Bischof Bode tritt zurück

Erstmals hat Papst Franziskus den Rücktritt eines deutschen Bischofs angenommen, der im Kontext der Missbrauchsaufarbeitung Fehler gemacht hat. Betroffene hatten seit langer Zeit gefordert, dass auch Hierarchen Verantwortung für Fehlverhalten übernehmen müssten. Bode war im vergangenen Jahr noch einmal unter Druck geraten, als die Universität Osnabrück ein Gutachten zum Missbrauchsskandal im Bistum Osnabrück vorstellte und dabei auch dem heute 72-Jährigen Fehlverhalten attestierte. Bode hatte in der Vergangenheit mehrfach um Entschuldigung gebeten, doch zuletzt war das Vertrauen selbst im eigenen Bistum in den beliebten Bischof erschüttert, bis hinein in die Mitarbeiterschaft.

Bischof Franz-Josef Bode (r) war eine der treibenden Kräfte bei den Reformen in der katholischen Kirche in Deutschland. Der Reformprozess Synodaler Weg war ein Herzensprojekt des 72-Jährigen. (Quelle: dpa)

Irritationen unterschätzt

Bischof Bode steht für Reformen in der katholischen Kirche. Bis zuletzt kämpfte er beim Synodalen Weg für den Zugang von Frauen für die kirchlichen Ämter. Aber auch in anderen Bereichen, etwa der Sexualmoral, gehörte Bode, der lange Jahre Jugendbischof der Bischofskonferenz war, zu den Verfechtern von Veränderungen und einer Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre. Deshalb wurde er auch lange Zeit von einer großen Welle der Sympathie getragen. Zwar wurde nicht erst durch die Studie, die die Universität Osnabrück im September vorstellte, bekannt, dass Bode Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen gemacht hatte. Als einer der ersten Bischöfe hatte er 2010 nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals in Deutschland bei einem Bußgottesdienst um Vergebung für das Versagen der Kirche gebeten. Doch die Studie machte noch einmal deutlich, dass Bode mehr belastet ist, als viele angenommen hatten. So wurde der Druck auf ihn am Ende immer größer. Selbst unter den Mitarbeitenden schwand das Vertrauen. Er habe das „Ausmaß an Irritationen, insbesondere in der Mitarbeiterschaft des Bistums, unterschätzt“, schreibt Bode in seiner Erklärung zum Rücktritt heute.

Warum der Papst den Rücktritt im Falle Bodes angenommen hat, den anderer deutscher Bischöfe wie dem Hamburger Erzbischof Heße und der Kölner Weihbischöfe Puff und Schwaderlapp nicht, bleibt Spekulation. Der Vatikan gab keine Gründe an. Der Osnabrücker Bischof hatte dem Papst am 21. Januar seinen Rücktritt angeboten, Ende Februar wurde ihm aus dem Vatikan mitgeteilt, dass Franziskus diesen zum heutigen Tag annehmen werde. Damit bot er Bischof Bode die Möglichkeit, seine Aufgaben beim Synodalen Weg noch zu Ende zu führen. Der Osnabrücker Bischof war am Ende der Einzige im Präsidium, der von Anfang an in der Leitung des Reformprojekts mitgearbeitet hatte. Alle anderen Positionen waren zwischenzeitlich mit neuen Köpfen besetzt worden. So stand Bode am Ende für die Kontinuität des Prozesses. Hätte Franziskus den Rücktritt vor Ende des Projekts angenommen, hätte dies als klare Botschaft und inhaltlicher Eingriff in den Prozess verstanden werden können.

Wichtige Signale

Der Rücktritt Bodes ist ein wichtiges Signal zum einen in Richtung der Betroffenen, dass es am Ende doch Bischöfe gibt, die Verantwortung übernehmen und falsches Handeln nicht ohne Konsequenzen bleibt; zum anderen aber auch in Richtung der Entscheider in der katholischen Kirche. Vertrauen kann die Institution nur zurückgewinnen, wenn die Hierarchen Verantwortung für falsches Handeln übernehmen. Bode sah sich in den vergangenen Monaten mit einem massiven Vertrauensverlust konfrontiert. Es war also am Ende der Druck von außen, der ihn zum Rücktritt bewegte. Das sollte seinen Amtsbrüdern zu denken geben.

