Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog

Interessantes und Hintergründiges aus dem Vatikan

Römische Personalien

Die Gerüchteküche war schon seit einigen Tagen am Brodeln, seit heute ist es amtlich. Papst Franziskus hat seine Entscheidung für einen neuen Staatssekretär getroffen. Es ist der italienische Vatikandiplomat Pietro Parolin, derzeit Nuntius in Caracas. Gleichzeitig nahm der Papst den Rücktritt des bisherigen Amtsinhabers, Kardinal Tarcisio Bertone an.

Die Ablösung Bertones war überfällig. Schon Benedikt XVI. war immer wieder darauf aufmerksam gemacht worden, dass er sich besser von seinem Kardinalstaatssekretär trennen solle. Aber er hielt seinem früheren Mitarbeiter aus den Zeiten der Glaubenskongregation stets die Treue, auch wenn dieser sich in zahlreichen Konflikten als unfähig erwies – nicht zuletzt im Fall Williamson wird ihm die Schuld gegeben. Auch im Vorkonklave haben die Kardinäle ihre Unzufriedenheit mit der Spitze der Kurie deutlich zum Ausdruck gebracht.

Indem Franziskus, der die Sommerpause nicht für Ferien, sondern für zahlreiche Gespräche mit unterschiedlichsten Mitarbeitern im Vatikan genutzt hat, die Personalentscheidung getroffen hat, hat er sowohl ein Versprechen eingelöst als auch den wohl wichtigsten Schritt zur Kurienreform getan. Im Oktober wird dann die von ihm eingesetzte Kommission der acht Kardinäle, darunter der Deutsche Reinhard Marx, weitere Reformen vorschlagen.

Die Wahl eines Italieners, der als erfahrener und begabter Diplomat gilt, ist sicherlich ein kluger Schachzug. Zum einen hätte ein Nichtitaliener die überwiegend italienischen Mitarbeiter nicht erfreut, zum anderen bringt der neue Staatssekretär viele Jahre diplomatischer Erfahrung mit sich. Von 2002 bis 2009 war er „stellvertretender Außenminister“, verhandelte mit Israel, Vietnam, China und Russland in diversen komplizierten Konstellationen und gehörte im Zusammenhang mit den Bemühungen, einen Irakkrieg zu vermeiden, zu den engsten Beratern von Johannes Paul II.

Pietro Parolin, der neue Kardinalstaatssekretär

Pietro Parolin, der neue Staatssekretär

 

Auf den 58-Jährigen Parolin warten gewaltige Aufgaben. Er wird sein neues Amt am 15. Oktober antreten. Auch wenn er gut vernetzt ist im Vatikan, ist es nicht leicht, einen eingespielten, trägen Apparat auf Trab zu bringen. Als „alter ego“ des Papstes und dessen engster Vertrauter kommt ihm zugute, dass er ebenfalls als bescheiden gilt. Franziskus braucht solche Verbündete, wenn er sein großes Werk in Angriff nehmen will.

PS: Auch in seinem engeren Umfeld hat Franziskus in diesen Wochen Entscheidungen getroffen. Georg Gänswein ist nicht mehr sein Sekretär, sondern weiterhin Präfekt des Päpstlichen Hauses.und bleibt auch Privatsekretär von Benedikt XVI. Der Malteser Alfred Xuereb, bisher die Nummer zwei, ist jetzt Papstsekretär Nummer eins. Und neu im Team ist der 49-jährige Fabian Pedacchio Leaniz, ein Landsmann des Papstes. Dass dieser weitgehend selbst das Heft in der Hand behalten will, hat er in mehreren Interviews gesagt: “ Ich entscheide selbst, wen ich sehen muss, und nicht meine Sekretäre.“

 

 

 

Der Papst im Original

Mittlerweile gibt es ja schon eine ganze Reihe von Texten und Ansprachen des neuen Papstes. Die sind alle auch abrufbar auf der Internetseite des Vatikans. Die deutsche Übersetzung hinkt bisweilen etwas hinterher. Aber meist ist sie auch nach einigen Tagen online. Wer mehr erfahren will, wie Jorge Mario Bergoglio vor seiner Wahl zum Papst gedacht hat, dem seien die beiden folgenden Bücher empfohlen. Übrigens, um es gleich vorweg zu nehmen, man kann meines Erachtens sehr schnell erkennen, dass es da eine große Kontinuität gibt. Es ist spannend zu sehen, dass manches, was man jetzt in Ansprachen hört, auch schon früher über Bergoglios Lippen kam.

