Sperrminorität der Bischöfe stürzt Synodalen Weg in Krise

Mit einem Paukenschlag ist die vierte Vollversammlung des Synodalen Wegs in Frankfurt gestartet. Der Text zur Sexualethik erreichte zwar die Zustimmung von über 80 Prozent der Gesamtversammlung, erzielte aber nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit der Bischöfe. Dieses Ergebnis führte zu großer Enttäuschung unter der Mehrheit der Laien und Ratlosigkeit bei vielen der 33 Bischöfen (61%), die dem Text zugestimmt hatten. Unmut wurde laut, dass sich die Gegner von Reformen unter den Bischöfen nicht im Vorfeld der Abstimmung öffentlich positionierten. In vielen Wortmeldungen der Laien wurde deutlich, dass sie sich nicht ernst genommen fühlen angesichts des Schweigens vieler Bischöfe und deren Nichtbeteiligung in der Gruppenphase. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, sprach von „persönlicher Enttäuschung“. Der Synodale Weg sei in einer „krisenhafte Situation“. Das Abstimmungsergebnis sei ein „Ergebnis der Bischöfe“. Irme Stetter-Karp, die Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, erwarte, dass die Bischöfe zu ihrer Meinung stehen. Am Abend zogen sich die Bischöfe und die Laien zu getrennten Beratungen darüber zurück, wie die Versammlung am Freitag weitergehen soll.

Synodale protestieren, nachdem der Text zur Sexualethik die Zweidrittelmehrheit der Bischöfe knapp verfehlt. (Quelle: Erbacher)

War Ablehnung absehbar?

Allen Beteiligten des Synodalen Wegs war klar, dass früher oder später ein Text an der notwendigen Mehrheit der Bischöfe scheitern wird. Dass es allerdings gleich der erste Text der vierten Vollversammlung sein wird, überraschte am Freitag doch viele Anwesende. Es ging um den Grundlagentext „Leben in gelingenden Beziehungen – Wegmarken einer erneuerten Sexualethik“. Er steht für eine neue Sicht in der katholischen Sexualmoral. Ulrich Hoffmann vom Familienbund der Katholiken begrüßte im Vorfeld der Abstimmung den Text. Er nehme Paare und Familie ernst. „Diese wissen, wie sie ihre Beziehung gestalten müssen.“ Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sprach von einem notwendigen Perspektivwechsel. Dieser führe nicht zur Freizügigkeit, sondern in eine verantwortliche Sexualität. Entsprechend zeigte sich der Münchner Erzbischof nach der Abstimmung enttäuscht.

Was an diesem Freitag passierte, ist nichts Ungewöhnliches, wenn man Synodalität ernst nimmt. Von Anfang an war klar, dass die Bischöfe eine Sperrminorität haben. Daher nimmt derjenige den Prozess nicht ernst, der wegen einer Entscheidung, die der Mehrheitsmeinung der Laien entgegensteht, den gesamten Synodalen Weg in Frage stellt. Es nehmen aber auch die den Prozess nicht ernst, die sich nicht in die Diskussionen und die Forenarbeit einbringen. Dies war offensichtlich bei vielen Bischöfen bisher der Fall, vor allem bei den Vertretern der Minderheitenmeinung. Die Regie der Versammlung wird sich fragen lassen müssen, ob sie hätte erkennen müssen, dass die Zweidrittelmehrheit der Bischöfe nicht erreicht wird und man den Text besser in eine dritte Lesung verwiesen hätte. Die Geschäftsordnung sieht das vor. Waren es am Ende die Weihbischöfe, die zu den 21 Nein-Stimmen führten? Das könne gut sein, so ein Diözesanbischof. Er zeigte sich überzeugt, dass unter den Ordinarien eine Zweidrittelmehrheit zustande gekommen wäre.

Graben zwischen Bischöfen und Gläubigen

Der Frust ist am Donnerstagabend groß bei denjenigen, die sich Veränderungen in der katholischen Kirche wünschen. Dazu gehören die Laien und 33 der 57 Bischöfe. Die Benediktinerin Philippa Rath äußerte die Befürchtung, dass sich die Spaltung zwischen Bischöfen und Gläubigen weiter vertiefen werde. „Die Nein-Stimmer werden weiter an Autorität verlieren. Viele werden sich abwenden, weil sie nicht mehr verstanden werden, weil die Bischöfe nicht mehr bei ihnen sind“, so das Fazit der Ordensfrau. Die Kritiker des Weges hatten von Anfang an davor gewarnt, dass Hoffnungen geweckt würden, die nicht zu erfüllen seien und die Enttäuschung unter den Gläubigen am Ende umso größer sein werde. Dass der Frust auch groß ist, wenn sich nichts ändert, ficht die Kritiker von Reformen nicht an.

