Synode: Die Anspannung steigt

„Exklusion ist keine Sprache der Kirche!“ das erklärte heute Mittag der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, beim Pressebriefing des Vatikans. Es dürfe keine Katholiken zweiter, dritter oder vierter Klasse geben. Er verglich den Prozess, den wir bei der Synode aktuell erleben, mit der Echternacher Springprozession: zwei Schritte vor und einer zurück. „Aber nicht zwei zurück“, ergänzte er. Der Vorsitzende der Französischen Bischofskonferenz, Erzbischof Georges Pontier, zeigte sich überzeugt, dass die Synodenväter morgen zu einem Konsens über das Abschlussdokument kommen werden. Vatikansprecher Federico Lombardi wollte sich auch heute noch nicht festlegen, ob er morgen Abend beim Briefing den Journalisten einen Text wird präsentieren können.

Papst will Impulse

Kardinal Marx machte deutlich, dass Papst Franziskus von der Synode Impulse erwarte, die weiterführten. „Es geht nicht darum, einfach zu wiederholen, was schon immer gesagt wurde.“ Die katholische Lehre ist nach Marx nicht statisch. Sie verändere sich auch nicht, aber sie werde tiefer erkannt. „Ob wir schon alles gefunden habe, wage ich zu bezweifeln“, so der Münchner Erzbischof. Er erinnert an die erste Weihnachtsansprache von Papst Benedikt XVI. an die römische Kurie im Dezember 2005, wo dieser in Erinnerung an das Konzilsjubiläum zwischen einer „Hermeneutik des Bruchs“ und einer „Hermeneutik der Reform“ unterschieden habe. Es gehe darum, wie das Konzil letzteren Weg zu wählen. Der Mailänder Erzbischof, Kardinal Angelo Scola, habe im Sprachzirkel von Johannes XXIII. berichtet, aus dessen Meditationen hervorgehe, dass er immer um das rechte Verhältnis zwischen Doktrin und Pastoral gerungen habe. Dieses Ringen bestehe immer, so Marx.

Der DBK-Vorsitzende macht in dem Sinne einen „Geist“ des II. Vatikanischen Konzils in diesen Tagen aus, als heftig diskutiert und gerungen werde. Es werde deutlich, wie vielfältig und unterschiedlich die Situationen seien. Das sei aber ganz natürlich, schließlich gehe es bei Ehe und Familie um das Thema, „das wie kein anderes in die jeweilige Kultur inkardiniert“ sei.  Daher sei es eigentlich gar nicht möglich, eine gemeinsame Sprache zu finden. Doch er hoffe hier auf den Heiligen Geist. Auch so kann man die Quadratur des Kreises zum Ausdruck bringen.

Marx: Offene Diskussion auf allen Ebenen

Angesprochen auf die Relatio post disceptationem sagte er, dass er positiv überrascht gewesen sei, dass ihm aber auch sofort klar gewesen sei, dass es Diskussionen geben werde. Aus seiner Sicht hat der Zwischenbericht von Kardinal Erdö sein Ziel erreicht: zuzuspitzen und das Gespräch voranzutreiben. Marx verteidigte auch, dass der Text veröffentlicht wurde. „Es ist gut, dass alles veröffentlicht wurde.“ Damit meinte er auch die Zusammenfassung der Ergebnisse der Sprachzirkel. Marx wünscht sich, dass im kommenden Jahr bis zur nächsten Synode im Oktober 2015 in den Pfarreien und Diözesen genauso frei diskutiert werde, wie es auf der Synode gewesen sei.

Zu den Passagen der Relatio Erdös, die besonders in der Kritik stehen, sagte Marx,könne der Idee der „Gradualität“ durchaus etwas abgewinnen, so Marx. Es gebe da in der Synode erhebliche Bedenken. „Aber vielleicht kann man da ja eine Arbeitsgruppe einsetzen.“ Angesprochen auf die Passagen zur Homosexualität stellte er fest: Homosexuelle dürften nicht diskriminiert werden. „Die [homo]sexuelle Praxis kann aber nicht akzeptiert werden.“ Stellte das fest und schob gleich seine rhetorische Frage von der Auftaktpressekonferenz nach: Wenn ein schwules Paar über 30 Jahre zusammenlebe und sich gegenseitig aufopferungsvoll pflege, „kann ich dann sagen, da ist nichts“?

