Marx kritisiert Ton in Flüchtlingsdebatte

Eine „Mäßigung in der öffentlichen Debatte“ hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, beim Thema Flüchtlinge gefordert. Die aktuelle Diskussion werde „auf einer Tonlage geführt, die nicht hilfreich ist“. Sie verhindere eine konstruktive Debatte, erklärte Marx. Er sei „erschrocken und verärgert“ über Äußerungen, die nur darauf abzielten, wie Deutschland Flüchtlinge loswerden könne. Er distanzierte sich klar von Sprache und Forderungen der CSU wie etwa die jüngste Äußerung von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Der hatte vergangenen Donnerstag erklärt: „Das Schlimmste ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese. Der ist drei Jahre hier – als Wirtschaftsflüchtling -, den kriegen wir nie wieder los.“ Zugleich warnte Marx davor, sich die Solidarität, die es in der deutschen Gesellschaft gebe, „kaputt reden zu lassen“. Es sei im vergangenen Jahr viel geleistet worden. Marx äußerte sich zum Auftakt der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda.

Letzte Absprachen vor dem Beginn der Beratungen. (Quelle: Erbacher)

Letzte Absprachen vor dem Beginn der Beratungen. (Quelle: Erbacher)

Nationalismen grenzen ab

Traditionell beginnen die Beratungen der deutschen Bischöfe mit einer Andacht in der Krypta des Fuldaer Doms am Grab des heiligen Bonifatius. Ob es ein Zufall war, dass heute das Gebet länger dauerte denn je? Als Kardinal Reinhard Marx zu Beginn seines Statements vor der Andacht den heiligen Bonifatius als große Integrationsfigur vorstellte, war schon klar, welches Thema die Vollversammlung in dieser Woche dominieren wird. Bonifatius sei Engländer und Germane gewesen, Friese und Römer. Integration statt Ausgrenzung lautete die Botschaft des Vorsitzenden der Bischofskonferenz. Nicht zuletzt die jüngsten Wahlen in mehreren Bundesländern hätten gezeigt, man spüre eine gewisse Erregung und Nervosität in der Bevölkerung. Allerdings seien die Ursachen vielfältig und könnten nicht nur auf das Thema Flüchtlinge beschränkt werden. Marx warnte davor, Ressentiments zu schüren gegenüber Religionen oder Nationalitäten.

Es gebe eine Unsicherheit, angesichts derer man nach einfachen Lösungen suche, so der Münchner Erzbischof. Besorgt zeigte er sich, dass populistische Strömungen nicht nur in Europa sondern im ganzen Westen zugenommen hätten. Diese führten aber zu Abgrenzung. Er warnte vor Nationalismus, der die Ursache vieler Kriege sei. Eine eingemauerte Gesellschaft werde zudem nach innen verändert, wie das Beispiel Großbritannien zeige. Nach dem Brexit-Votum habe dort die Ausländerfeindlichkeit offenbar zugenommen. „Das Merkmal einer christlichen Identität ist die Nächstenliebe“, setzte er dagegen.

Was bedeutet das „C“ in der Politik?

Angesichts der zugespitzten öffentlichen Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen zeigt nun auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz klare Kante. Eine Partei, die das „C“ im Namen trägt, kann keine Sprache sprechen, die Menschen in Not zu Problemen macht, die es loszuwerden gilt, die Ressentiments gegenüber Fremden schürt. Ein solches Denken erschwert die ohnehin schon schwierige Arbeit der Integration. So sieht es die katholische Kirche. Vor Marx hatte das in den vergangenen Tagen etwa auch schon der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki deutlich gemacht. Er hatte der CSU eine Spaltung der Gesellschaft vorgeworfen. Auch aus der evangelischen Kirche war zuletzt Kritik an CSU-Positionen laut geworden, etwa der Forderung, christliche Flüchtlinge zu bevorzugen. Das nannte der rheinische Präses Manfred Rekowski als mit der christlichen Nächstenliebe „gänzlich unvereinbar“. Der Ton wird rauer zwischen Kirchen und Teilen der Politik. Dabei hat sich der Akzent verschoben. Früher ging es Kirchenvertretern, wenn sie am „C“ im Parteinamen zweifelten, vor allem um moralische Fragen, jetzt geht es um handfeste Politik.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

17 Kommentare

  • Novalis
    19.09.2016, 22:49 Uhr.

    Ganz klar: Die Haltung von Scheuer ist absolut inhuman. So jemand darf in einer demokratischen, an der Menschenwürde sich orientierenden Gesellschaft keine Macht haben. Wie sagte just Gerhard Ludwig Müller so schön: Katholische Kirche ist gelebtes Multikulti von Anfang an. Völkisches und Deutschtümelei passt da nicht dazu.

