Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog

Interessantes und Hintergründiges aus dem Vatikan

Tag 1 der franziskanischen Ära

Heute war der Tag der Analysen und Pressekonferenzen. Überall in der Stadt gaben Kardinäle freundlich Auskunft über den neuen Papst – selbstverständlich nicht über das Geschehen in der Sistina. Einzig der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki ließ sich zu der Feststellung hinreisen, dass es sich nicht um eine „Spitz-auf-Knopf-Entscheidung“ gehandelt habe. Viele Kardinäle berichten aber, dass auch für sie das Ergebnis überraschend kam. Zwar war Kardinal Bergoglio im Vorkonklave positiv aufgefallen; aber auf der persönlichen Favoritenliste stand er nur bei wenigen zu Beginn des Konklaves ganz oben. Italienische Zeitungen wollen zwar wissen, dass Bergoglio bereits im ersten Wahlgang mehr Stimmen hatte als etwa der große Favorit Angelo Scola. Doch das gälte es zu beweisen.

Die Sonderausgabe der Vatikanzeitung L'Osservatore Romano wollten heute viele Pilger.

Franziskus hat auch heute wieder vielversprechende Zeichen gesetzt. Beim Besuch der Marienkirche Santa Maria Maggiore hat er nicht die große Limousine mit dem Stern und dem berühmten Kennzeichen SCV1 gewählt, sondern eine etwas bescheidenere Variante eines Wolfsburger Modells mit normalem SCV-Kennzeichen. Auf dem Rückweg in den Vatikan ist er in seiner Unterkunft vorbeigefahren, in der er während des Vorkonklaves wohnte, packte dort seine Sachen zusammen und bezahlte die Rechnung, wie jeder normale Gast bei seiner Abreise. Es wäre zu wünschen, dass diese Normalität sich auch auf andere Bereiche des päpstlichen Hofes ausbreiten würde.

Die ersten Zeichen lassen ja hoffen. Kardinal Woelki zeigte sich sehr beeindruckt von der Einfachheit und Bescheidenheit, mit der der neue Papst gestern Abend in den ersten Stunden seines Pontifikats aufgetreten sei. Er habe gleich äußere Zeichen des Papstamts zurückgewiesen. Es sei eine brüderliche Begegnung gewesen, der Papst als „Bruder unter Brüdern“. Interessant ist übrigens auch, dass Franziskus in seiner kurzen Ansprache gestern auf der Loggia nicht das Wort Papst aussprach. Von Bischof und Volk war die Rede, von der Kirche und Gott. Woelki erwartet, dass der neue Papst angesichts seiner Herkunft Fragen der sozialen Gerechtigkeit, der Armut und der Menschenrechte stärker in den Vordergrund rücken wird. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx zeigte sich zuversichtlich, dass Franziskus eine Reform der Kurie anpacken wird. Er habe Erfahrung mit Verwaltung und auch unangenehmen Entscheidungen. Der Schweizer Kardinal Kurt Koch, im Vatikan bisher zuständig für die Ökumene, berichtete, Franziskus habe ihm bei der ersten Begegnung gestern erklärt, dass ihm die Ökumene „sehr am Herzen liege“. Das lässt hoffen für das Gespräch mit den anderen christlichen Kirchen.

Die Erwartungen an den neuen Papst sind hoch. Ob sie zu hoch sind oder wie schon bei Benedikt XVI. vielleicht zu blauäugig, wird man erst in einigen Jahren sehen. Kritisch wird man sich sicher mit seiner Geschichte auseinandersetzen müssen. Hier kamen heute sehr widersprüchliche Stimmen auf über sein Verhalten als Jesuitenoberer in Argentinien während der dortigen Militärdiktatur. Er wird sich diesen Fragen stellen müssen. Auch wird sich zeigen müssen, ob er wirklich eine solch „moderne Vision“ der Kirche hat, wie sein Biograf Sergio Rubin in TV-Interviews erzählte. Es wird jetzt zunächst einmal die Zeit sein, hinzuhören und dann ein Urteil zu fällen. Seine erste Predigt heute war kurz. Bei der Messe mit den Kardinälen in der Sixtinischen Kapelle sprach er rund sechs Minuten. Ganz franziskanisch forderte er eine geistliche Erneuerung der Kirche; sonst verkomme sie zu einer nur „barmherzigen NGO“. Gehen, bauen und bezeugen waren die zentralen Stichworte in seiner Predigt. Dabei rückte er das Kreuz Christi ins Zentrum jedes christlichen Handelns. „Wenn wir ohne das Kreuz voranschreiten, aufbauen und bekennen, dann sind wir keine Jünger des Herrn.“ Richtet er den Fokus weg von einer triumphalistischen Kirche, vom triumphierenden Christus hin zu einer mitleidenden Kirche, dem leidenden Christus? Stehen wir hier vor einem Paradigmenwechsel? Sechs Minuten Predigt sind hier zu wenig; aber in den nächsten Tagen und Wochen werden sich mit der Messe zum Pontifikatsbeginn und dann vor allem den Kar- und Ostertagen viele Gelegenheiten bieten, diese Gedanken auszubauen. Dann wird man sicher klarer sehen, über den neuen Kurs. Dann wird sich vielleicht auch schon zeigen, ob der „Kardinal der Armen“ auch zum „Papst der Armen“ wird. Alles ist möglich, lautet derzeit die einhellige Meinung hier in Rom.

Habemus Papam: Papst Franziskus

Am Ende war es dann doch eine Sensation. Der Name des Erzbischofs von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, wurde in den letzten Tagen immer nur am Rande der Papabile-Spekulationen genannt. Zu alt sei er, sein Handeln während der argentinischen Militärdiktatur werfe Fragen auf und zudem sei er ja beim letzten Konklave 2005 dem damaligen Papst Benedikt XVI. unterlegen. Doch es kam ganz anders. Fünf Wahlgänge haben die Kardinäle „nur“ gebraucht. Dafür, dass es vor dem Konklave immer hieß, es gebe keinen Favoriten, ging es am Ende dann doch schnell. Die nächsten Monate werden zeigen, wie es dazu kam. Natürlich gilt das Konklavegeheimnis – aber dennoch ist es wahrscheinlich, dass mit der Zeit das ein oder andere Detail öffentlich werden wird.