Die Synodenväter hatten frei am Donnerstagnachmittag und Freitagmorgen. Allein die elfköpfige Redaktionsgruppe arbeitete auf Hochtouren. Sie hatte sich in drei Untergruppen aufgeteilt, die jeweils einen der drei Teile des Zwischenberichts überarbeiteten: Im Teil 1 ging es um den Kontext und die Herausforderungen der Familie, in Teil 2 um das „Evangelium der Familie“ und in Teil 3 um die pastoralen Perspektiven bzw. Probleme. Die Redaktionsgruppe soll bis Freitagnachmittag schon sehr weit gekommen sein mit ihrer Arbeit. Vorgetragen wird der Text morgen früh ab etwa 9.30 Uhr von Generalrelator Peter Erdö. Es zeichnet sich aber jetzt schon ab, dass der Text in wesentlichen Teilen doch anders aussehen wird, als die Relatio vom Montag: mehr Lehramt und mehr Theologie.

Heute Nachmittag wurde die „Botschaft“ der Synode vorgestellt und begonnen zu diskutieren. Diese richtet sich an die Gläubigen in aller Welt. Bisher war es ja so, dass die Synode ja nicht ein Dokument verabschiedet, sondern als Beratungsgremium des Papstes diesem am Ende Propositiones/Vorschläge zum Thema und der Fragestellung der Synode und dieser dann daraus seine Konsequenzen zieht und ein nachsynodales Schreiben verfasst. Da es sich bei den Propositiones sozusagen um ein internes Papier handelt, wurde das Instrument der „Botschaft“ erfunden, über die sich die Synode direkt an das „Volk Gottes“ richtet. Diese hatte in der Vergangenheit ganz unterschiedliche längen von gleichsam Postkartengröße mit zwei bis drei Seiten bis zu einem Dutzend. Die Botschaft wird, laut Synodenfahrplan, heute Mittag diskutiert und morgen Vormittag endgültig verabschiedet. Im täglichen Pressebriefing stellt Kardinal Gianfranco Ravasi sie dann der Öffentlichkeit vor.

Zahlenspiele

Ein kurzer Blick zum Abschluss vielleicht doch noch einmal auf die Zahlen. Dadurch wird auch verständlich, warum die afrikanischen Bischöfe hier auf der Synode doch ein großes Gewicht haben und die Diskussionen bestimmen. Bei der Außerordentlichen Bischofssynode ist jede Bischofskonferenz mit einer Stimme, also dem Vorsitzenden, vertreten, unabhängig von der Größe der Bischofskonferenz und der Zahl der Katholiken in dem jeweiligen Land. Insgesamt gibt es 114 Bischofskonferenzen weltweit. Dabei entfallen auf Afrika mit 36 (31,6%) die meisten BKs, obwohl dort nur 15 Prozent der Katholiken leben; auf Europa 32 BKs (28%) mit einem Anteil von 24 Prozent der Katholiken weltweit; Lateinamerika mit 22 BKs (19,3%) mit einem Anteil von 41 Prozent der Katholiken weltweit; Nordamerika mit 2 BKs (1,8%), obwohl dort 7 Prozent der Katholiken weltweit leben; Asien mit 18 BKs (15,8%) mit einem Anteil von 12 Prozent der Katholiken weltweit; Ozeanien mit 4 BKs (3,5%) und einem Anteil von 1 Prozent der Katholiken weltweit.

Afrika hat damit rein Zahlenmäßig eine Dominanz, die dem Kontinent aufgrund der Katholikenzahl so nicht zukommen würde. Dies wird sich bei der Ordentlichen Synode in einem Jahr ändern. Dann werden die Sitze nach Größe der Bischofskonferenzen proportional vergeben. Dann dürfte sicher auch wieder ein anderes Meinungsbild in der Synode entstehen. Es ist daher schwierig, die drei großen Beratungsetappen miteinander zu vergleichen: das Konsistorium der Kardinäle im Februar, die Außerordentliche Bischofssynode jetzt und die Ordentliche Bischofssynode in einem Jahr. Alle drei Gremien setzten sich ganz anders zusammen. Trotzdem bekommt man den Eindruck, dass sich etwas bewegt. In diesen Tagen ist es vor allem der freie Meinungsaustausch, der beeindruckt. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn sagte gestern, dass er schon viele Synoden mitgemacht habe, dass diese aber die erste „echte Synode“ sei im Sinne eines „synodos“, eines gemeinsam auf dem Weg sein, einer echten Versammlung mit Debatte. Dies liege zum einen daran, dass die Statements und Diskussionen der ersten Woche thematisch geordnet worden seien und so auch konzentrierter. Zum zweiten bewähre sich die tägliche Stunde freie Diskussion, die Papst Benedikt XVI. in den Verlauf der Synode eingefügt hatte.

P.S. Papst Benedikt XVI. wird am Sonntag am Gottesdienst zur Seligsprechung von Papst Paul VI. teilnehmen. Das kündigte Vatikansprecher Federico Lombardi heute an.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.