Der Papst in Südostafrika – eine Bilanz

Sechs Tage, 19.000 Kilometer und 18 Reden. Was bringt eine solche Reise in eine Gegend, die zu den ärmsten der Welt zählt und der die Öffentlichkeit auf der Nordhalbkugel wenig Beachtung schenkt? Spricht man vor Ort mit Vertretern deutscher, nicht-kirchlicher Organisationen, kann ein solcher Besuch viel bewirken. In Mosambik beim Versöhnungs- und Friedensprozess, auf Madagaskar bei Fragen der Armutsbekämpfung, in allen drei Ländern, also auch auf Mauritius, bei Wirtschaftsfragen und vor allem dem Thema Korruption.

Wenn der Papst nach Afrika reist. (Quelle: Erbacher)

Kirche ist wichtiger Player

Die Kirche hat Einfluss, weil sie strukturell mit am besten aufgestellt ist in Afrika. Sie ist deshalb ein wichtiger Partner, wenn es darum geht, die Länder bei Fragen der Infrastruktur voranzubringen wie Bildung oder Gesundheitsversorgung. Im Falle Mosambiks spielen die Religionen eine wichtige Rolle beim Versöhnungsprozess. Die entscheidende Rolle ist, wie die Kirche diesen Einfluss, den sie hat, ausübt. Und hier kommt Franziskus ins Spiel. Seine Vision von Kirche ist nicht unbedingt die, die ein großer Teil des leitenden Kirchenpersonals auf dem Kontinent vertritt.

Rom ist weit weg. Der Papst kann dort viele Dinge sagen und tun. Das kommt vor Ort, im konkreten Fall quasi am anderen Ende der Welt, nicht oder nur gefiltert an. Da ist es etwas anderes, wenn Franziskus seinen führenden Mitarbeitern, aber auch dem einfachen Klerus direkt darlegt, wie er sich die Kirche wünscht. Das ist eine Kirche, die sich in Fragen der Gerechtigkeit und Soziales einmischt, ohne sich mit den Machthabern gemein zu machen. Das ist eine Kirche, deren Mitarbeiter sich an den Nöten der Menschen orientieren und nicht an dem, was Beifall, ein gutes Einkommen oder eine Beförderung bringt.

Taten nicht Worte

Es ist eine Kirche, die durch ihr Zeugnis überzeugt. Das machte Franziskus auf dem Rückweg von Antananarivo noch einmal deutlich. Er will eine missionarische Kirche, die nicht durch das Wort, sondern die Tat überzeugt. Das Handeln muss dazu führen, dass die Menschen nach der Motivation fragen. Das ist eine missionarische Kirche nach der Vorstellung Jorge Mario Bergoglios. Das ist nicht so einfach, wie sich das vielleicht zunächst anhört. Das wurde in Mosambik deutlich, wie übrigens auch schon vor zwei Jahren beim Besuch in Kolumbien.

In beiden Ländern geht es um einen schwierigen Versöhnungsprozess und der Papst verlangt von den Gläubigen, den ersten Schritt auf die ehemaligen Feinde und Peiniger zuzugehen. Nur von Versöhnung zu sprechen und Theorien über Friedensprozesse aufzustellen, reicht ihm nicht aus. Er will die konkrete „ausgestreckte Hand“, wie er beim Gottesdienst in Maputo am Freitag betonte. Ähnlich verhält es sich, wenn er über die soziale Hilfe für einen Menschen spricht und fordert, diesem in die Augen zu schauen und nicht einfach ein Almosen in die Dose zu geben und mit Augen, Kopf und Sinn längst woanders zu sein.

In Maputo sollte das interreligiöse Jugendtreffen verdeutlichen, was Franziskus unter der „Kultur des Dialogs und der Begegnung“ versteht. Mit den Besuchen der Sozialprojekte während der Reise, will Bergoglio die Aufmerksamkeit auf Beispiele lenken, in denen dieses konkrete Zeugnis gelebt wird: in Maputo das „Haus Matthäus 25“ für Straßenkinder und das Krankenhaus für HIV-Infizierte mit dem Dream-Projekt, in Antananarivo die Begegnung mit den ehemaligen Müllarbeitern in der „Stadt der Freundschaft – Akamasoa“ sowie das Treffen mit den Arbeitern im Steinbruch. Auch wenn die Weltöffentlichkeit nicht in dem Ausmaß davon Notiz nimmt, wie der Vatikan sich das wünscht, so werden diese Signale vor Ort in den besuchten Ländern genau wahrgenommen – bei den Menschen und dem Klerus.