Kardinal Jorge Maria Bergoglio - jetzt Papst Franziskus

Doch zunächst muss die Entscheidung etwas sacken. Erst langsam wird man begreifen, was diese Wahl bedeutet. Denn der Gegenkandidat Ratzingers von 2005 hat 2013 gesiegt, nachdem sich Benedikt XVI. aus Altersgründen zurückgezogen hat. War die Kirche damals noch nicht reif für einen Papst Franziskus? Was war dieses Mal anders, dass man ihn gewählt hat? Sicher ist, seine Ansprache beim Vorkonklave am vergangenen Freitag hat viele Kardinäle beeindruckt. Dazu kommt bei ihm die Mischung aus Bescheidenheit und Entschlossenheit. Mit Papst Franziskus dürfte keine triumphale Kirche zu machen sein. Man darf gespannt sein, wie sich das etwa auf die äußerlichen Zeichen auswirken wird. Franziskus ist heute bei seinem ersten Auftritt ohne rote Mozzetta auf die Loggia des Petersdoms gekommen; anders als Benedikt XVI. vor knapp acht Jahren. Auch hatte er das Heft in der Hand bei seiner kurzen Ansprache. So ließ er es sich nicht nehmen, nach dem Segen noch einige Worte an die Gläubigen zu richten.

Es waren keine großen pragmatischen Worte; doch es dürfte schon etwas von dem durchgeklungen sein, was die Menschen in den nächsten Jahren erwartet. Zunächst das Gebet für den Vorgänger, über 100.000 Menschen beten gemeinsam das Vater unser. Dann ruft er die Menge zum Gebet für sich auf, verneigt sich tief und – es herrscht plötzlich Stille auf dem Platz. Gänsehautfeeling. Franziskus hatte nicht nur die Herren auf dem Balkon im Griff, sondern sofort auch die versammelte Menge. Sein Ton: verbindlich. Er machte deutlich, dass es ihm um „einen Weg der Brüderlichkeit, der Liebe, des gegenseitigen Vertrauens geht“. Die Kirche von Rom führe den „Vorsitz in der Liebe gegenüber allen Kirchen“. Ein Weg von „Bischof und Volk“ beginne jetzt. Interessant ist übrigens, dass entgegen des Protokolls der Kardinalvikar der Stadt Rom sowie ein Franziskanerkardinal neben dem neuen Papst auf der Loggia standen. Erste Zeichen. Wie auch die Wahl des Fortbewegungsmittels nach der Wahl. Statt der bereitgestellten Limousine nimmt er zusammen mit den Kardinälen den Bus.

Die nächsten Tage und Wochen werden spannend. Schon am ersten Abend gab es symbolhafte Gesten des neuen Papstes. Sei deuten darauf hin, dass das kommende Pontifikat anders werden wird als das letzte. Mit dem ersten Lateinamerikaner auf dem Stuhl Petri wird sich das Gesicht der Kirche verändern. Auf den Spuren des Heiligen von Assisi wird Papst Franziskus eine Erneuerung der Kirche angehen. Sein Papstname und seine Herkunft als Jesuit werden sein Handeln prägen. Sie lassen darauf schließen, dass er sein Werk bescheiden, aber entschlossen umsetzen wird.

P.S. Hier noch ein kurzes Porträt des neuen Papstes – mehr dann in den nächsten Tagen.

Jorge Mario Bergoglio wurde 1936 als eines von fünf Kindern italienischer Einwanderer in Buenos Aires geboren. Nach dem Diplom als Chemieingenieur entschied er sich, Priester zu werden und trat in den Jesuitenorden ein. Schnell wurde er oberster Jesuit Argentiniens. In seine Amtszeit fiel auch die argentinische Militärdiktatur. Ordensbrüder warfen ihm später vor, er habe sie nicht vor Übergriffen der Machthaber geschützt. Seit 1998 war Bergoglio Erzbischof von Buenos Aires. Er ist ein typischer Vertreter der kirchlichen Hierarchie in Lateinamerika – sozial engagiert, theologisch aber konservativ. Er liebt nicht die großen Auftritte, gilt als wortkarg und medienscheu. Zur Tagespolitik hält er möglichst Distanz. Trotzdem geißelt er mit klaren Worten soziale Ungerechtigkeit und Korruption. Man nennt ihn auch den „Kardinal der Armen“; er besucht Gefängnisse und Armenviertel. Sein persönlicher Lebensstil gilt als prophetisch: bescheiden, volksnah, ökologisch. Er verzichtet auf bischöflichen Prunk. Bergoglio ist am Puls der Zeit; nutzt die modernen Medien, um seine Botschaft unters Volk zu bringen – mit einem eigenen Kirchenfernsehen und Twitter. Sein Biorgraf, Sergio Rubin bezeichnet ihn als moderaten Bischof mit einer modernen Vision der Kirche. In Rom ist der Jesuit ein gefragter Mann. Bergoglio ist seit Jahren Mitglied in wichtigen Ministerien – etwa für Liturgie, Orden und Familie. Im Vorfeld der Wahl wurde mit seiner Person vor allem die Hoffnung verbunden, eine Reform der Kurie durchzuführen. Jorge Mario Bergoglio, ein stiller, aber effizienter Arbeiter – der Nachfolger Benedikts XVI. als Oberhaupt der katholischen Kirche.

HABEMUS PAPAM! Jorge Mario Bergoglio ist Papst

Nun wurde der Name des neuen Papstes verkündet: Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio wird Papst – mit dem Namen Franziskus I. Der 76-jährige Jesuit ist der erste Lateinamerikaner auf dem Papstthron. Die Entscheidung für ihn erfolgte im fünften Wahlgang des Konklaves. Bergoglio galt bereits im Konklave 2005 als ein Favorit, unterlag aber Joseph Ratzinger.

Weitere aktuelle Informationen auf heute.de 

Hier geht es übrigens zur Doku „Mythos Konklave„, die versucht, anhand eines geheimen Tagebuchs eines Kardinals die letzte Papstwahl 2005 zu rekonstruieren, in der Bergoglio auch eine Rolle spielte…

Hintergründe sammeln wir auch weiterhin auf papst.zdf.de

Benedikt XVI. und das Konklave

Ein kurzer Nachtrag noch zu gestern. Lang anhaltenden Applaus gab es bei der Predigt von Kardinaldekan Angelo Sodano, als er dem emeritierten Papst Benedikt XVI. „für das leuchtende Pontifikat“ dankte. Kardinäle wie Gläubige applaudierten. „Klänge“ die man seit geraumer Zeit eher selten im Petersdom hört. Gleich dreimal erinnerte Sodano an Benedikt XVI. Beinahe hatte man den Eindruck, er wolle wieder etwas gut machen, nachdem das Grußtelegramm der Kardinalsversammlung an den „Papa emeritus“ in der vergangenen Woche etwas kühl ausgefallen war. Interessant ist übrigens, dass Sodano nur nachkonziliare Päpste zitierte: Paul VI., Johannes Paul II. und eben Benedikt XVI. sowie das Konzilsdokument über die Kirche, Lumen Gentium. Ein Signal an den neuen Papst!? Umgekehrt fällt noch auf, dass Sodano zwar an Benedikt XVI. erinnert, eines der Schlüsselworte des Pontifikats aber nicht fällt: Wahrheit.