Über lange Zeit hinweg hat sich der ehemalige Erzbischof von Buenos Aires regelmäßig mit dem Rabbiner Abraham Skorka getroffen und mit ihm im wahrsten Sinne des Wortes über „Gott und die Welt“ gesprochen.  Diese Begegnungen fanden zum Teil auch öffentlich statt und wurden im Fernsehen des Erzbistums Buenos Aires übertragen.  Teile der Gespräche wurden schriftlich festgehaltenin dem Buch „Über Himmel und Erde“  das in Argentinien 2010 erschienen ist. Die deutsche Ausgabe gibt es seit Mai. Darin erfährt man viel darüber, wie Jorge Mario Bergoglio denkt. Angefangen von eher theologischen Fragen wie Gott, Teufel, Gebet und Schuld, über ganz konkrete ethische Fragen wie Sterbehilfe, Abtreibung, Scheidung und die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren bis hin zu eher politischen Themen wie ‚Politik und Macht‘, Armut, Globalisierung und das Geld.

Jorge Mario Bergoglio und seine Eltern 1958. (reuters)

Persönlicher wird es in dem zweiten Buch: „Mein Leben, mein Weg“. Das ist ein Gesprächsband. Zwei Journalisten haben mit Jorge Mario Bergoglio über sein Leben und natürlich auch über Theologisches gesprochen.  Hier erfährt man sehr viel über Bergoglios Familie, seine Wurzeln und seine Prägung. In dem ebenfalls 2010 erstmals in Argentinien erschienen Buch erzählt der heutige Papst über seine Berufung zum Priesteramt und warum er Jesuit geworden ist. Hier geht es auch in einem kurzen Abschnitt über die schwierige Zeit der Militärdiktatur und die Rolle Bergoglios in diesen Jahren. Es dürfte das wohl persönlichste Buch sein über den heutigen Papst. Denn der ehemalige Erzbischof von Buenos Aires ist sehr zurückhaltend mit Interviews und gar selbst zur Feder hat er eigentlich nur für Predigten und Ansprachen gegriffen.

Beiden Büchern merkt man natürlich an, dass sie sich immer wieder auf konkrete Situationen oder Ereignisse in Argentinien beziehen. Doch steckt am Ende sehr viel drin, was darüber hinaus Geltung hat.

Papst Franziskus: Über Himmel und Erde. Jorge Mario Bergoglio im Gespräch mit dem Rabbiner Abraham Skorka. Riemann-Verlag. München 2013.

Papst Franziskus: Mein Leben, mein Weg. El Jesuita. Die Gespräche mit Jorge Mario Bergoglio von Sergio Rubin und Francesca Ambrogetti. Herder-Verlag. Freiburg 2013.

Der Papst und die Frauen

„Möge die Kirche die große und wichtige Rolle der Frau vertiefen und besser verstehen!“ O-Ton Papst Franziskus von gestern. Das Thema Frauen lässt ihn nicht los. Gut, gestern war es bedingt durch den Marienfeiertag. Er hatte zudem die Frauen aufgerufen, durch das eingehende Studium der Rolle der Frau in der Bibel sich selbst und ihre Berufung besser zu verstehen. Tja – was heißt das nun aber? Franziskus erinnerte an das Dokument „Mulieris dignitatem“ über die Würde und Berufung der Frau, das Papst Johannes Paul II. vor 25 Jahren veröffentlicht hat. Dieses Dokument sei reich an Anregungen, die man aufgreifen und weiterentwickeln müsse. Ob darin wohl Impulse für die „Theologie der Frau“ zu finden sind, die Franziskus auf dem Rückflug von Rio vor wenigen Tagen gefordert hat? Im Herbst werden wir diese Spur hier einmal eingehender verfolgen.