Papst Franziskus sendet heute noch ein weiteres wichtiges Signal. Er verschärfte die Normen für den Umgang mit Vertuschung und Verschleppung von Missbrauchsfällen und deren Aufarbeitung. Fortan gelten diese nicht mehr nur für Kleriker sondern auch für Laien, die in Führungsverantwortung von internationalen Organisationen sind oder waren. Damit reagiert das Kirchenoberhaupt auf Verdachtsfälle in geistlichen Gemeinschaften, die von Laien geleitet werden. Auch wird präzisiert, dass die Bistümer „leicht zugängliche Anlaufstellen und Ämter“ haben müssen, an die sich Betroffene wenden können. Zeugen von mutmaßlichem Missbrauch dürfen gemäß den neuen Regeln nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet werden. Diese Regel galt bislang nur für mögliche Betroffene. Das Motu Proprio „Vos estis lux mundi – Ihr seid das Licht der Welt“ wurde 2019 eingeführt, damals mit dem Hinweis, dass es nach vier Jahren evaluiert werden soll. Die Änderungen sind an vielen Stellen wichtige Präzisierungen. Sie zeigen zugleich, dass neben den Bistümern nun auch stärker die internationalen Organisationen in den Blick der Aufarbeitung rücken. Entscheidend ist allerdings am Ende, ob die Regeln auch in die Tat umgesetzt werden und Verantwortliche auch wirklich zur Rechenschaft gezogen werden.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

8 Kommentare

  • Novalis
    25.03.2023, 19:00 Uhr.

    Für den letzten ist nun sichtbar, dass das Bischofs- und Priesterbild auf einer falschen, verderblichen Theologie, zu der eine Pflicht zu sexueller Enthaltsamkeit gehören, die kein Mensch halten kann, aufruhen. Sie fördert Missbrauch und deren Vertuschung.
    Wenn das schon beim grünen Holz Bode passiert ist, was dann erst bei so dürren Reisern wie Voderholzer, Oster, Müller, Ratzinger, […]*?

    *Der Beitrag wurde wegen des Verstoßes gegen die Netiquette editiert.

  • Erasmus
    26.03.2023, 11:23 Uhr.

    EIN RÜCKTRITT, DER FÜR ROM WIE GERUFEN KOMMT

    Das jetzt erst bekannt gewordene Rücktrittsangebot des Osnabrücker Bischofs FRANZ JOSEF BODE war eines, das Papst Franziskus vermutlich sehr gelegen kam. Es ist bald zwei Jahre her, dass mit Reinhard Kardinal Marx ein erster deutscher Hierarch Papst Franziskus offerierte, auf sein Amt zu verzichten. In seiner Erklärung formulierte er damals einen Kernpunkt oberhirtlicher Verantwortung, der bislang unbeantwortet im Raum stand:
    „Ich trage doch als Bischof eine ‚INSTITUTIONELLE VERANTWORTUNG‘ für das Handeln der Kirche insgesamt, auch für ihre institutionellen Probleme und ihr Versagen in der Vergangenheit.“
    Mittlerweile gab es Rücktrittsgesuche von zwei Kölner Weihbischöfen und drei deutschen Erzbischöfen – davon zwei Kardinäle. Hätte der Papst den Amtsverzicht eines Weihbischofs angenommen, so wäre das von der Öffentlichkeit als Bauernopfer gewertet worden. Die Entlassung eines Erzbischofs oder gar Kardinals hätte einen skandalösen EINSCHLAG IN DEN OBERSTEN FÜHRUNGSZIRKEL der Katholischen Kirche bedeutet, mit dem auch die Frage nach der Dignität der von der römischen Zentrale hochgehaltenen apostolischen Sukzession einhergegangen wäre.
    Insofern ist der Rücktritt von Bischof Bode für den Vatikan eine GÜNSTIGE KIRCHENPOLITISCHE FÜGUNG. Dieser ist bereits 72 Jahre alt, und er erklärt selbst in seiner Stellungnahme, dass er aus gesundheitlichen Gründen keine weitere drei Jahre mehr durchhalten könnte. Darüber hinaus zählt er zu den Reformen vorantreibenden Bischöfen, der als Vizepräsident des Präsidiums des Synodalen Weges eine wichtige Funktion ausübte. Der Verlust eines solchen Bischofs lässt sich ultramontan leicht verkraften.
    Die Machtzentrale am Tiber wird also nicht nur den Ordinarius des Bistums Osnabrück los, sondern sie kann sich darüber hinaus auf die Fahnen schreiben, dass in Deutschland – klerikalen sexuellen Missbrauch betreffend – auch AUF DER FÜHRUNGSEBENE PERSONELLE KONSEQUENZEN erfolgt seien. Der Rücktritt eines Bischofs ist ein wesentlich markanteres Signal als die bisherigen Demutsbezeugungen.
    Bleibt die Frage, was aus dem Rücktrittsgesuch des Erzbischofs von Köln wird. Das, was sich dieser Oberhirte ohne Herde leistet und geleistet hat, wäre für eine Amtsenthebung mehr als ausreichend. Doch ich befürchte, dass Rom jetzt einfach nur abwartet, wie die gegenwärtig laufenden Gerichtsverhandlungen für RAINER MARIA WOELKI ausgehen werden. Und da hat der Kardinal keine schlechten Karten. Beispielsweise hat die frühere Mitarbeiterin des erzbischöflichen Generalvikariats Köln, Hildegard Dahm, zwar bezeugt, dass sie im Januar 2015 für Woelki eine Excel-Liste mit den Namen von 14 aktuellen klerikalen Missbrauchstätern erstellt habe. Aber daraus lässt sich juristisch nicht ableiten, dass dieser den Namen des früheren Sternsinger-Präsidenten WINFRIED PILZ auch wirklich zur Kenntnis genommen hat. O-Ton von Woelkis Rechtsvertreter: Frau Dahm wisse selbst nicht, „ob der Kardinal diese, eine andere oder gar keine Liste gesehen hat, behauptet dieses aber einfach ins Blaue hinein.“
    Der Erzbischof kann also weiterhin insistieren, mit dem Fall Pilz nicht vor der vierten Juniwoche 2022 befasst gewesen zu sein. Sollten die gerichtlichen Überprüfungen von drei eidesstattlichen Erklärungen, die Woelki abgegeben hat, mit „Freispruch“ enden, so wird sich der Kardinal öffentlich als rehabilitiert inszenieren, und Franziskus wäre quasi justiziell legitimiert, seinen, die katholische Tradition verteidigenden Kardinal im Amt zu belassen.