Schwarzer Rauch

Jetzt geht es endlich los. Vor über einem Monat hat Benedikt XVI. seinen Amtsverzicht angekündigt; seit knapp zwei Wochen ist er im Ruhestand. Seit heute Mittag sind die 115 Kardinäle nun im Konklave und suchen einen Nachfolger. 19.41 Uhr stand fest, was alle erwartet hatten, der erste Wahlgang war erfolglos. Der schwarze Rauch quoll deutlich sichtbar aus dem kleinen Kamin auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle. Einige Beobachter hatten schon Sorge, dass er Spuren an der Außenwand des Gebäudes hinterlassen könnte. Die chemischen Zusätze haben ganze Arbeit geleistet. Bleibt zu hoffen, dass auch bei der Farbe weiß, wann immer sie kommen mag, der Zusatz ein genauso deutliches Signal produziert. Aber darauf müssen wir wohl noch eine Weile warten; denn bis zuletzt gingen viele Kardinäle davon aus, dass einige Tage notwendig sein werden, um zur 2/3-Mehrheit zu kommen. Allerdings berichteten sie auch, dass einer der führenden Kurienkardinäle die Devise ausgegeben habe, jeder solle mit zwei oder drei persönlichen Favoriten ins Konklave gehen, sich dann aber schnell der Mehrheit anschließen. Wenn sich am morgigen Tag in den vier Wahlgängen eine solche Dynamik entwickelt, könnte doch schon sehr bald ein neuer Papst auf die Mittelloggia des Petersdoms treten.

Schwarzer Rauch nach 1. Wahlgang (dpa)

Interessant war die Predigt von Kardinaldekan Angelo Sodano. Er zog ja mit seinen 85 Jahren nicht mehr mit ins Konklave ein. Daher war der Gottesdienst heute Morgen seine letzte Gelegenheit, den Wählern eine Botschaft mit auf den Weg zu geben. Starke Akzente setzte er meines Erachtens nicht. Die Predigt ist nicht zu vergleichen mit der brillanten Ansprache des damaligen Kardinaldekans Joseph Ratzinger vor dem Konklave 2005. Damals sprach ein Theologe von Weltrang; heute ein alt gedienter Diplomat. Allerdings finden sich doch einige Hinweise darauf, wie der sich den neuen Papst vorstellt. Sodano sprach von der Liebe Gottes gegenüber den Menschen, die „sich besonders im Kontakt mit Ungerechtigkeit, Armut, allen Zerbrechlichkeiten des Menschen, seien sie psychisch oder moralisch“. Das erinnerte doch an die Brechungen in den Lebensläufen vieler Menschen heute, auf die die Kirche heute oft noch mit großer Härte reagiert, die wiederum von vielen Menschen nicht mehr verstanden wird. Erinnert sei an das Kommunion-Verbot von wiederverheiratet Geschiedenen. Will Sodano einen Papst, der hier „barmherzig“ ist? Das wäre neu. Bisher war er nicht für solche Ideen bekannt. Allerdings muss man sagen, Sodano stand seinerzeit im Streit um die kirchliche Beteiligung an der staatlichen Schwangerenkonfliktberatung an der Seite der Mehrheit der deutschen Bischöfe, die für einen Verbleib waren. Sein mächtiger Gegenspieler war der damalige Präfekt der Glaubenskongregation Joseph Ratzinger. Ratzinger konnte sich mit seiner Position durchsetzen. Die deutschen Bischöfe mussten aussteigen aus dem staatlichen System.

Und warum hat Sodano in seiner Predigt so stark das Thema Einheit bemüht? Selbstverständlich ist es die wichtigste Aufgabe des Papstes, sich um die Einheit der Kirche zu kümmern. Doch klang das fast etwas danach, als forderte Sodano die Kardinäle zur Einheit auf. Gab es da etwa in den letzten Tagen des Vorkonklaves Uneinigkeit? Naja – es wurden in den Kardinalskongregationen durchaus offene Worte gesprochen. Vor allem der ehemalige Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone musste sich viel Kritik anhören. Doch wenn man ehrlich ist, war die Kritik doch längst bekannt. Immer wieder hatten Kardinäle und Bischöfe aus der ganzen Welt nach einer Reform der Kurie verlangt, nach mehr Kollegialität und einem anderen Miteinander von Ortskirche und Zentrale. Doch die Stimmen wurden mit einer arroganten und selbstherrlichen Haltung überhört oder nicht ernst genommen. Umso heftiger war es jetzt, als viele Kardinäle ihrem Frust Luft verschafft haben. Denn seit dem 28. Februar hält Benedikt XVI. nicht mehr seine schützende Hand über Bertone. Ratzinger hat sich zurückgezogen und ließ vor dem Ende seines öffentlichen Wirkens keinen Zweifel daran, dass er sich nicht mehr einmischen wird. Bertone ist nun auf sich alleine gestellt. Seine Zukunft ist ungewiss, ja sogar am unsichersten von allen ehemaligen Kurienchefs. Es wäre eine große Überraschung, wenn er noch lange im Amt bliebe. Normalerweise ist es üblich, dass der neue Papst die Chefs der Dikasterien „bis auf Weiteres“ wieder einsetzt. Bei Bertone darf man gespannt sein.

Kardinaldekan Angelo Sodano beim Gottesdienst (dpa)

Und noch eine letzte Anmerkung zur Predigt Sodanos. Im dritten Teil ging er auf den Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden ein, der zur Sendung des Papstes gehöre. Er meinte zwar, die letzten Päpste hätten in diesem Bereich viel Gutes getan für die Völker und die Weltgemeinschaft. „Beten wir dafür, dass der zukünftige Papst dieses Werk unermüdlich weltweit fortführen möge“, so Sodano. Die Politik scheint den Diplomaten wichtig zu sein. Für ihn ist sie ein konstitutives Element des Papstamts, wie der Einheitsdienst und die Verkündigung. Eine Kritik am letzten Pontifikat war immer wieder, dass die politische Dimension zu kurz gekommen sei, das politische Gewicht, das die katholische Kirche unter Johannes Paul II. gewonnen habe, zumindest in Teilen wieder verspielt habe. Sodano war als Kardinalstaatssekretär in der Wojtyla-Ära für die Diplomatie zuständig. Er sah so manche Entwicklung in diesem Bereich unter Benedikt XVI. kritisch. Er hofft sicher, auf einen politischeren Papst.