Bisher wenige Afrikareisen

Trotz allem fällt auf, Franziskus reiste bisher wenig nach Afrika. Von den 31 Reisen führten ihn gerade einmal vier auf den Kontinent. Angesichts der Herausforderungen, vor denen die Menschen und auch die Kirche dort stehen, verwundert das. Zumal Franziskus hier über die Themen sprechen kann, die ihm wichtig sind: Armut und Gerechtigkeit, Ökologie und ethische Standards in der Wirtschaft sowie eine Kirche, die nahe bei den Menschen ist – und in weiten Teilen des Kontinents wächst. Benedikt XVI. war nur zweimal in Afrika bei 24 Auslandsreisen, Johannes Paul II. elf Mal bei 104 Reisen. Die Päpste scheinen sich also insgesamt schwer zu tun mit dem Kontinent.

Das dürfte verschiedene Gründe haben. Franziskus möchte seit langer Zeit den Kongo und den Südsudan besuchen. Doch das geht aufgrund der schwierigen Sicherheitslage und der politischen Situation nicht. Sicherheit- und Logistikfragen haben bisher übrigens auch einen Weltjugendtag in einem afrikanischen Land verhindert, obwohl Franziskus das eigentlich für 2022 wollte. Jetzt findet der nächste große Weltjugendtag in Lissabon statt. Eine Papstreise ist teuer. Das stellt die lokalen Kirchen und auch die staatlichen Stellen vor große Herausforderungen. Wenn das Geld fürs Nötigste fehlt, ist dann ein Papstbesuch wirklich angeraten? Ein Gottesdienst für rund 800.000 Menschen, wie am Sonntag in Antananarivo, erfordert eine große Logistik und verursacht immense Kosten. Es ist zwar für viele Teilnehmende ein unvergessliches Erlebnis, die Frage muss man aber stellen, ob das vertretbar ist.

Skepsis gegenüber Papstkurs

Bei Franziskus kommt bei Afrika aber noch ein weiterer Punkt dazu, inhaltlicher Art. Es wurde schon angedeutet, dass große Teile des Klerus, vor allem aber des Episkopats in Afrika nicht den Kurs des amtierenden Papstes teilen: eine prophetische Kirche, die in theologischen und moralischen Fragen die konkrete Situation vor die Dogmen und Regeln stellt. Die Kirche in Afrika ist – zumindest in der Hierarchie – eine eher konservative Kirche. Das ist für Franziskus eine Herausforderung. Und nicht nur für ihn, in Zukunft könnte das für die gesamte Kirche eine immer größere Herausforderung werden.

In dem Maße, in dem die einst als „junge Kirchen“ bezeichneten Lokalkirchen erwachsen und damit selbstbewusster werden, werden sie auch stärker den Kurs der Gesamtkirche mitbestimmen wollen, zumindest aber beeinflussen. Es hat sich bereits beim synodalen Prozess zu Ehe und Familie gezeigt, dass gerade aus Afrika starker Gegenwind kam, wenn Franziskus und eine große Zahl von Hierarchen aus Europa, Nordamerika und auch Lateinamerika die theologische Positionen weiterdenken wollten.

Junge Kirchen werden erwachsen

Kardinal Karl Lehmann stellte nach der letzten Papstwahl fest, dass sich die Kardinäle „aus dem Süden“ im Vorkonklave 2013 intensiv in die Debatten eingebracht hätten, 2005 sei das nicht der Fall gewesen. Für den ehemaligen Mainzer Kardinal ein klares Zeichen für ein neues Selbstbewusstsein dieser Kirchen. Er erwartete bereits 2013 für die Zukunft heftigere Kontroversen um theologische Positionen angesichts der konservativen Einstellung vieler Bischöfe und Kardinäle gerade in Afrika, aber auch in einigen Teilen Lateinamerikas. Daher ist es umso wichtiger, dass Franziskus bei seinen Reisen auch mit dem Klerus und den Ordensleuten zusammentrifft. Zum einen sind auf dieser Ebene viele anders gestrickt als die Hierarchen und Franziskus kann diese mit seiner Anwesenheit bestärken, zum anderen kann er aber mit der Präsenz sicherstellen, dass seine Botschaft direkt ankommt und nicht durch Bischöfe, die seiner Haltung skeptisch gegenüberstehen, gefiltert wird. Deshalb macht eine Afrikareise Sinn, auch wenn am Ende viele Fragen offen und manche notwendigen Themen unbearbeitet bleiben.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

Ein Kommentar

  • Wanda
    13.09.2019, 16:19 Uhr.

    – Wenn man die grossen Blätter der internationalen Presse und die anderen Medien durchschaut, ist es fast so, als habe diese Afrikareise des Papstes überhaupt nicht stattgefunden. Wenig bis gar keine Resonanz.
    Ob das die Vatikan-Hofschranzen bemerkt haben ?

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