Synode: Uneins bei strittigen Themen

Mit einem Abstimmungsmarathon ist am Samstagnachmittag die Außerordentliche Bischofsynode im Vatikan zu Ende gegangen. Die rund 190 Synodenväter haben die 62 Abschnitte des Abschlussdokuments einzeln abgestimmt. Alle Abschnitte bekamen eine einfache Mehrheit; nur drei Abschnitte bekamen keine 2/3-Mehrheit: zwei Abschnitte über wiederverheiratete Geschiedene und das Kapitel über den Respekt gegenüber Homosexuellen. Ein Zeichen, dass es bis zur nächsten Synode im Oktober 2015 noch viel Diskussionsbedarf gibt. Auf Wunsch von Papst Franziskus wurde das komplette Dokument veröffentlicht inklusive der Abstimmungsergebnisse. Der Pontifex nutzte die Gelegenheit, um in der Abschlussansprache sein Verständnis des Papstamts zu erläutern. Bereits am Vormittag hatten die Synodenväter mit 158 von 174 Stimmen die Botschaft der Synode verabschiedet. Darin wurden die kritischen Themen weitestgehend ausgespart.

Große Mehrheit, aber …

Das Abschlussdokument mit seinen 62 Abschnitten im Detail zu erläutern, ist schwierig. Daher einige Anmerkungen. Es behält den positiven Grundton bei, die Haltungsänderung. Allerdings bleibt das Papier weit hinter dem Zwischenbericht zurück. Man merkt dem heutigen Text an, dass er ein Kompromisstext ist, in den seit Montag mehr als 450 Änderungsvorschläge eingearbeitet wurden. Es wurde versucht, alle Seiten zufriedenzustellen. Denn schließlich geht es ja hier nicht um den Schlusstext des synodalen Prozesses zu Ehe und Familie, sondern um einen „Etappentext“, wie der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, am Abend feststellte.

Gerade weil das so ist, verwundert doch, dass etwa der Abschnitt über Homosexuelle als einer von drei keine Zweidrittelmehrheit erreicht hat. Gerade bei diesem Thema ist vom Text am Montag eigentlich nichts mehr übrig geblieben. Es wird lediglich gesagt, dass für die Kirche eine Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften mit der Ehe abgelehnt wird und dass Homosexuelle mit Respekt begegnet werden solle. Schließlich wird ein Dokument der Glaubenskongregation zitiert, dass „ungerechte Diskriminierung“ ablehnt. Selbst diese Grundpositionen verfehlte knapp die Zweidrittelmehrheit. Von 183 Synodenväter stimmten 118 mit „Ja“ und 62 mit „Nein“. Nicht einmal die lehramtlichen Texte scheinen in der katholischen Kirche mehrheitsfähig. Oder haben Synodenväter mit „Nein“ gestimmt, weil ihnen der Abschnitt zu dünn war?

Diskussion geht weiter

Der Begriff der „Gradualität“ ist nicht mehr in dem Papier enthalten. Dennoch gibt es die Formulierung, dass durchaus positive Elemente außerhalb der sakramentalen Ehe gesehen werden könnten. Der Text schlage keine Türen zu, bilanzierte Kardinal Marx am Abend. „Das Glas ist halb voll.“ Eine Mehrheit sage, „über diese Themen darf gesprochen werden“. Damit meinte er etwa die Frage nach der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene. Zwei Abschnitte zu diesem Thema erreichten ebenfalls nicht die Zweidrittelmehrheit, sondern nur eine absolute Mehrheit. Wenn man allerdings die vielen negativen Stimmen zu diesem Thema beim Konsistorium der Kardinäle im Februar sieht, und das Ergebnis jetzt, scheint sich hier eine Entwicklung abzuzeichnen hin zumindest zu einer vertieften Diskussion dieses Themas.