  • Student
    27.03.2023, 22:34 Uhr.

    Bischof Franz-Josef Bode habe ich bereits öfter treffen dürfen. Die erste Begegnung war bei einem Gottesdienst im Jahr 2012. Seitdem habe ich ihn bei vielen weiteren Pontifikalämtern in Osnabrück und Paderborn gesehen. Seinen zumeist progressiven kirchenpolitischen Ansichten kann ich zwar kaum etwas abgewinnen, aber dennoch war er mir stets sympathisch. Sein Auftreten war immer freundlich, zugewandt, humorvoll und bodenständig. Auch die Predigten, die ich von ihm gehört habe, haben mir gut gefallen. Der Ruhestand sei ihm gegönnt, denn gesundheitlich ist er schon länger angeschlagen.

    Es wird nun sehr spannend zu sehen wer sein Nachfolger wird. Mit seinem Rücktritt sind nun insgesamt drei (Erz-)Bistümer in Deutschland vakant. Neben Osnabrück sind es noch Paderborn und Bamberg. Außerdem warten die (Erz-)Bistümer Würzburg und München-Freising jeweils auf einen neuen Weihbischof. Die Rücktritte von Bernhard Haßlberger aus München und Ulrich Boom aus Würzburg wurden vom Papst bereits angenommen, diese werden allerdings erst wirksam, wenn für die beiden Weihbischöfe je ein Nachfolger ernannt worden ist. Damit gilt es nun schon fünf Bischöfe in Deutschland zu ernennen. Vermutlich wird diese Zahl noch steigen, denn Weihbischof Wilhelm Zimmermann aus Essen, Weihbischof Nikolaus Schwerdtfeger aus Hildesheim und Bischof Gebhard Fürst von Rottenburg-Stuttgart werden in diesem Jahr die Altersgrenze von 75 Jahren erreichen. Natürlich ist es keinesfalls gewiss, ob die Bistümer Essen und Hildesheim zukünftig noch einen zweiten Weihbischof haben werden, aber für Rottenburg-Stuttgart muss auf jeden Fall ein neuer Bischof gefunden werden. Auch wenn der Rücktritt von Bischof Gebhard Fürst eventuell erst im nächsten Jahr angenommen wird, da sein 75. Geburtstag im Dezember ist. Außerdem kann niemand sagen, ob es nicht auch noch zu weiteren vorzeitigen Rücktritten kommen wird.
    Damit wird sich nun ab dem 12. April der neue Präfekt des Dikasteriums für die Bischöfe, Erzbischof Robert Francis Prevost OSA, befassen müssen. Mit Sicherheit hat auch der Apostolische Nuntius in Deutschland schon einige Vorschläge gesammelt und nach Rom weitergeleitet. Die Domkapitel und die übrigen deutschen Bischöfe sind ebenfalls dazu aufgefordert geeignete Kandidaten zu nennen.
    Es wird wohl einige Überraschungen geben. Warum sollte nicht ein ausländischer Priester Bischof in Deutschland werden? In den USA gab es in der jüngsten Vergangenheit mehrere Ernennungen von Bischöfen die nicht in den Vereinigten Staaten geboren wurden. Wer seit mehreren Jahren oder schon Jahrzehnte hier gewirkt hat, sollte hier auch Bischof werden können. Why not? Vielleicht wird auch noch ein Ordensmann zum Bischof, dass würde die Präsenz der Ordensleute in der Deutschen Bischofskonferenz stärken. Bisher gibt es ja nur vier Ordensbischöfe aus drei verschiedenen Orden in Deutschland (Heiner Wilmer SCJ in Hildesheim, Stefan Oster SDB in Passau, Gregor Maria Hanke OSB in Eichstätt und Dominicus Meier OSB in Paderborn). Dabei zeigt sich, dass die Ordensleute eine große Vielfalt in das Bischofskollegium hineintragen und ich würde mich freuen, wenn diese Vielfalt weiter wachsen würde. Aber egal wer nun wo auch immer zum Bischof ernannt wird, hoffentlich haben alle aus dem Missbrauchsgeschehen gelernt. So etwas darf nicht noch einmal geschehen. Daran werden die neuen Bischöfe kräftig mitarbeiten müssen.