Das könnte eventuell ein Kandidat aus Lateinamerika sein. Die Kardinäle von dort bringen oft eine interessante Mischung mit: theologisch konservativ, aber sozial sehr engagiert. Wenn der Kandidat nun noch Durchsetzungskraft und Charisma mitbringt, steht der Wahl nichts mehr im Weg. Doch wer wird es dann? Zuletzt war zu hören, dass eine ganze Reihe von Kardinälen nach dem Theologen Ratzinger nicht schon wieder einen „großen Denker“ will, sondern einen der zupackt und nahe bei den Menschen ist. Das könnte für den oft als Intellektuellen bezeichneten Mailänder Kardinal, Angelo Scola, ein Nachteil sein, auch wenn ihn die Buchmacher und viele Journalistenkollegen nach wie vor als den großen Favoriten sehen. Übrigens ist auch das sehr oft genannte Kriterium der Führungsstärke mit Vorsicht zu sehen, denn der Grat zum Machtmensch ist schmal. Und den wollen die wenigsten Kardinäle auf dem Stuhl Petri sehen. Die Zeichen stehen auf Kollegialität. Ob sich das am Ende auch durchsetzt, ist noch offen.

P.S. Morgen wird vier Mal gewählt. Sind alle Wahlgänge erfolglos, gibt es gegen 12 und 19 Uhr schwarzen Rauch. Weißen Rauch gibt es um diese Uhrzeiten, wenn im 3. oder 5. Wahlgang ein Kandidat die 2/3-Mehrheit schafft. Ist das im 2. oder 4. Wahlgang der Fall, ist gegen 10.30-11.00 Uhr bzw. 17.30-18.00 Uhr mit weißem Rauch zu rechnen. Live gibt es den Schornstein ab morgen Vormittag auf heute.de.

Neuigkeiten weiter auf heute.de

Die Tür ist geschlossen. Nach dem feierlichen Einzug der Kardinäle in die Sixtinische Kapelle beginnt nun die Wahl des Nachfolgers Benedikt XVI. fernab der Öffentlichkeit. 

Nachrichtenticker, Tweets unserer ZDF-Reporter und Livestreams: Verfolgen Sie das Konklave online bei heute.de Weitere Hintergründe gibt es auch bei papst.zdf.de

Es ist angerichtet!

Im Vatikan ist alles bereitet. Das Konklave kann beginnen, zumindest logistisch. Das Gästehaus Santa Marta und die Sixtinische Kapelle sind mit einem Schutzschirm umgeben; die Helfer wurden am Abend vereidigt und die mittlerweile über 5.600 Medienvertreter stehen parat. Ob allerdings auch die Kardinäle bereits sind, ist nicht so ganz klar. Wie schon seit Tagen wurde bis heute Abend betont: Das Rennen ist offen. Wohl kaum ein Kardinal geht davon aus, dass die Papstwahl wie beim letzten Mal nur 26 Stunden und vier Runden dauern könnte.

Störsender auf dem Dach des Gästehauses Santa Marta

Gewiss ist erst einmal nur, dass es morgen losgeht. Am Morgen mit dem Gottesdienst, dem der Kardinaldekan Angelo Sodano vorsteht. Da er 85 Jahre alt ist, wird er aber nicht dabei sein, wenn am Nachmittag ab 16.30 Uhr die 115 Wähler feierlich in die Sixtinische Kapelle einziehen. Daher ist zu erwarten, dass die „graue Eminenz“, die auch nach ihrem Rücktritt vom Amt des Kardinalstaatssekretärs im September 2006 hinter den Kulissen weiter kräftig Strippen gezogen hat, seinen Mitbrüdern noch einmal eine klare Botschaft mit auf den Weg geben wird. Sodano möchte auch künftig mitmischen. Und hat daher seinen Adlatus, Kardinal Giovanni Battista Re sicher gut instruiert. Re (als der ranghöchste Kardinalbischof wird an seiner statt dem Konklave vorstehen. Auch Kardinal Jean-Louis Tauran, der unter Sodano 13 Jahre vatikanischer Außenminister war, scheint von Sodano instruiert worden zu sein; oder zumindest hat er es versucht. Am Samstagmorgen fuhren beide im selben Wagen vor, als es zur Generalkongregation ging. Kamen sie da vom gemeinsamen Frühstück?

Gegen 12.30 Uhr ging heute die letzte Generalkongregation zu Ende – die insgesamt zehnte. 28 Redebeiträge gab es noch einmal (insgesamt damit 161). Das zeigt, dass eigentlich doch noch ordentlich Redebedarf war; auch wenn der Pressesprecher des Vatikans erklärte, alle, die gewollt hätten, seien zu Wort gekommen. Wenn man aber vergleicht, dass in den letzten Kongregationen meist nur rund 16 Leute gesprochen haben, passt das nicht ganz zusammen. Zumal heute auch noch der Chef der Kardinalskommission für die Vatikanbank IOR, Kardinal Tarcisio Bertone, einen Bericht zur Situation des IOR, der internationalen Finanzkontrolle und der EU-Fachkommission gegen Geldwäsche Moneyval vorlegte, sozusagen auf den letzten Drücker. Laut Lombardi habe die Vatikanbank mit der Papstwahl nichts zu tun, und es sei daher auch kein Problem, dass der Bericht erst heute vorgelegt wurde. Das Ganze sieht aber doch eher nach Absicht aus. Die Rednerliste für heute war längst voll, als Bertone redete. D.h. eine Erwiderung und Nachfragen waren damit ausgeschlossen.

Auch die Loggia ist bereit für den ersten Auftritt des neuen Papstes.