Die Ablehnung des Handlungstextes zur Sexualethik ist die erste große Bewährungsprobe des Synodalen Wegs. Bisher liefen die drei Vollversammlung nahezu reibungslos. Jetzt muss sich zeigen, ob wirklich eine große Mehrheit der Bischöfe Reformen will oder ob die Befürworter in ihren Reihen sich bisher in einer falschen Sicherheit wiegten und sie die ganze Zeit mit einem ungedeckten Scheck unterwegs waren. Die Ablehnung des Textes am Donnerstag führte zu Frust nicht nur bei einem großen Teil Synodalen. In den sozialen Netzwerken äußerten viele ihre Enttäuschung über das Abstimmungsergebnis. Ob und wie es am Freitag weitergeht in Frankfurt, war am Donnerstagabend offen. Zumal weitere umstrittene Texte in zweiter Lesung zur definitiven Abstimmung anstehen zu „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“, die Einrichtung eines „Synodalen Rats“, in dem Bischöfe und Laien gemeinsam verbindlich über Grundfragen der Geschicke der Kirche in Deutschland beraten sollen, sowie ein Text zur Abschaffung des Pflichtzölibats.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

9 Kommentare

  • Renard
    08.09.2022, 22:38 Uhr.

    Als homosexueller, gläubiger Christ bin ich bis ins Mark getroffen und sprachlos.

    Ich verstehe, dass man in Deutschland nichts alleine entscheiden kann. Aber ich hatte so gehofft, dass positive Impulse in den weltweiten synodalen Prozess gegeben werden könnten.

    Und was passiert mit echter, aufrichtiger Aufarbeitung der vielen Missbräuche und notwendiger Wiedergutmachung und Prävention?

    Ich ringe buchstäblich jeden Tag mit mir, inwieweit ich meine Kirchensteuer moralisch noch rechtfertigen kann. Das Verhalten mancher Bischöfe heute hat mir diese Entscheidung nicht leichter gemacht…

  • Wanda
    09.09.2022, 3:39 Uhr.

    Nun, 80% gesamt und Mehrheit von 61%der Bischöfe langen nicht. Und trotzdem treten Päpste vor der UN-Vollversammlung und nationalen Parlamenten auf und fordern die Verwirklichung der Menschenrechte (ua. Demokratie), die sie selbst ihren Gläubigen aber nicht gewähren. Ach ja, die geistlichen Herren in den langen Kleidern …“Hütet euch vor den Schriftgelehrten, die gern in langen Kleidern gehen… und sitzen gerne obenan in den Synagogen (Kirchen)“… Mark. 12.38-39; Matth. 23.5-14; Luk. 20.45-47

    • Novalis
      10.09.2022, 5:13 Uhr.

      Bitte wissenschaftlich korrekt zitieren: Mk 12,38f.; Mt 23,5-14; Lk 20,45-47. Kapitel und Verse werden korrekt durch Kommata getrent, für die Abkürzungen hat man sich an die Loccumer Richtlien zu halten.

      • Jürgen Erbacher
        Jürgen Erbacher
        10.09.2022, 9:32 Uhr.

        Bei diesem Blog handelt es sich nicht um ein wissenschaftliches Blog.

        • Novalis
          10.09.2022, 14:07 Uhr.

          Wanda gibt sich aber als in der Wissenschaft Theologie kundig aus.

      • Wanda
        10.09.2022, 17:56 Uhr.

        @Novalis 10.09. 5:13
        – Bitte zur Kenntnis nehmen: meine Zitate stammen auch mit den Satzzeichen korrekt aus der Bibelfassung der evangelischen Kirche in Deutschland von 1964. Diese erhielt ich bei meiner Trauung als Katholik mit einer Frau, die der evangelischen Kirche angehörte. Ein Skandal, der sich natürlich auch auf die Satzzeichen auswirkt. Ernst gemeinte Frage: Sind Sie Christ ?

  • Dr. Johannes Hintzen/Freital/Sachsen
    09.09.2022, 15:37 Uhr.