  • Ullrich Hopfener
    20.09.2016, 15:16 Uhr.

    „das schlimmste ist ein Fußball spielender, ministrierender Senegalese. Der ist 3 Jahre hier-als Wirtschaftsflüchtlinge-,den kriegen wir nie wieder los“

    Zitat Andreas Scheuer- CSU Generalsekretär

    WARUM hat diese Partei-immerhin im deutschen Bundestag wo -gottseidank- noch nicht der braune Sumpf vertreten ist-diesen Mann mit solch teuflischen Einflüsterungen nicht schon längst aus diesem Amt entfernt? es ist ja nicht das erste Mal! ich erinnere nur an seine „Verteidigung“ des ungarischen Rechtsextremisten Orban..

    inzwischen treten auch in der CSU Partei immer mehr Hassprediger auf!

    GOTTSEIDANK haben die Kirchen-nicht zuletzt aus den Erfahrungen der Weimarer Republik-aber auch in der Eindeutigkeit von Papst Franziskus gelernt, und geben klares Zeugnis. besonders durch Marx und Wölki

    • bernardo
      21.09.2016, 10:02 Uhr.

      Scheuer hat daneben gegriffen und dummes Zeug erzählt. Wem passiert das nicht mal? Dieses mediale Kreuzigen ist wegen eines läppisch-dummen Satzes wirklich nicht angebracht, ist allerdings typisch für unsere medial aufgeheizte Gesellschaft.

      Ansonsten würde ich es begrüßen, wenn Kardinal Marx, der davon spricht, man müsse viel mehr Geld in die Hand nehmen, den Anfang machte, auf einen Teil der Privilegien und Kirchensteuern verzichtete, das Palais Holnstein (seine Residenz) vermietete, um das Geld zu spenden. Vielleicht wäre er dann etwas glaubwürdiger.

      • Alberto Knox
        22.09.2016, 15:11 Uhr.

        einmal? das ist nicht die erste entgleisung. und es ist eine derb rassistische noch dazu. dass man sich nicht schämt, so jemanden zu verteidigen.
        die bischofsresidenz des sicher von @bernardo mehr geschätzten bischof voderholzer ist nicht weniger ehrwürdig, nicht weniger teuer renoviert worden (nur auf die sauna, die sein vorgänger unbedingt wollte, hat er verzichtet). da kommt keine kritik? oder am millionenteuren altersitz des passauer altbischofs? oder an den tausenden euro staatsgeldern die der alte ratzinger abgreift? welch heuchelei.

        • bernardo
          22.09.2016, 21:29 Uhr.

          Woher wissen Sie denn, wen ich schätze? Vermutungen?
          Ich halte mich an Marx, weil der immer große Töne spuckt.

          • Alberto Knox
            23.09.2016, 12:48 Uhr.

            so wie sich manche hier gerieren, ist die vermutung naheliegend, dass der bischof, der direkte verbindungen zur afd hat, wohl am besten in die eigenen verqueren vorstellungen vom christentum passt.

            marx übersetzt ja nur die botschaft christi ins heutige deutsch. auf italienisch heißt das aggiornamento. die großen töne, die hier kardinal marx angeblich spuckt, spuckt also eigentlich jesus. seltsames verhalten von sich als christen wähnenden menschen, jesus das spucken großer töne vorzuwerfen. wer so schreibt, hat von christus wenig verstanden.

          • Alberto Knox
            23.09.2016, 12:49 Uhr.

            und ja, warum kommt denn keine kritik an den tausenden euro vom staat, die von ratzinger gierig eingesteckt werden?

          • Wanda
            23.09.2016, 22:59 Uhr.

            – Interessant, dass ausgerechnet der senegalesische Priester Abbé Patrice Mor Faye aus dem Bistum Bamberg Scheuer in Schutz nimmt, Verständnis für eine Obergrenze bekundet und findet: „Nicht jeder darf hierherkommen…“
            Man sollte annehmen, dass er die Verhältnisse in seinem Heimatland kennt, die keinen Anlass zur Flucht oder Asyl begründen, oder ?

  • Wanda
    20.09.2016, 16:38 Uhr.