Die Unzufriedenheit war in der letzten Woche ja schon groß, als die Berichte der drei anderen Behörden, die mit Finanzgeschäften zu tun haben, vorgelegt wurden (APSA, Governatorat und Wirtschaftspräfektur). Auch da gab es keine Chance zum nachhaken. So bleibt ein schaler Beigeschmack bei der ganzen Aktion „Vorkonklave“. Erinnert sei auch noch einmal an das Schweigegebot für die Kardinäle. Die sind dann seit Mitte vergangener Woche auch tatsächlich immer mehr verstummt; was umgekehrt zu immer heftigeren Spekulationen in den Medien führte. Gut – ab morgen ist dann eh’ Schluss. Die Kardinäle leben hinter Schloss und Riegel und werden uns dann in einigen Tagen eventuell eine Überraschung präsentieren. Denn nach wie vor rechnen viele mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Kardinälen Scola und Scherer. Dahinter bleibt das Rennen offen, wenn sich die beiden blockieren. Neben den gewohnten Namen für die zweite Reihe, Schönborn, Erdö, Maradiaga, Ouellet und O’Malley taucht nun plötzlich ein neuer Name auf: der Erzbischof von Guadalajara, Francisco Robles Ortega. Ein bislang unscheinbarer Mann. Der 63-Jährige hatte vor einigen Tagen eine „offenere und globalisierte Vision der Kirche“ gefordert, sagte zugleich aber auch, dass das Nein der Kirche zur Homo-Ehe, Abtreibung und Frauenpriestertum unverhandelbar sei. Mit diesen Positionen könnte er durchaus Stimmen von Reformern und Bewahrern sammeln. Aber ob es zur 2/3-Mehrheit reicht!?

Unterdessen sind heute die Konklave-Helfer vereidigt worden. Das sind rund 90 Personen darunter Beichtväter, Ärzte, das Küchenpersonal und der Busfahrer, der die Kardinäle zwischen Unterkunft und Sixtinischer Kapelle chauffiert. Sie alle müssen schweigen über das, was sie in den nächsten Tagen sehen und hören; sonst droht die Exkommunikation. Ein kleines Problem gibt es gleich zu Beginn des Konklaves. Es steht den Kardinälen nämlich frei, ob sie morgen am späten Nachmittag nach dem Einzug in die Sistina noch den ersten Wahlgang machen oder nicht. Das entscheiden sie erst nach Verriegelung der Türen. Doch Vatikansprecher Lombardi hat sich etwas einfallen lassen, um sicherzustellen, dass die versammelte Weltpresse nicht vergeblich auf ein Rauchsignal wartet, das es bei einem durchgeführten Wahlgang gegen 20 Uhr geben müsste. Es wurden „Spione“ aufgestellt, die beobachten, wann die Kardinäle zum Essen ins Gästehaus Santa Marta zurückkommen. An der Uhrzeit wird man dann erkennen, ob gewählt wurde oder nicht. Mit weißem Rauch rechnet morgen Abend eh’ niemand. Umgekehrt aber mit einem ersten Wahlgang, der den Kardinälen eine erste Orientierung gibt, wohin die Reise ab Mittwochmorgen gehen könnte. Ab dann gibt es täglich vier Wahlgänge, je zwei am Vormittag und zwei am Nachmittag – bis Freitag. Dann käme der schon einmal erwähnte Ruhetag. Doch so weit, denkt hier in Rom zur zeit noch niemand.

ZDF-Studio über den Dächern von Rom

P.S. Wir senden hier aus Rom live am Dienstag, 12.3. ab 9.45 Uhr den Gottesdienst „Pro eligendo Romano Pontifice“ sowie ab 16.15 Uhr den Einzug ins Konklave. Heute – Montag – Nacht gibt es bereits ab 0.05 Uhr die Diskussion „Welchen Papst braucht die Kirche?“

(Un-)Ruhetag

Heute fanden keine Kardinalsversammlungen statt. Dafür feierten viele Purpurträger in ihren römischen Titelkirchen Gottesdienste – teilweise begleitet von einem riesigen Medienaufgebot bei den aussichtsreichsten Papabili wie dem Italiener Angelo Scola, dem Brasilianer Odilo Scherer und dem US-Amerikaner Sean O’Malley. Das war aber nicht der einzige Grund, warum der Ruhetag zum Unruhetag wurde. Die privaten Treffen und Gespräche unter den Kardinälen wurden übers Wochenende intensiviert. Verzweifelt wird noch immer nach „dem“ geeigneten Kandidaten gesucht. Noch mischen auch die über 80-Jährigen kräftig mit wie der Dekan des Kardinalskollegiums, Angelo Sodano, oder der langjährige Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz, Camillo Ruini.

Kardinal Sean O'Malley (r) - der nächste Papst?

Um die afrikanischen Kandidaten ist es in den letzten Tagen etwas ruhig geworden. Allen voran Kardinal Peter Turkson. Seit er vor zwei Wochen in einem Fernsehinterview erklärte, Missbrauch durch Priester könne in Afrika nie zu einem großen Problem werden, da die dortige Kultur Homosexualität ablehne, sind seine Chancen gesunken. Schon während der letzten Bischofssynode im vergangenen Herbst war er durch ein Video aufgefallen, das die angeblichen Gefahren durch den erstarkten Islam in Europa zeigte. Die Vorführung hatte unter den Synodenvätern zu empörten Reaktionen geführt. Umgekehrt erntete der 64 Jahre alte Leiter des Päpstlichen Rats für Justitia et Pax in den vergangenen Jahren immer wieder Lob für seine Äußerungen zur Finanzkrise und seine Kritik an neoliberalen Positionen. Turkson ist, wie etwa auch sein nigerianischer Amtsbruder John Onaiyekan, ein profilierter Sozialethiker, erfahren im Dialog mit anderen Religionen, vor allem dem Islam. Theologisch sind beide allerdings konservativ. Bei Themen wie der bereits angesprochenen Homosexualität oder der Rolle der Frau sehen sie keine Notwendigkeit für Reformen der katholischen Positionen. Es ist zu erwarten, dass ein Papst aus Afrika in vielen Punkten die konservative Ausrichtung der letzten beiden Pontifikate fortsetzen würde.

Doch was gibt es für eine Alternative? Kardinal Marc Ouellet, zuletzt einflussreicher Chef der Bischofskongregation. D.h. er ist an der Ernennung eines Großteils der Bischöfe weltweit entscheidend beteiligt. Der Kanadier arbeitete einige Jahre als zweiter Mann unter Kardinal Walter Kasper im vatikanischen Ökumenerat, bevor er dann von 2002 bis 2010 Erzbischof von Quebec war. Er bringt also sowohl pastorale als auch kuriale Erfahrung mit. Der 68-Jährige leitete für zehn Jahre ein Priesterseminar in Kolumbien. D.h. es gibt auch einen Link nach Lateinamerika. Er ist ein Vertrauter Benedikts XVI. Der schickte ihn immer wieder in heikler Mission. Etwa als es einen Bußgottesdienst am Rande eines Kongresses zum Thema Missbrauch in Rom gab; oder als Gesandten zum Internationalen Eucharistischen Kongress im irischen Dublin im vergangenen Jahr. Das war keine leichte Aufgabe; steht die katholische Kirche dort doch wegen des Missbrauchsskandals unter großem Druck. Ouellet spricht viele Sprachen, darunter auch Deutsch. Er ist eigentlich der ideale Mann. Wirklich? Kritiker werfen ihm vor, es fehle ihm an Durchsetzungsvermögen und Managementfähigkeiten. Es wird bezweifelt, dass er die Kurie in den Griff bekommt. Ouellet gilt als konservativer Intellektueller. Auch er würde wohl im Großen und Ganzen die Linie Joseph Ratzingers fortführen. Auf die Frage eines Journalisten, wie er seine Rolle als Papabile sehe, meinte Ouellet, er sei auf alles vorbereitet. Das kostete ihm bei seinen Mitbrüdern einige Sympathien.

