Rückblick: Papstreise – zwischen Hoffen und Bangen

18.9.2015: Die 10. Auslandsreise führt Papst Franziskus nach Kuba (19.-22.9.) und in die USA (22.-27.9.). Es ist die längste Auslandsreise des Pontifikats. Franziskus hält 25 Reden, so viele wie noch nie bei einer Reise. Es ist eine Reise der Premieren und Superlative. Erstmals spricht ein Papst vor beiden Häusern des US-Kongresses. Auch die Rede vor der UNO-Vollversammlung ist eine Premiere. Die Vorgänger hatten nicht vor einer „regulären Vollversammlung“ gesprochen. Dieses Mal werden nicht nur Diplomaten anwesend sein, sondern jede Menge Staats- und Regierungschefs, darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es ist eine Reise zwischen Hoffen und Bangen. Auf Kuba hoffen die Menschen, dass Franziskus die sozialistische Staatsführung ins Gebet nimmt. In den USA bangen viele, Franziskus könnte seine scharfe Wirtschaftskritik wiederholen und bei der katholischen Glaubenslehre Abstriche machen.

Kritik am Wirtschaftsembargo

Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Reise sicherlich eine der schwierigsten im noch jungen Pontifikat von Franziskus. Auf Kuba trifft er auf eine politisch heikle Situation. Oppositionelle sehen die große Nähe der katholischen Kirche zum Regime kritisch; zugleich hofft die katholische Kirche auf weitere Erleichterung für ihre Arbeit. Allerdings fordert sie keine Privilegien. Vielmehr versucht sie stets eine ausgeglichene Mittelposition einzunehmen. So forderten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. bei ihren Visiten auf Kuba 1998 und 2012 die Einhaltung der Menschenrechte, kritisierten zugleich aber auch das Wirtschaftsembargo. Mit Spannung wird erwartet, wie Franziskus sich positionieren wird.

Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin hat am Vorabend der Reise schon einmal ein Ende des Embargos gefordert. Er verspricht sich davon eine „größere Öffnung in Bezug auf Freiheit und Menschenrechte“. Am Abend gab das US-Außenministerium bekannt, dass das Embargo weiter aufgeweicht werden soll. Ab Montag sollen die neuen Regeln gelten. Das dürfte kein Zufall sein. Mit Oppositionellen wird sich Franziskus auf Kuba nicht treffen. Zumindest sieht es das offizielle Programm bisher nicht vor. Damit folgt er der Linie seiner Vorgänger. Daher wird es umso spannender sein, welche Botschaften er in seinen Predigten und Ansprachen für die Kubaner und die Machthaber dort im Gepäck hat.

In USA warten Kritiker

In den USA trifft Franziskus auf seine schärfsten Kritiker. Die finden sich zum einen unter denen, die die harschen Worte von Franziskus zum Weltwirtschaftssystem sowie seinen Einsatz für den Klimaschutz kritisieren. Zum anderen gibt es großen Widerstand unter konservativen Katholiken, die befürchten, Franziskus werde Hand anlegen an die traditionelle katholische Lehre im Bereich der Sexualmoral sowie bei Fragen zu Ehe und Familie. Daher werden die Ansprachen des Papstes beim katholischen Weltfamilientreffen in Philadelphia zum Abschluss der Reise mit Spannung erwartet. Das gilt allerdings auch für die Reden vor dem US-Kongress am Donnerstag und der UN-Vollversammlung am Freitag.

Vatikanvertreter kündigten an, dass vor allem das Thema Migration im Zentrum der päpstlichen Reden stehen werde. Kardinalstaatssekretär Parolin erklärte, Franziskus reise ganz bewusst wie ein Migrant aus Kuba in die USA ein. Der Papst lässt in den USA kaum eine Gelegenheit aus, um sich mit Einwanderern, Obdachlosen oder Gefangenen zu treffen. Es könnte also sein, dass auch bei dieser Reise einmal mehr die Bilder und weniger die Worte zählen könnten. Allerdings wird es Franziskus sich nicht nehmen lassen, an der ein oder anderen Stelle Klartext zu sprechen. Umstritten ist die Heiligsprechung von Junípero Serra am Mittwoch in Washington. Die einen sehen in dem Franziskanerpater den großen Missionar von Amerikas Westen im 18. Jahrhundert; die anderen sehen ihn mitverantwortlich für die Zerstörung indigener Kulturen. Franziskus hatte die Heiligsprechung wiederholt verteidigt.

Papst mahnt Katholiken in Ungarn

Die Woche wird auf jeden Fall interessant werden. Zumal das katholische Weltfamilientreffen in Philadelphia wenige Tage vor dem Beginn der Familiensynode im Vatikan dem Papst die Gelegenheit gibt, noch einmal Akzente zu setzen. Einen interessanten Akzent hat Franziskus noch am Freitag gesetzt. In einer Videobotschaft an ein Treffen ungarischer Ordensleute forderte er zu Mildtätigkeit und Barmherzigkeit auf. Er erinnerte an das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter. „Das schönste ‚Gesicht‘ eines Landes oder einer Stadt ist jenes der Jünger Jesu – Bischöfe, Priester, Ordensleute und gläubige Laien – die in Bescheidenheit im Alltag den Stil des Barmherzigen Samariters leben und sich des Leibes und der Wunden der Brüder annehmen, in denen sie den Leib und die Wunden Jesu erkennen.“ Das ist die Reaktion des Papstes auf die Bilder, die in den letzten Tagen aus Ungarn kamen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.