    1. Drollig die Empörung der katholische Kirche, an vorderster Stelle Herr Marx und besonders Herr Fuchs, der nach seinen kürzlichen Erfahrungen mit den Sinti und Roma in Regensburg und der von ihm veranlassten Entfernung zuerst aus dem Dom, dann aus dem Pfarrheim doch eigentlich den Mund halten sollte: wenn Zwei das Gleiche tun ist es noch lange nicht dasselbe ? Das ist in höchstem Masse kirchliche Heuchelei…
    2. Und im Übrigen: will man allen Wirtschaftsflüchtigen das Tor nach DEU öffnen ? Das wäre nämlich die Konsequenz. Oder wie will man diese Ausnahme jenen erklären, die dann auf das gleiche Recht pochen ? Vorübergehendes Aufenthaltsrecht nur jenen, die nachweislich um Leib und Leben bangen müssen…
    3. Der ex-Präsident Afghanistans Karzai brachte es auf den Punkt (wie auch einige afrikanische Bischöfe) und forderte die EU und namentlich DEU auf, gegenzusteuern: die wirtschaftliche Anreize und die relativ einfach zu umgehenden Ausweisungregelungen übten eine fatale Magnetwirkung auf junge Männer aus, an denen ihre Herkunftsländer ausbluten…
    Frage: will man das ?

    • Alberto Knox
      22.09.2016, 15:11 Uhr.

      marx wäre das mit den roma nicht passiert – aber bei fuchs kann man davon ausgehen, dass er von seinem versagen ablenken will.

      • Wanda
        22.09.2016, 21:55 Uhr.

        bingo !

      • Suarez
        24.09.2016, 2:03 Uhr.

        Das sehe ich auch so. Fuchs gehört zur Dunkelkatholikenriege um Müller und Voderholzer, von dem man zu den Flüchtlingen nur gehört hat, dass er meint, sie kämen, um uns zu missionieren.

        • Novalis
          26.09.2016, 10:01 Uhr.

          „Dunkelkatholikenriege“. Das ist ein gutes und zutreffendes Wort. Muss ich mir merken!

  • Micaela Riepe
    20.09.2016, 17:57 Uhr.

    Was Kardinal Marx sagt, ist das Eine, was Franziskus sagt, mal wieder das ganz Andere:

    Flüchtlinge begegneten kaltherzigen Menschen, „die ihren Hilfeschrei mit jener Mühelosigkeit abstellen, mit der sie den Fernsehkanal umschalten“.

    In seiner Meditation kritisierte er ein „betäubendes Schweigen der Gleichgültigkeit“ und den Egoismus, „derer, die sich belästigt fühlen“.

    Er betonte, dass alle, die unter der Drohung von Bombardierungen lebten oder gezwungen seien, ihr Zuhause zu verlassen und aller Dinge beraubt ins Unbekannte zu ziehen, „Brüder und Schwestern“ des gekreuzigten Jesus seien.
    Statt Aufnahme und Annahme spürten sie den „bitteren Essig der Ablehnung“.

    Ausführlich nachzulesen auf katholisch.de

    • Wanda
      20.09.2016, 20:16 Uhr.

      – Alle leiden unter der Bedrohung von Bombardierungen, speziell der ministrierende Senegalese doch wohl nicht, oder ?
      – Und wie kommt es dann, dass sich überwiegend Jugendliche und junge Männer feige aus ihren Heimatländern davonmachen, anstelle für ihr Land und ihre Überzeugungen zu kämpfen ? Das überlassen sie lieber jungen Soldaten aus anderen Ländern, oder wie ?

  • Silberdistel
    20.09.2016, 23:34 Uhr.

    Klar, was ein Glück. Da stellt sich „importiertes Humankapital“ der Industrie und Lobbykratie fast gänzlich kostenlos zur Verfügung und macht dankbar dafür noch den tiefsten Kotau. dafür auf der „Insel der Seeligen“ angekommen und integriert worden zu sein. Nachdem der Steuerzahler zuvor für die Integration derselben heftig investiert hat, nicht jedoch die Industrie und die Lobbyisten.
    Klar, Menschlichkeit & Christentum geht nunmal anders. Besonders für die, die täglich das ´Hohe C´ würdevoll vor sich her tragen.
    Aber wer versteht´s schon. Und auch keine/r kümmert´s und muß für sein be-scheuertes Gelaber vor ´Gott´ einst Rechenschaft ablegen.

    Die Welt ist so schön, warum richten wir sie nicht noch mit mehr Knechten ein auf deren Schicksal wir dann noch herum treten dürfen?
    Katholismus hat sich hier im Sinne des Ewigen endlich mal richtig positioniert. Einfach für das ewig Ganze.

  • bernardo
    27.09.2016, 16:44 Uhr.

    @ Knox: Ach Gottchen, aggiornamento ist ein viel subtilere Angelegenheit als der Kanzlerin nach dem Mund zu reden. Wir haben es hier mit einer Kirche zu tun, die sich wieder ganz als moralische Besserungsanstalt versteht, die die Menschen immer weniger erreicht, die aber aufgrund ihrer Nähe zu den Regierenden ihre Privilegien sichern kann. Ein neues Bündnis von „Thron und Altar“, das mit der Entweltlichung, dem Verzicht auf Macht, auf Geld, auf Privilegien, auf Bevormundung wenig bis gar nichts zu tun hat.

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