Verstimmung gibt es durchaus auch bei einigen Kardinälen über den Ablauf der vergangenen Woche. Wie schon geschildert, gab es eigentlich keine Möglichkeit, in den Kardinalsversammlungen zu einer echten Diskussion zu kommen. Die Redebeiträge wurden in der Reihenfolge der Anmeldung abgearbeitet; eine direkte Erwiderung war nicht möglich. Unliebsame Redebeiträge wurden bisweilen vom Kardinaldekan mit einem schnellen „Grazie Eminenza“ quittiert und der nächste Redner aufgerufen. Zwar wurde Kardinaldekan Sodano ja zur Verbesserung der Kommunikation aufgefordert. Doch passiert ist nichts. Das legt den Schluss nahe, dass eine solche Diskussion vielleicht auch gar nicht gewollt war. Man gab Offenheit vor; verhinderte aber allzu kontroverse Gespräche. War das die Strategie der beiden Führungspersonen in der Sedisvakanz, Kardinaldekan Angelo Sodano und Camerlengo Tarcisio Bertone? Letztendlich sind beide Kuriale; allzu heftige Kritik hätte sie wohl auch beide getroffen. Denn Vieles, was in der Amtszeit Benedikts XVI. an die Oberfläche kam bzw. zu Krisen und Skandalen führte, hatte seine Wurzeln in früheren Pontifikaten –  etwa die Probleme mit den Vatikanfinanzen, der Skandal um den Gründer der Legionäre Christi, Marcial Maciel, etc. Auch wenn Sodano und Bertone keine großen Freunde sind, an dieser Stelle haben sie gemeinsame Interessen. Ob es soweit reicht, dass sie nachher im Konklave einen gemeinsamen Kandidaten ist unwahrscheinlich. Sodano zieht ja selbst nicht ins Konklave ein. D.h. wenn es dort zu längeren Verhandlungen kommt, hat er keinen Einfluss mehr. Dann muss sein Vertreter, Kardinal Giovanni B. Re seine Interessen vertreten. Re hatte lange Zeit unter dem damaligen Kardinalsstaatssekretär Sodano den Posten des Substituten, also des Innenministers, inne. Aus dieser Zeit bestehen enge Bande. Ihr Kandidat soll Odilo Scherer sein. Ob das die Chancen des Brasilianers mindert oder steigert, ist ungewiss. Freunde Scherers betonen auf jeden Fall seine Unabhängigkeit von kurialen Seilschaften. Das Kräfteringen ist in vollem Gang.

Die Gläubigen, die heute auf dem Petersplatz zum zweiten Mal einen Sonntag ohne Mittagsgebet des Papstes erlebt haben, hoffen, dass in einer Woche der neue Pontifex gewählt ist und wie gewohnt den Angelus betet. Angesichts der offenen Situation ein frommer Wunsch; doch sicher nicht ganz unbegründet. Sollte bis nächsten Sonntag kein neuer Papst im Amt sein, bedeutete dies 13 erfolglose Wahlgänge. Das wäre das längste Konklave seit über 180 Jahren – und 11 Papstwahlen. Nicht auszudenken!

Endspurt im Vorkonklave

Die Kardinäle sind auf der Zielgeraden. Heute Morgen fand die vorletzte Generalkongregation statt. Jetzt wird übers Wochenende noch heftig hinter den Kulissen gerungen und nach Koalitionen gesucht. Nationale Blöcke gehören allerdings eher der Vergangenheit an. Heute verlaufen die Grenzen eher nach inhaltlichen Fragen bzw. dieses Mal auch der Frage nach Ratzingerianer oder nicht. Wobei diese Kategorie auch schon wieder ein Doppeltes beinhaltet. Ratzingerianer sind einerseits die, die Benedikt XVI. inhaltlich, theologisch nahe stehen wie etwa Schönborn, Scola oder Ouellet; andererseits sind es aber auch jene, die Ratzingers „Reinigung“ der Kirche und der Kurie unterstützten und fortsetzen wollen. Interessant ist, dass Schönborn, Scola und Ouellet – alle drei zählen zu den Papabile – eng miteinander befreundet sind – seit vielen Jahren. Sie haben unter anderem gemeinsam für die Zeitschrift Communio gearbeitet. Mitbegründer der Zeitschrift war übrigens Joseph Ratzinger. Communio gilt als die Zeitschrift derer, die das II. Vatikanische Konzil eher „konservativ“ auslegen. Machen die drei Ratzingerschüler gemeinsame Sache? Machen sie den neuen Papst unter sich aus? Jedem von ihnen werden derzeit Chancen zugerechnet. Werden sie sich vereinen, um einen aus ihrer Mitte zum Nachfolger Benedikts zu machen?

115 Wähler - 115 Papabili

Es ist keine leichte Wahl. Einen geborenen Nachfolger scheint es nicht zu geben; anders als 2005. Damals war für viele klar. Joseph Ratzinger soll das fortsetzen, was Johannes Paul II. über mehr als zwei Jahrzehnte gemacht hatte. Ratzinger hatte ja die meiste Zeit an der Seite Wojtylas gearbeitet. Der Bayer hatte das Pontifikat des Polen theologisch entscheidend mitgeprägt. Ratzinger setzte den Kurs Johannes Pauls in vielen Bereichen fort. Das ist jetzt anders. In diesem Sinne geht damit auch eine Ära zu Ende; ist die anstehende Wahl auch eine Schicksalswahl. Wohin soll der Weg der Kirche künftig gehen? Dass alte Denkmuster heute nicht mehr tragen zeigt etwa die Rolle des italienischen Kardinal Camillo Ruini. Als langjähriger Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz und Kardinalvikar des Bistums Roms war er ein treuer Weggefährte der beiden letzten Päpste. Dennoch gehörte er im Vorkonklave zu denen, die eine flammende Rede für einen jungen, dynamischen und vor allem charismatischen Papst gehalten haben.