    An der Umfrage der Deutschen Bischofskonferenz zum synodalen Prozess vor zwei Wochen haben weniger(!) als 5%(!) der deutschen Katholiken teilgenommen. An der oben in der Nachricht erwähnten Abstimmung hat rund 1/3 der Bischöfe nicht(!) teilgenommen. Klarer kann man nicht belegen, dass der „synodale Weg“ keinerlei Anspruch erheben darf, für die Katholiken in Deutschland zu sprechen. Je eher dieses Selbstgespräch des synodalen Weges und seine Scheinaktualität ein Ende hat, um so besser. Dann kann sich die Kirche wieder ihren tatsächlichen Problemen widmen.

  • Erasmus
    09.09.2022, 16:22 Uhr.

    GEGEN DIE MACHT DER HIERARCHIE IST SCHEINBAR KEIN KRAUT GEWACHSEN
    Nach der erschütternden MHG-Studie 2018 haben sich Bischofskonferenz und Zentralkomitee der Katholiken zusammengetan, um auf einem synodalen Weg nach überzeugenden Antworten auf ubiquitäre SEXUELLE GEWALT in der Katholischen Kirche und die systemische VERTUSCHUNG durch die Ordinariate zu suchen.
    Zu den zentralen Herausforderungen gehört, die anachronistische und TOXISCHE SEXUALMORAL der Katholischen Kirche zu überwinden. Insofern ist Erzbischof Heiner Koch zuzustimmen, dass das Problem nicht darin besteht, dass ein Synodentext die doppelte Zweidrittel Mehrheit verfehlt hat, sondern dass es ausgerechnet der Grundlagentext „LEBEN IN GELINGENDEN BEZIEHUNGEN – Wegmarken einer erneuerten Sexualethik“ ist, der von knapp 39 Prozent der Bischöfe abgelehnt wurde. Unabhängig davon ist der starke Text in der Welt und wird seine Wirkung für den anstehenden PARADIGMENWECHSEL entfalten.
    Es gibt Bischöfe wie Oster und Fürst, die sich eingebracht haben und deren begründete Ablehnung zu akzeptieren ist. Letzterer sieht sich noch nicht in der Lage, die theologischen Konsequenzen aus der Tatsache der „Existenz von Geschlechteridentitäten JENSEITS DER BINARITÄT ‚männlich‘ und ‚weiblich‘“ zu ziehen.
    Inakzeptabel ist es allerdings, wenn ein Bischof HANKE die Pseudofrage nach der Vollmacht deutscher Bischöfe stellt, die kirchliche Lehre zu verändern. Er bräuchte nur in der Satzung unter Artikel 11 Absatz 5 nachzulesen.
    Schlimmer noch war der Auftritt des Kölner Weihbischofs SCHWADERLAPP, der seine Ergebenheit gegenüber Rom zelebrierte, indem er aus der von ihm abgelegten Professio fidei und dem Treueeid zitierte – beides von Joseph Ratzinger und Johannes Paul II. oktroyierte Disziplinierungsinstrumente. Dem entgegen lautet das Gebot Jesu: „Du sollst nicht schwören.“

    Danke, Herr Erbacher, für die Übermittlung der Überzeugung eines Diözesanbischofs, „dass unter den Ordinarien eine Zweidrittelmehrheit zustande gekommen wäre.“ Das ist von hoher Glaubwürdigkeit, da sich die Bischöfe untereinander gut kennen. Offensichtlich sind es die Weihbischöfe, die ROM DIE STANGE HALTEN, und der Grund dafür liegt auf der Hand. Denn ein Weihbischof, der Bischof werden will, darf es sich mit Rom nicht verscherzen. Bleibt das bittere Fazit, dass mit offenem Dialog und strittig-fairem Diskurs gegen Karrierismus und Klerikalismus schwer anzukommen ist.

  • Michael
    11.09.2022, 22:53 Uhr.

    Es wundert nicht, dass seitens der Bischöfe so viel Ablehnung zum Text bzgl. der Sexualmoral kommt. Der Priester und Psychotherapeut Eugen Drewermann hat es einmal sehr treffend gesagt: Die meisten Priester sind in ihrer sexuellen Entwicklung auf der stufe eines Vierzehnjährigen stehengeblieben.
    Ich bin gläubiger katholischer Christ, aber die altersstarrsinnigen Kleriker in Rom und in den Bischofshäusern sind für mich keine Autoritäten mehr, die ich anerkennen kann. Ihnen sei gesagt: „Es geht auch ohne euch!“ Notfalls müssen sich die aufrechten deutschen Katholiken von Rom lossagen und eine deutsche katholische Kirche gründen – eine Kirche mit menschlichem Antlitz!

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