Kommt der Papst noch einmal nach Nahost?
Ups – das war dann noch eine kleine Überraschung zum Abschluss: Will Benedikt XVI. noch einmal in den Nahen Osten? Beim Abschied am Flughafen sagte er: „Eure Wärme und Eure Herzlichkeit haben mir darauf Geschmack gemacht wiederzukommen.“ Andere Ziele in der Region gäbe es genug. Als die ersten Ideen für die Libanonreise gesponnen wurden – vor knapp zwei Jahren – war noch Syrien als Teil des Trips geplant. Das zerschlug sich spätestens im vergangenen Jahr. Ägypten wäre ein weiteres Ziel, das auf Benedikts Reisekarte fehlt. In Jordanien, Israel, den Palästinensergebieten und Zypern war er schon. Für 2013 steht außer dem Weltjugendtag in Rio de Janeiro nichts auf dem Plan. Immer wieder gibt es Spekulationen, ob er die Reise wird machen können – mit dann 86 Jahren. Im Libanon hat er sich kaum Müdigkeit anmerken lassen. Hitze und Schwüle konnten ihm offenbar nichts anhaben. Allerdings war das Programm wie inzwischen üblich etwas ausgedünnt.
4.392 Kilometer, 2 Tage, 12 Stunden und 10 Minuten, 8 Reden. Das sind die technischen Daten der 24. Auslandsreise Benedikts XVI. Drin stecken viele Inhalte. Durch die Reden ziehen sich Leitbegriffe wie Frieden, Dialog der Religionen und Kulturen, Versöhnung, Freiheit. Oft spricht er von Brüderlichkeit. Er will ganz „Pontifex“, Brückenbauer, Christen und Muslime zueinanderführen, Christentum und Islam. Er will verhindern, dass Fundamentalisten beider Seiten einen Gegensatz zwischen den Religionen, zwischen West und Ost konstruieren. Seine Reden, obwohl schon seit Wochen vorbereitet, sind nach dem Schmäh-Video über den Propheten Mohammed aktueller denn je.
Muslime lobten seine Worte. Entscheidend ist aber, ob die Menschen der Region sie auch in Taten umsetzen. Die Probe steht noch aus. Rivalitäten, Misstrauen und Hass prägen noch immer den Alltag. Die Jugendlichen, die zum Treffen mit dem Papst kamen, wurden eingeschworen auf Versöhnung und Dialog. Den eigens ins Arabische übersetzten Jugendkatechismus und das Neue Testament in der erhobenen Hand gelobten sie vor der Begegnung mit dem Papst Friedenswillen. In der Menge von 20.000 fiel das leicht; zu Hause wartet auf sie der harte Alltag.
Den Christen gab der Papst wichtigen Rückhalt. Für sie verlangte er das Recht auf freie Religionsausübung, privat und öffentlich. Sie dürften nicht Bürger zweiter Klasse sein, forderte er, denn sie gehörten ebenso zur Identität der Region wie andere Gläubige: Ein Orient ohne Christen wäre nicht mehr der Orient, so Benedikt XVI., denn die Christen hätten zusammen mit den anderen Religionen Anteil an der besonderen Identität der Region. Sogar der sunnitische Großmufti des Libanon, Scheich Mohammed Raschid Kabbani, pflichtet ihm da bei: Auch die Muslime bedauerten die Abwanderung der Christen aus dem Nahen Osten, sagte Kabbani dem Papst bei ihrem Treffen. Diese Aussage nimmt die muslimischen Religionsführer in der Pflicht.
Der Papst wiederum formuliert Forderungen an die christlichen Oberhirten. Sein Schreiben „Die Kirche im Nahen Osten“ (Ecclesia in medio oriente), das Schlussdokument zu einer Bischofssynode von 2010 im Vatikan, das er den Bischöfen am Sonntag übergab – es zeigt deutlich an, wo die katholischen Kirchen im Nahen Osten in den kommenden Jahren noch Hausaufgaben zu machen haben, etwa in der Zusammenarbeit untereinander.
Der Papst ist abgereist. Im Nahen Osten bleiben viele Baustellen. Benedikt XVI. ging mit der Hoffnung, dass seine Reise ein Baustein auf dem Weg zum Frieden sein möge – und dass er wiederkommen kann.