Aber wer kann das sein? Viele nennen den US-Amerikaner Timothy Dolan als möglichen Kandidaten. Der 63-Jährige vertritt konservative Werte; verzaubert mit seinem Lachen die Menschen, hat keine Berührungsängste gegenüber den Medien. Doch ist die Zeit reif für einen US-amerikanischen Papst? Vor allem Kirchenvertreter aus Asien und Afrika sind davon nicht so überzeugt. Gerade in der arabischen Welt könnte ein „Yankee“ auf dem Stuhl Petri die Situation der Katholiken erschweren. Und auch mit Blick auf die Katholiken in China warnen manche vor der Wahl eines US-Kardinals. Trotzdem wird neben Dolan stets auch sein Amtsbruder Sean O’Malley genannt. Der 68-Jährige ist Erzbischof in Boston. Er hat dort nach den Missbrauchsfällen, die zu Beginn des Jahrtausends in großer Zahl bekannt geworden waren, mit eiserner Hand aufgeräumt. Mittlerweile hat die Kirche dort wieder Fuß gefasst; steigen die Zahlen der Priesterberufungen wieder. O’Malley weiß die Hispanos Amerikas hinter sich; ist damit gleichsam eine Brücke zwischen den beiden Amerikas. O’Malley ist Kapuziner; das könnte eventuell den „Amerikaner“ schlagen und ihn damit zum Papabile machen. Allerdings sehen manche kritisch, dass er zu sehr auf das Thema Missbrauch fokussiert ist bzw. in der Öffentlichkeit so wahrgenommen wird.

Kurienerfahrung bringen übrigens beide Amerikaner keine große mit. Dabei war der Zustand der Zentrale auch heute wieder Thema in der Generalkongregation. Der neue Papst sollte also den Apparat etwas kennen; allerdings darf er auch nicht zu sehr mit ihm verbandelt sein. Es scheint die berühmte Quadratur des Kreises zu sein, die die Kardinäle ab Dienstag leisten müssen. Denn dann geht es los. Ab 7.00 Uhr heißt es Einrücken ins vatikanische Gästehaus Santa Marta. Um 10 Uhr beginnt der Gottesdienst „pro eligendo romano pontifice“ im Petersdom. Mittagessen gibt es in Santa Marta. Um kurz vor 16 Uhr werden die Kardinäle dann zum Apostolischen Palast gebracht. Von der Cappella Paolina ziehen sie dann ab 16.30 Uhr in feierlicher Prozession in die Sixtinische Kapelle ein. Dort legen sie den Eid ab. Gegen 17.30 Uhr wird das „Extra omnes“ erwartet. Dann schließt der Päpstliche Zeremonienmeister Guido Marini die schwere Holztür der Sistina; das eigentliche Konklave beginnt. Zunächst hält Kardinal Prosper Grech (87) noch eine Meditation. Danach verlassen auch er und die Zeremoniäre die Kapelle. Der erste Wahlgang findet statt. 2005 gab es dann gegen 20 Uhr das erste Rauchzeichen. Wie schon vor acht Jahren ist mit schwarzem Rauch zu rechnen. An den darauffolgenden Tagen finden vormittags und nachmittags jeweils zwei Wahlgänge statt. Sollte in den ersten 13 Wahlgängen bis Freitagabend kein Kandidat die 2/3-Mehrheit auf sich vereinen können, gibt es einen Tag Pause für Gebet und Gespräch. Vatikansprecher Federico Lombardi zeigte sich heute zuversichtlich, dass es so weit nicht kommen wird. Sieht der Jesuit vielleicht doch bereits einen klaren Favoriten? Unter Experten zeichnet der sich allerdings bisher nicht ab. Bei den Kardinälen übrigens dem Vernehmen nach auch nicht.

Habemus datam

Endlich ist es raus, das Datum für den Beginn des Konklaves. Am Dienstag, 12. März startet die Wahl für den 265. Nachfolger des Apostels Petrus. Einen klaren Favoriten gibt es vier Tage vor der Wahl allerdings noch nicht. Scola und Scherer sind in diesen Tagen zwei heiß gehandelte Namen. O’Malley und Schönborn stehen aber auch bei vielen hoch im Kurs, während der Stern der Afrikaner und Asiaten gerade wieder eher am Sinken ist. Doch das kann sich ganz schnell wieder ändern. Das Konklave entwickelt seine ganz eigene Dynamik. Viele gehen davon aus, dass trotz der recht langen Vorlaufzeit von 12 Tagen und dann 10. Generalkongregationen, der weiße Rauch doch erst am dritten oder vierten Tag aufsteigen könnte.

Papabile: Kardinal Odilo Scherer

Aber auch diese Prophezeiungen könnten sich ganz schnell in Schall und vor allem Rauch auflösen, wenn sich plötzlich im zweiten oder dritten Wahlgang die Stimmen unerwartet auf einen (Überraschungs-) Kandidaten hin konzentrieren. Am Wochenende werden nun noch einmal wichtige Gespräche geführt. So manches Essen wird gegeben in den verschiedenen Häusern der nationalen Bischofskonferenzen in Rom und in den nationalen Priesterseminaren, in denen viele Kardinäle untergekommen sind. Dabei sprechen sie oft weniger darüber, wen man wählen könnte, als vielmehr, warum ein bestimmter Kandidat weniger geeignet ist. Ähnlich dem alten vatikanischen Prinzip, nachdem weniger die Anwesenheit einer Person registriert wird, als vielmehr ihre Abwesenheit.

Bei den Themen, die in den mittlerweile über 100 Redebeiträgen angesprochen werden, ist immer wieder die Kurie und das Verhältnis zu den Bischofskonferenzen dabei. Dies scheint doch vielen Kardinälen unter den Nägeln zu brennen. Das geht soweit, dass ganz konkrete Vorschläge für eine Kurienreform gemacht werden. Dabei werden keine großen neuen Ideen präsentiert, sondern Punkte, die bereits seit Jahren immer wieder gefordert werden wie etwa die Einrichtung von regelmäßigen Kabinettssitzungen oder etwa die Möglichkeit, dass der Papst sich mit einem festen Beraterstab umgibt, und den Ausbau des Prinzips der Kollegialität. Weitere Themen waren heute unter anderem die Rolle der Frau, der interreligiöse Dialog sowie Fragen der Gerechtigkeit und aus dem Bereich Bioethik. Besonders beeindruckt hat übrigens einige Kardinäle der Vortrag des Münchner Erzbischofs Kardinal Marx. Worüber er gesprochen hat, war allerdings nicht herauszubekommen.

