Friedensgebet für Nahost im Vatikan

Die Spannung steigt. Am Sonntagabend um 19 Uhr findet im Vatikan das Friedensgebet für das Heilige Land statt. Dazu hatte Papst Franziskus während seiner Heilig-Land-Reise vor zwei Wochen die Präsidenten Israels und der Palästinenser, Schimon Peres und Mahmud Abbas, überraschend eingeladen. Im Vatikan betont man seither, dass es sich nicht um eine politische Initiative handelt sondern um eine rein religiöse Angelegenheit. Doch wer vermag im Nahen Osten Politik und Religion so klar trennen? Auch wird es am Ende des Treffens ein 8-Augen-Gespräch geben zwischen Abbas, Peres, Franziskus und dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I., der ebenfalls an dem Gebet im Vatikan teilnimmt. Mit dem Gebet knüpft Franziskus an an seine starken Gesten des interreligiösen Miteinanders während seiner Heilig-Land-Reise vor knapp zwei Wochen.

Politik hat am Sonntag Pause

Im Vatikan ist man sich bewusst, dass mit einem einzelnen Gebet kein Frieden im Nahen Osten einkehren wird. Daher warnt man im Vorfeld des Treffens auch wiederholt vor zu hohen Erwartungen. Trotzdem will Franziskus nichts unversucht lassen, Bewegung in die verfahrene Situation zu bringen. Seit Jahren versuchen politische Vermittler aus Europa, den USA und bisweilen auch aus der Region eine Lösung für den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zu finden. Doch im Augenblick sieht es so aus, als ob der politische Dialog wieder einmal am Ende sei. Seit Palästinenserpräsident Abbas angekündigt hat, eine Einheitsregierung mit der radikalislamischen Hamas bilden zu wollen und dies ja auch in dieser Woche gemacht hat, hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Dialog auf Eis gelegt. Umgekehrt provoziert Israel mit neuen Siedlungsplänen die Palästinenser. Ende April scheiterte der bisher letzte politische Versuch um Friedensbemühungen durch US-Außenminister John Kerry.

Papst Franziskus ist überzeugt, dass eine „Kultur der Begegnung“ dazu beitragen kann, Gräben zu überwinden und den Dialog zu bestärken. Das macht er in anderen Bereichen vor wie der Ökumene. Franziskus ist ebenso überzeugt von der Kraft des Gebets. Als im vergangenen Sommer eine Militärintervention der USA in Syrien drohend nahe schien, rief Franziskus einen Fasten- und Gebetstag für Anfang September aus. Es beteiligten sich nicht nur Katholiken weltweit an der Aktion, sondern auch Christen anderer Konfessionen sowie Muslime. Mit mehreren zehntausend Gläubigen feierte Franziskus eine eindrucksvolle Gebetsvigil auf dem Petersplatz, die längste Papstliturgie der Neuzeit. Just an jenem Wochenende nahmen die Konfliktparteien wieder den Faden des politischen Dialogs auf. Ein Militäreinsatz konnte verhindert werden. Doch das Morden im Bürgerkrieg hält bis heute an. Was das Gebet nun ein Erfolg oder nicht?

Franziskus hat keine Truppen, nur das Gebet und er kann die diplomatische Erfahrung des Heiligen Stuhls in die Waagschale werfen und, wie er es selbst gesagt hat bei der Einladung für das Treffen am kommenden Sonntag, „sein Haus zur Verfügung stellen“. Das passiert nun. Weil man im Vatikan keinen geeigneten Raum fand, der nicht durch religiöse Symbole, Fresken oder dergleichen für eine der Parteien hatte Anstoß erregen können, verlegte man die Zeremonie schlicht in die Vatikanischen Gärten. Um auch die innerkirchlichen Kritiker zu besänftigen, die, wie schon bei den Friedenstreffen in Assisi, Synkretismus witterten, betont der Vatikan seit Tagen, dass es sich nicht um ein gemeinsames „Gebet“ handle, sondern um eine „Anrufung“ Gottes um Frieden. Es werde nicht miteinander gebetet, sondern jede Religion betet für sich in Anwesenheit der anderen, aber nacheinander.

