Auf der Zielgeraden des Pontifikats
Mit dem heutigen Tag ist Benedikt XVI. auf die Zielgerade seines Pontifikats eingebogen. Am Vormittag endeten die Fastenexerzitien. Nach einer Woche Beten und Meditieren im Verborgenen kommen jetzt die letzten Audienzen und öffentlichen Auftritte des deutschen Pontifex. Dann wird Joseph Ratzinger „verborgen sein für die Welt“, wie er es vor einigen Tagen beim Treffen mit dem römischen Klerus ausdrückte. Die letzten öffentlichen Schritte des Papstes werden nun mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, wie schon seit Tagen seine letzten Verwaltungsakte. Jede Ernennung, jede noch so kleine Veränderung wird von den Medien gedeutet und genauestens analysiert.
Dazu gehört etwa die Beförderung von Ettore Balestrero. Bisher war der 46-jährige der Vizeaußenminister im Staatssekretariat; dort mit zuständig für die Verhandlungen mit Israel über den Grundbesitz sowie Finanz- und Steuerfragen der Kirche im Heiligen Land. Er war die zentrale Figur in der Zusammenarbeit mit der Europaratskommission Moneyval zur Überprüfung internationaler Standards im Kampf gegen Geldwäsche. Balestero wurde nun zum Nuntius in Kolumbien befördert im Range eines Erzbischofs. Nun ist Bogota nicht gerade einer der unbedeutendsten Nuntiaturposten; dennoch fällt auf, dass Benedikt XVI. kurz vor Ende seiner Amtszeit einen engen Vertrauten der Kardinäle Bertone und Piacenza weit weg versetzt. Ersterer ist bislang Kardinalstaatssekretär und sicher einer der Strippenzieher im Konklave; Letzterer gehört zu den Papabile. Wie ist das zu deuten?
Heute wurde übrigens auch bekannt, dass Benedikt XVI. einige Änderungen für die Liturgien zum Beginn des neuen Pontifikats vorgenommen hat. Darüber berichtet der Päpstliche Zeremonienmeister Guido Marini in der heutigen Ausgabe der Vatikanzeitung L’Osservatore Romano. Neben Fragen der Musik geht es um das Gehorsamsversprechen in der Messe zum Pontifikatsbeginn. 2005 legten dieses Versprechen drei Kardinäle, je ein Bischof und ein Priester sowie Ordensleute und Ehepaare ab – insgesamt 12 Personen. Künftig werden es wieder alle Kardinäle sein. D.h. die Kardinäle versprechen gleich nach der Wahl in der Sixtinischen Kapelle den Gehorsam gegenüber dem neuen Papst; dann aber auch noch einmal öffentlich beim Gottesdienst. Außerdem werden die symbolischen Akte wie etwa die Übergabe des Palliums und des Fischerrings nicht mehr während der Heiligen Messe, sondern davor stattfinden.
Es ist zu erwarten, dass diese Änderungen in dem für Montag mit Spannung erwarteten Motu Proprio, einer Verwaltungsanordnung, stehen werden. Ob Benedikt XVI. sich darin auch zum Beginn des Konklaves äußern wird, ist weiter offen. Mit scharfen Worten hat heute das Staatssekretariat auf Spekulationen über die Gründe des Papstrücktritts sowie das bevorstehende Konklave reagiert. Immer wieder habe man in den letzten Jahrhunderten versucht Druck auf einzelne Wähler oder das ganze Kollegium auszuüben. Dabei sei es um „politische und weltliche Logiken“ gegangen, die früher eher von Staaten ausgeübt worden seien, heute versuche man die „öffentliche Meinung ins Spiel zu bringen“.
Vor allem italienische Medien und einzelne Interessengruppen hatten in den vergangenen Tagen darüber spekuliert, ob einige Kardinäle, die mit dem Missbrauchsskandal in ihren jeweiligen Heimatländern in Verbindung gebracht werden, am Konklave teilnehmen sollten oder eher nicht. Dazu gehören etwa die Kardinäle Bernhard Law und Roger Mahony aus den USA sowie der Ire Sean Brady und der Belgier Godfried Daneels. Der Vizechef des vatikanischen „Justizministeriums“ hatte gestern bereits festgestellt, dass das Kirchenrecht ausdrücklich die Freiheit der Papstwähler gegen jeglichen Druck und Einflussnahme von außen schütze. Jeder Kardinal sei sogar zur Teilnahme am Konklave verpflichtet; es sei denn, gesundheitliche Gründe sprächen dagegen. Aber selbst diese Gründe müssen erst vom Kardinalskollegium in den Kardinalskongregationen gebilligt werden.
Bisher hat ein Kardinal angekündigt, dass er aus gesundheitlichen Gründen – u.a. wegen eines Augenleidens – nicht zum Konklave nach Rom reisen werde: der frühere Erzbischof von Jakarta, Julius Riyadi Darmaatmadja (78). Aber auch er muss auf die Entscheidung des Kardinalskollegiums warten.