Politik zum Auftakt
Dialog, Versöhnung, Frieden sind die Stichworte des ersten Tags der Papstreise in den Libanon. Der Start der 24. Auslandsreise hatte einen fast schon ungewöhnlich starken politischen Akzent – und das nicht nur bei der Pressekonferenz im Flugzeug, als er Waffenimporte als schwere Sünde bezeichnete, ein sofortiges Ende von Krieg und Gewalt in der Region forderte und schließlich den Arabischen Frühling würdigte. Auch das Papier zum Abschluss der Nahostsynode trägt in Teilen sehr politische Züge. Allerdings, das muss man gleich dazu sagen, in einer typischen benediktinischen Form.
Wer konkrete Aussagen und Forderungen zu Politik und Gesellschaft in einzelnen Ländern des Nahen Ostens erwartete, sucht in dem 94-seitigen Dokument vergebens. Kein Wort etwa zu Syrien, zum Irak, zum Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Stattdessen der lapidare Satz: „Die Positionen des Heiligen Stuhls zu den verschiedenen Konflikten, welche die Region in dramatischer Weise plagen, und jene zum Status von Jerusalem und den heiligen Stätten sind weithin bekannt.“ Der Papst beschäftigt sich nicht mit der Tagespolitik – zumindest nicht in einem solchen Papier. Er setzt grundsätzlicher an. Die Themen, die er anspricht, haben Bedeutung über den Nahen Osten hinaus: etwa die Religionsfreiheit, das Verhältnis von Religion und Politik im laizistischen Staat (hier klingelt es bei allen, die noch das Stichwort „Entweltlichung“ von der Deutschlandreise vor einem Jahr im Ohr haben) sowie der Dialog der Religionen.
Benedikt wirbt für den Dialog der Religionen. Dabei findet er würdigende Worte für Judentum und Islam. Dann wird er aber auch durchaus deutlich. Beim Thema Religionsfreiheit kennt er keinen Spaß – hier geht es um ein zentrales Anliegen seines Pontifikats. Religionsfreiheit sei ein „heiliges und unveräußerliches Recht“ und der Teil der fundamentalen Menschenrechte. Dabei betont Benedikt die universale Bedeutung der Menschenrechte gerade für Christen. An anderer Stelle fordert er die Gleichstellung von Mann und Frau: „Ich möchte allen Frauen versichern, dass die katholische Kirche in Treue zum göttlichen Plan die persönliche Würde der Frau und ihre Gleichheit mit dem Mann fördert angesichts der verschiedensten Formen von Diskriminierung, denen sie aufgrund der Tatsache ihres Frauseins unterworfen sind.“ Benedikt hat die patriarchal geprägten Gesellschaften der Region im Blick. Doch was bedeutet das für die Kirche? Allein der Hinweis, dass bei kirchlichen Rechtsstreitigkeiten in Ehefragen die Stimme der Frauen gleich der des Mannes gehört werden soll, dürfte da nicht ausreichen.
Klare Worte auch in Richtung Politik: „Christen müssen eine volle Staatsbürgerschaft besitzen und dürfen nicht als Bürger oder Gläubige zweiter Klasse behandelt werden. Und wie das am besten funktioniert, legt Benedikt dann in seinen Gedanken über die „gesunde Laizität“ eines Staates aus. Und hier nun aufgepasst für alle „Entweltlichungsexperten“: Gesunde Laizität bedeutet, „den Glauben von der Last der Politik zu befreien und die Politik durch die Beiträge des Glaubens zu bereichern“. Nur so könne die Religion frei leben, „ohne sich mit der politischen Wirklichkeit zu belasten, die von Interessen geleitet ist und sich manchmal mit dem Glauben nur schwer oder sogar überhaupt nicht vereinbaren lässt“. Wer Benedikts Konzept vom rechten Verhältnis von Staat und Kirche verstehen will, muss diese Passage zusammen mit seinen Reden im Elysee-Palast in Paris und der Freiburger Rede lesen. Heißt das aber, Kirche soll sich ganz aus der Politik heraushalten? Kirchliches Handeln ist immer politisch. Das wird auch Benedikt XVI. akzeptieren müssen.
Wer den Text des Synodenpapiers komplett lesen will, darin auch vieles zum Leben der katholischen Kirchen im Nahen Osten findet hier das Dokument: http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/apost_exhortations/documents/hf_ben-xvi_exh_20120914_ecclesia-in-medio-oriente_ge.html