Heute Morgen wurden die Abwesenheitsgründe der beiden Kardinäle O’Brien von Edinburgh und Darmaatmandja aus Indonesien vom Kardinalskollegium offiziell angenommen. Damit steht fest, dass 115 Kardinäle ins Konklave einziehen werden; wenn nicht noch einem der Papstwähler etwas zustößt. Am Montag werden sie dann ins vatikanische Gästehaus einziehen. Die Zimmer werden ausgelost, da es unterschiedliche Typen und Größen gibt. Für den neuen Papst ist eine Suite vorbereitet, in der er die ersten Tage wohnen kann, bevor er in die Papstwohnung im Apostolischen Palast einzieht. Die Suite hat Empfangsräume, die der neue Pontifex auch dringend brauchen wird. Denn es müssen in der Zeit nach der Wahl wichtige Entscheidungen fallen. So steht etwa die Personalie „Kardinalstaatssekretär“ an. Auch wenn der Name Bertone in den Generalkongregationen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht ausgesprochen wurde, ist doch klar, die harsche Kritik an der Situation der Kurie bzw. die Reformforderungen zielen am Ende natürlich auf seine Person ab. Ein neuer Papst wir gut beraten sein, sich möglichst schnell einen neuen Staatssekretär zu suchen. Je länger er damit zögert, umso schwieriger wird es werden, wirklich Veränderungen durchzuführen.

Bis zum Konklavebeginn wollen die Purpurträger weiter am Profil für den neuen Papst arbeiten. Charismatisch, spirituell und mit Durchsetzungskraft gepaart mit dem Verständnis für unterschiedliche Kulturen und einen Blick für die sozialen Probleme in der Welt sowie der Kenntnis mehrerer Sprachen. So in etwa sieht das Profil aus. Und wer passt darauf? Angesichts der Probleme im letzten Pontifikat, wird in diesen Tagen nicht nur über die Anforderungen an den neuen Papst gesprochen, sondern vor allen Dingen auch über das Profil des zweiten Manns in der katholischen Kirche. Zwar verbietet das Wahlrecht ein so genanntes „Ticket“, d.h. eine Festlegung des möglichen neuen Papstes auf einen Kardinalstaatssekretär bereits vor der Wahl. Doch am liebsten wäre es vielen Kardinälen, wenn die Papabili schon jetzt Farbe bekennen würden, wenn sie wählen. In den Medien werden immer wieder Namen von möglichen Anwärtern auf den Posten des Alter Ego genannt. Dazu zählen etwa Kardinal Mauro Piacenza, ein Hardliner, und Kardinal Leonardo Sandri. Der machte in den letzten Jahren eine vielseits anerkannte Arbeit als Chef der Ostkirchenkongregation. Doch zuvor war er Innenminister des Vatikans unter Kardinalstaatssekretär Sodano und Johannes Paul II. Auch aus dieser Zeit hört man viel Gutes über den gebürtigen Argentinier Sandri. Doch was wusste er etwa über die Machenschaften des Gründers der Legionäre Christi Maciel? Ein dunkles Kapitel in der Wojtyla-Ära, das noch nicht aufgearbeitet ist. Diese und andere Fragen schmälern auch Sandris eigene Chancen auf den Papstthron.

Hier steht nach wie vor der Italiener Angelo Scola hoch im Kurs. Der 71-Jährige war vor seiner Zeit als Erzbischof von Mailand Patriarch von Venedig. Aus beiden Städten gingen in der jüngeren Vergangenheit gleich mehrere Päpste hervor. Scola ist polyglott. Er ist einer der wenigen italienischen Kardinäle, die international bekannt sind und gilt als ein Mann des Dialogs. So hat er etwa ein Zentrum für den Kontakt mit dem Islam gegründet. Die Kurie in Mailand hat er in kurzer Zeit mit harter Hand umgekrempelt. Seine Nähe zur italienischen Bewegung Communione e Liberazione könnte allerdings ein Nachteil sein. Zwar hat er sich in den letzten Jahren stark distanziert. Doch trotzdem besteht die Gefahr, dass mit Scola Vatikanisches und italienische Politik wieder mehr vermengt werden. Zudem ist die Frage, ob die Kardinäle überhaupt einen Italiener auf dem Stuhl Petri möchten.

Dann könnte die Stunde des Odilo Scherer schlagen. Der Erzbischof von Sao Paolo bringt einige Jahre Kurienerfahrung mit; ist allerdings seit langer Zeit zurück in seiner brasilianischen Heimat. Dort war er Sekretär der größten Bischofskonferenz der Welt mit mehreren Hundert Bischöfen. Seit 2007 leitet der 63-Jährige die Diözese in der Millionenmetropole. Er ist Mitglied in mehreren wichtigen vatikanischen Dikasterien, unter anderem im Kardinalsrat der Vatikanbank IOR. Die Nähe der Kirche zu den Armen und den sozialen Problemen der Menschen ist dem manchmal etwas kühl wirkenden Scherer wichtig. Vieles in seinem Denken und Wirken erinnert an die in den 80er Jahren vom Vatikan heftig bekämpfte Befreiungstheologie, obwohl er eine Nähe dazu stets zurückweist. Italienische Medien versuchten ihm heute eine Nähe zu Kardinal Bertone anzudichten. Das ist in diesen Tagen gefährlich; denn Bertone gilt nicht gerade als Liebling unter den Purpurträgern. Doch ob dieses durchsichtige Manöver Früchte zeigen wird, ist sehr fraglich.

Die italienischen Kollegen sehen in den ersten Runden des Konklaves auch einen Zweikampf zwischen Scola und Scherer. Auch da sind Zweifel angebracht, ob es wirklich zu dieser Alternative kommt. Noch ist das Rennen offen: O’Malley, Schönborn und Ouellet werden immer noch gehandelt. Über die afrikanischen Kandidaten wird in den letzten Tagen weniger gesprochen; auch die Asiaten. Doch dazu in den nächsten Tagen mehr.

P.S. Am Montagabend, 11.3. um 00.05 Uhr gibt es übrigens eine Diskussion im ZDF: Welchen Papst braucht die Kirche? Mit dabei sind Julia Klöckner, Pirmin Spiegel (Misereor) und Gabriele Kuby. Das wird spannend, am Vorabend des Konklaves.