Der Abschlusstext ist gegenüber dem Zwischenbericht theologischer und legt ausführlich das christliche Familienideal dar. Vor allem auch in der Botschaft der Synode, einem dreiseitigen Text, der bereits am Samstagmorgen verabschiedet worden war, betonen die Synodenväter die Besonderheit und Schönheit der ehelichen Liebe sowie der Familie. Dabei wird erneut unterstrichen, dass die Kirche für alle offen sei. „Christus wollte die Kirche als Haus mit Tür, die immer offen ist, ohne irgendjemand auszuschließen.“

Franziskus zum Papstamt

Papst Franziskus beendete die Synode mit einer langen Ansprache. Darin warnte er die Synodenväter vor verschiedensten Versuchungen. Es scheint beinahe so, dass er in den vergangenen zwei Wochen sehr genau beobachtet hat, wie diskutiert wurde, und hält den Synodenvätern einen Spiegel vor: die Versuchung der „feindlichen Erstarrung“. „Das ist der Wunsch sich im Geschriebenen einzuschließen und sich nicht von Gott überraschen lassen wollen“, so Franziskus. Er spricht von der Versuchung „der Eifrigen, der Skrupulösen, der sogenannten ‚Traditionalisten‘ und auch Intellektualisten“. Das Stichwort „Versuchung des zerstörerischen Gutmenschentums“ fällt und die der „sogenannten ‚Progressiven und Liberalen'“. Die Versuchung, „sich selber nicht als Hüter, sondern als Besitzer und Herr“ des „depositum fidei“ zu verstehen sowie die versuchung, „die Realität zu vernachlässigen und eine einengende Sprache zu verwenden“.

Ausführlich, wie bisher eigentlich noch nie, äußert er sich über sein Verständnis des Papstamts. Der Papst sei nicht der oberste Herr, sondern vielmehr der oberste Diener. Aber: „Jede persönliche Willkür beiseite lassend ist er dem Willen Christi gemäß der “oberste Hirt und Lehrer alle Gläubigen“ (Can 749), dazu hat er „die volle ordentliche Autorität, die oberste, volle, unmittelbare und universale in der Kirche“ (Can 331-334).“ Deutlicher geht es nicht. Interessant ist, wie er in diesem Abschnitt argumentiert. Er zitiert ausführlich seinen Vorgänger Benedikt XVI., um die dienende Funktion zu erläutern, um dann mit Zitaten aus dem CIC, dem kirchlichen Rechtsbuch, seine Autorität zu begründen. Ist das ein Signal an die, die gerne mit dem Kirchenrecht gegen jede Änderung argumentieren? Franziskus spricht davon, dass es in der Debatte um „das Wohl der Kirche, der Familie und das höchste Gesetz, das Wohl der Seelen“ gegangen sei. „Und das alles, ohne jemals die fundamentale Wahrheit des Sakraments der Ehe in Frage zu stellen: die Unauflöslichkeit, die Einheit, die Treue und die Offenheit für das Leben“. Diese Feststellung ist auch deshalb interessant, weil damit von höchster Stelle auch bestätigt ist, dass diejenigen, die sich etwa über den Sakramentenempfang für wiederverheiratete Geschiedene Gedanken machen oder eine respektvolle Haltung gegenüber Homosexuellen und ihren Partnerschaften, über Gradualität und Paare ohne Trauschein aus Sicht des Papstes nicht den genannten Grundkonsens über die sakramentale Ehe verlassen haben. Die Synodenväter reagierten mit einem rund fünf Minuten anhaltenden Applaus auf die Rede von Papst Franziskus.

P.S. Papst Franziskus hat heute den römischen Bürgermeister Ignazio Marino gerügt, weil er just am letzten Tag der Familiensynode eine symbolische Registrierung von mehreren schwulen und lesbischen Paaren, die in anderen Ländern eine Ehe eingegangen sind, vollzog. Das sah man im Vatikan als Provokation. Papst Franziskus soll in einem kurzen Redebeitrag vor der Synode das Vorgehen kritisiert haben. Der Text ist bisher nicht veröffentlicht.

P.P.S. Weitere Informationen gibt es auch auf bei heute.de. Den Text der Papstpredigt im italienischen Original gibt es hier, die Botschaft der Synode in englischer Übersetzung hier.

P.P.P.S. Der Canon des Kirchenrechts, auf den sich Papst Franziskus in seiner Ansprache beruft, ist übrigens jener Canon 749 des CIC, in dem die Unfehlbarkeit des Papstes beschrieben wird.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.