Strenges Reglement

Die Zeremonie folgt einem streng festgelegten Reglement. In chronologischer Reihenfolge des Entstehens beten zunächst die Juden, dann die Christen und schließlich die Muslime. Jeder teil beginnt mit einem Gebet, dass die Schöpfung als Thema hat. Nach einem kurzen Musikstück folgt ein Vergebungsgebet. Nach einem weiteren kurzen Musikstück wird ein Gebet um Frieden gesprochen, bevor dann ein längeres Musikstück in der jeweiligen religiösen Tradition folgt. Im Anschluss sprechen der Papst sowie die beiden Präsidenten Peres und Abbas jeweils eine kurze „Friedensanrufung“. Diese Reden sollen keinen politischen Charakter haben. Ob es so sein wird, bleibt abzuwarten. Anschließend soll es einen Friedensgestus geben, eventuell einen Handschlag, und danach pflanzen die beiden Präsidenten gemeinsam einen Olivenbaum. Im Anschluss findet das Acht-Augen-Gespräch im Haus der Akademie der Wissenschaften statt, das in der Nähe des Veranstaltungsorts steht. Danach verlassen die beiden Präsidenten den Vatikan wieder – getrennt, wie sie auch gegen 18.30 Uhr gekommen sind. Sie werden getrennt von Papst Franziskus in Santa Marta begrüßt und haben jeweils ein kurzes privates Treffen mit dem Pontifex. Erstmals treffen die beiden Präsidenten dann in der Eingangshalle von Santa Marta aufeinander auf dem Weg zum Veranstaltungsort. In der Halle stößt auch der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. zu der Gruppe.

Die drei Religionen sind mit Delegationen von 15 bis 20 Personen vertreten. Darunter sollen außer den Präsidenten keine weiteren Politiker sein, sondern Repräsentanten der Zivilgesellschaft. So wird in der palästinensischen Delegation auch der Präsident des Lutherischen Weltbundes, Munib Younan, sein. Er ist Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land. Außerdem werden auch die beiden Freunde von Franziskus teilnehmen, die ihn auf der Heilig-Land-Reise in der päpstlichen Delegation begleitet haben, Rabbiner Abraham Skorka und der Muslim Omar Abboud. Im Vatikan ist man angespannt im Vorfeld des Treffens. Doch ist die Hoffnung groß, dass von der Begegnung und den Bildern, die in aller Welt zu sehen sein werden, ein Impuls für den Frieden im Nahen Osten ausgehen wird. Mit dem interreligiösen Treffen will Franziskus ein Zeichen setzen, wie er den Dialog und das MIteinander der Religionen verstanden wissen will: Absage an jede Form der Gewalt und Einsatz für ein friedliches Miteinander.

Auch im fernen Argentinien beten die Menschen für den Frieden im Nahen Osten. Der Altar in der Kirche des heiligen Cayetan in Buenos Aires am Samstagmittag.

Auch im fernen Argentinien beten die Menschen für den Frieden im Nahen Osten. Der Altar in der Kirche des heiligen Cayetan in Buenos Aires am Samstagmittag.

P.S. Interessant ist übrigens, dass auch am „Ende der Welt“ sich Gläubige dem Friedensgebet des Papstes für den Nahen Osten anschließen. Beim Besuch heute in der Kirche des heiligen Cayetano in Buenos Aires schmückten Frauen gerade den Altar mit Fotos von der Umarmung des Papstes mit seinen beiden argentinischen Freunden, Jude und Muslim, an der Klagemauer in Jerusalem vor knapp zwei Wochen. Auch die Deutsche Bischofskonferenz hatte ja zur Beteiligung am Gebet aufgerufen.

Autorenbild

Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.