    • Wanda
      28.03.2023, 21:11 Uhr.

      Spannender wer Nachfolger wird oder wie man nun endlich diesen „Augiasstall“ reinigen will ? Ein Kommentar merkwürdiger Priorität…

    • Novalis
      28.03.2023, 22:07 Uhr.

      „Warum sollte nicht ein ausländischer Priester Bischof in Deutschland werden?“
      Bei soviel Klugheit hätte ich erwartet, dass man in Reichskonkordat, Art. 14, Abs. 1 a schaut. Das ist der Regelfall.
      Ich bin übrigens überrascht, dass der Satz […]* neuerdings gegen die Nettiquette verstößt. Homosexualität ist nichts ehrenrühriges, auch nicht für einen Papst.

      *Der Beitrag wurde wegen des Verstoßes gegen die Netiquette editiert.

      • Jürgen Erbacher
        Jürgen Erbacher
        29.03.2023, 8:14 Uhr.

        Aussagen zur sexuellen Orientierung von Personen, die nicht durch entsprechende Aussagen dieser Personen selbst gedeckt sind, sind Unterstellungen und Mutmaßungen. Diese sind nicht durch die Netiquette gedeckt. Der Ursprungstext handelte nicht von Homosexualität. Deshalb werden weitere Kommentare zu diesem Thema nicht freigeschaltet.

  • Silvia
    28.03.2023, 18:19 Uhr.

    Nach dem Vorliegen sämtlicher bisher erstellter Missbrauchsstudien lässt sich sagen, dass quer durch alle kirchlichen Lager an verantwortlichen Stellen vertuscht worden ist.

    In Einzelfällen tatkräftig unterstützt durch betroffene Kirchengemeinden und deren Funktionäre.

    Maßgeblich mitverantwortlich scheint mir ein bis nicht vor allzu langer Zeit gepflegtes total überhöhtes Priesterbild gewesen zu sein oder immer noch zu sein.

    Ich bin 72 Jahre alt, musste in der Jugend mit meinen Eltern mehrmals umziehen über diverse Bundesländer hinweg und habe entsprechend viele Erfahrungen sammeln können.

    Ich war und bin eine treue Katholikin, aber ich war nie unkritisch und konnte und kann Missstände sehen.

    Wenn jetzt der ganze Laden zusammen bricht, kann nur was Besseres nachkommen.

    In Deutschland sind jetzt drei Bischofsstühle vakant. Bin gespannt, wo und wie sich da noch Nachfolger finden sollen.

    • Erasmus
      29.03.2023, 11:08 Uhr.

      „In Deutschland sind jetzt drei Bischofsstühle vakant. Bin gespannt, wo und wie sich da noch Nachfolger finden sollen.“ (Silvia)
      In mitgliederstarken Diözesen liegt die Besoldung von Bischöfen zwischen 10.000 und 13.700 Euro (NRW) monatlich. Das ist alles andere als unattraktiv, auch wenn der frühere Nimbus von Bischöfen dahin ist und der Rückbau einer Institution im Niedergang wenig Freude aufkommen lässt.
      Interessant zu beobachten wird sein, zu welchen Bischofs-Ernennungen das Auswahlprozedere entlang des Kriteriums „reformorientiert oder Rom-treu“ führen wird.

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