Streit um „Kardi-Leaks“
Wer versorgt die Medien mit Informationen aus den Kardinalsversammlungen? Darüber ist hier in Rom eine heftige Diskussion entbrannt. Die US-Kardinäle waren es nach meiner Einschätzung nicht. Die hatten zwar zunächst immer zu täglichen Briefings geladen; dort wurden aber keine Geheimnisse preis gegeben. Die liest man hingegen jeden Morgen in den italienischen Zeitungen. Sprich – die purpurnen Freunde der italienischen Kollegen plaudern, und was sie sagen, kann das Kardinalskollegium am nächsten Tag Schwarz auf Weiß lesen.
Das führte zu Ärger. Laut Vatikansprecher Federico Lombardi gab es zwar keine förmliche Abstimmung über ein Interviewverbot, wie es 2005 der Fall war und laut Lombardi auch einstimmig angenommen worden sei. Doch habe das Kollegium deutlich gemacht, dass man künftig besser schweige. Wenn man den italienischen Medien glaubt, war es vor allem der Camerlengo, der ehemalige Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, der mehrfach an die Verschwiegenheit der Mitbrüder appellierte. Interviews gibt es nun keine mehr; allerdings durchaus noch jede Menge vertrauliche Treffen von Kardinälen mit Journalisten. Die deutschen Purpurträger halten sich bisher da noch sehr zurück. Italiener, Franzosen und andere sind da auskunftsfreudiger. Allerdings sind alle Gespräche „unter drei“.
Nach öffentlicher Kritik fühlen sich jetzt einige italienische Kollegen zu Unrecht an den Pranger gestellt. Als würden sie unsauber arbeiten und Informationen aus Hintergrundgesprächen veröffentlichen. Dabei ist es das tägliche Geschäft der italienischen Vatikanisti, vertrauliche Informationen aus dem Vatikan zu bekommen. Immerhin leisten sich die großen Tageszeitungen der Halbinsel je eigene Journalisten, die sich nur um Papst, Vatikanstaat und Kirche kümmern. Der Vatikan ist es daher eigentlich gewohnt, dass Interna in der Presse zu lesen sind, nicht erst seit Vatileaks. Dennoch reagiert man in diesen Tagen besonders empfindlich. Ist das auch ein Zeichen dafür, dass die Diskussionen im Plenum doch kontroverser sind, als man das offiziell zugeben möchte?
Immerhin wurde auch am dritten Tag über das Thema Kurie und das Verhältnis zu den Ortskirchen gesprochen. Neu war heute, dass etwa auch Ökumene, Caritas und das Verhältnis der Kirche zu den Armen angesprochen wurden: 83 Redebeiträge insgesamt, heute allein 32. Darunter waren auch drei Finanzberichte von den ehemaligen Chefs der Präfektur für wirtschaftliche Angelegenheiten (Kardinal Versaldi), der Apostolischen Güterverwaltung (Kardinal Calcagno) sowie des Governatorats des Vatikanstaats (Kardinal Bertello). Zwar gehört der „Kassensturz“ mit zum normalen Prozedere während der Sedisvakanz. Doch in Zeiten von Vatileaks, Vorwürfen von unsauberen Geschäften gegen die Vatikanbank IOR und Korruption im kleinen Kirchenstaat, bekommen diese Finanzberichte ein besonderes Gewicht. Dass auch über die Vatikanbank IOR gesprochen wurde, wollte Vatikansprecher Lombardi nicht bestätigten. Allerdings sei es „evident“, dass Vatileaks ein Thema sei.
Trotz aller Leaks; über den Konklavetermin gibt es noch immer keine Informationen. Laut Vatikansprecher Lombardi sei der – zumindest bis heute Mittag – noch gar nicht thematisiert worden. Für Kardinaldekan Sodano sei noch nicht der richtige Zeitpunkt gekommen, über ein Datum zu sprechen. Er sehe, dass es Gesprächsbedarf gebe. Durch die Diskussion über einen Konklavetermin könnte Druck entstehen, der vermieden werden soll, so Lombardi. Er ließ auch durchblicken, dass es durch den Rücktritt des Papstes zusätzlichen Gesprächsbedarf gebe. Das ist nur verständlich. Denn zusätzlich zur Analyse der Situation der Kirche, die bei jeder Sedisvakanz gemacht wird, kommt jetzt die Frage hinzu, warum der ehemalige Papst sein Amt niedergelegt hat. Klar, er hat das Alter und die schwindenden Kräfte als Grund genannt. Doch war das alles? Und was bedeutet der Rücktritt für das Papstamt? Dem Vernehmen nach wurde auch darüber gesprochen, dass der neue Papst sich noch einmal ausführlich mit dem Thema „Papstrücktritt“ beschäftigen muss.
Während die Kardinäle noch zögern, über den Konklavetermin zu entscheiden gehen die Vorbereitungen im Vatikan weiter. Im Gästehaus Santa Marta, wo die Kardinäle während des Konklaves wohnen werden, wurden heute die Störsender (Jammer) angebracht, um jede Form der Telekommunikation zu verhindern. In der Sixtinischen Kapelle wird weiter fleißig gebaut. Selbst das Gerüst, das das Ofenrohr zum Dach stützt, wurde heute gold-gelb angestrichen. Alles soll feierlich aussehen. In den Vatikanischen Gärten wurde eine wichtige „Spur“ des alten Pontifikats vernichtet. Das große Wappen Papst Benedikts XVI., das hinter der Apsis des Petersdoms aus Pflanzen gestaltet war, wurde eingeebnet. Man wird sehen, ob das Wappen des neuen Papstes die Gärtner wieder vor so große Herausforderungen stellen wird, wie das Joseph Ratzingers. Denn den Freisinger Mohr und den Bären mit (braunen) Pflanzen (ganzjährig) darzustellen, war nicht so einfach.
P.S. Wieso hat gestern eigentlich Vatikansprecher Lombardi an die Sedisvakanz 2005 erinnert mit dem Verweis, dass damals die Kardinäle 11 Tage vorher das Konklave ankündigten? Zwar erklärte er gleich, dass es ja dieses Mal keine Trauerzeit und –Gottesdienste gebe; doch irgendwie konnte man diese Anspielung auch in die Richtung deuten, dass vor Mitte oder Ende nächster Woche an ein Konklave nicht zu denken ist. Doch daran mag hier in Rom bisher niemand so richtig glauben.