringlichkeit, die er dem Ganzen verleiht: „Der Schrei, der mit Nachdruck besagt: Wir wollen eine Welt des Friedens, wir wollen Männer und Frauen des Friedens sein, wir wollen, dass in dieser unserer Gesellschaft, die von Spaltungen und Konflikten zerrissen ist, Frieden entsteht; nie mehr Krieg! Nie mehr Krieg! Der Frieden ist ein äußerst kostbares Geschenk, das gefördert und geschützt werden muss.“

Das Ganze erinnert an das Jahr 2003. Damals versuchte der Vatikan und allen voran Papst Johannes Paul II. den Irakkrieg zu verhindern. Unvergessen die Worte Johannes Pauls II. beim Angelusgebet am 23. Februar mahnte er: „Niemals kann die Zukunft der Menschheit durch Terrorismus und durch die Logik des Krieges gesichert werden.“ Der Vatikan startete eine diplomatische Großoffensive. Innerhalb weniger Tage gaben sich Tony Blair, UNO-Generalsekretär Kofi Annan, José Maria Aznar und Joschka Fischer im Vatikan die Klinke in die Hand. Der Vatikandiplomat Kardinal Etchegaray reiste im Auftrag des Papstes in den Irak und in die USA. Verhindern konnte Johannes Paul II. den Irakkrieg nicht; aber er versuchte die Mittel in die Waagschale zu werfen, die er als Papst hat – und das sind nicht Militärs, sondern Worte, Diplomatie und – aus christlicher Sicht natürlich konsequent – das Gebet. Übrigens gab es auch 2003 zum Aschermittwoch einen Fast- und Gebetstag.

Vatikanaußenminister Mamberti informiert die Botschafter über die vatikanische Syrienpolitik. (ap)

Auch dieses Mal ist die katholische Position klar: keine militärische Lösung. Dabei sind sich katholische Bischöfe weltweit weitestgehend einig – auch die US-Bischöfe und der „Außenminister“ der Deutschen Bischofskonferenz, der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick. Sie fürchten eine weitere Destabilisierung der Region und negative Konsequenzen für die christlichen Minderheiten in den Ländern des Nahen Ostens. Auch gerade deshalb ist es wichtig, dass die Kirche auf den Dialog setzt und nicht auf Konfrontation und Waffen.

P.S. Franziskus geht in seiner Botschaft an die G20-Staats- und Regierungschef natürlich auch auf wirtschaftliche Fragen ein. Die aktuelle Situation erfordere „weltweiten Finanzrahmen mit gerechten und klaren Regeln“ für eine gerechtere und solidarischere Welt. Franziskus spricht vom Kampf gegen den Hunger, von würdiger Arbeit  sowie angemessenen Wohnungen und Gesundheitsversorgung für alle Menschen. Die Weltwirtschaft könne sich nur in dem Maße wirklich weiterentwickeln, in dem sie es schafft allen Menschen ein würdiges Leben zu ermöglichen, von den Alten bis zu den ungeborenen Kindern – und zwar nicht nur für die Menschen in den G20-Ländern sondern in allen Ländern weltweit. Gewalt und Krieg seien Hindernisse für den wirtschaftlichen Fortschritt. „Ohne Frieden gibt es keine wirtschaftliche Entwicklung.“

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.