Papst Franziskus beim Gottesdienst zu Mariä Himmelfahrt gestern. (ap)

Interessant ist vielleicht, was Jorge Mario Bergoglio früher schon zum Thema Frauen gesagt hat. Etwa im Gespräch mit dem  Rabbiner Skorka stellte er fest: „Die Präsenz des Weiblichen ist in der Kirche nicht so sehr herausgestellt worden, weil die Versuchung des Machismo keinen Raum dafür gelassen hat, den Platz sichtbar zu machen, der den Frauen in der Gemeinschaft zusteht.“ Wie der konkret aussieht, nennt er allerdings auch nicht. Er erinnert an große Frauengestalten der Bibel wie Rut und Judit. Er nennt Maria als Vorbild für die Rolle der Frau und führt dann Eigenschaften wie Mütterlichkeit und Zärtlichkeit an. Maria sei die „Mutter der Gemeinschaft“, die die Gesellschaft „schützt und einhegt“. Eine Religionsgemeinschaft, die diese Eigenschaften nicht verstehe zu integrieren, werde zu einer „machohaften sowie zu einer kargen, harten und im schlechten Sinn sakralisierten Gesellschaft“. Vom Feminismus als „alleiniger Philosophie“ hält Bergoglio übrigens nichts. Er gebe der Frau nicht die Würde, die sie verdiene und könne am Ende zu einer Art „Machismo mit Rock“ verkommen.

Also ich bin gespannt, wie er dieses Thema „Frau in der Kirche“ entwickeln wird; denn auch bei dem zitierten Gespräch mit dem Rabbiner referiert er die traditionelle Lehre, dass das Priesteramt den Männern vorbehalten ist. Diese Aussage findet sich übrigens auch in „Mulieris dignitatem“, das er ja gestern lobend erwähnt hat.

P.S. Die Zitate aus stammen aus: Papst Franziskus. Über Himmel und Erde. Riemann-Verlag 2013. Mehr zu dem Buch in Kürze.

„Gott trifft Papst“

So titelte heute eine argentinische Zeitung vorab über das Treffen des Fußballstars Lionel Messi mit Papst Franziskus im Vatikan. Der Pontifex empfing heute die Nationalmannschaften Argentiniens und Italiens. Beide Mannschaften bestreiten morgen ein Freundschaftsspiel in Rom. Anlass ist die Wahl des Italo-Argentiniers Jorge Mario Bergoglio zum Bischof von Rom. Der „Geehrte“ selbst ist ein großer Fußballfan – doch so wie es derzeit aussieht, wird er morgen Abend wohl nicht im römischen Olympiastadion sein, um die Partie live anzuschauen. Es geziemt sich wohl nicht, dass der Stellvertreter Christi auf Erden zum Fußballspiel geht. Ich glaube es ja allerdings erst beim Abpfiff, dass sich da nicht doch noch etwas ändert. Bisweilen beklagen sich ja Prälaten – bis in die höchsten Ebenen und Farben – über die Sprunghaftigkeit des Pontifex. Man könnte es auch Spontaneität und Frische nennen. Angesichts der für einen Papst gebotenen Neutralität stellte Franziskus fest, dass es für ihn etwas schwierig sei, morgen zu einem Team zu halten. „Zum Glück ist es ein Freundschaftsspiel!“

Italiens Torhüter Buffon (l) und Argentiniens Stürmer Messi (r) lassen vom Papst einen Olivenbaum segnen. Der steht morgen beim Spiel im Stadion und kommt anschließend in die Vatikanischen Gärten. (dpa)

Die Botschaft, die Franziskus an die Sportler und an die Verantwortlichen in den Vereinen und Verbänden hatte, könnte aktueller kaum sein angesichts  zunehmender Gewalt in Stadien, rassistischer Vorfälle und steigender Aggression gegenüber Spielern, wenn es einmal nicht rund läuft. Sport und damit auch Fußball muss trotz aller Professionalisierung  und allem Business Sport bleiben und immer auch amateurhafte Züge haben, sprich menschlich bleiben. So könnte man die Ansprache vielleicht zusammenfassen.

Franziskus sieht angesichts der zunehmenden Kommerzialisierung die Gefahr, dass der sportliche Charakter verloren geht. Und diesen sieht er gerade darin, dass der Sport immer seine „Amateur-Seele“ bleiben müsse. Dies mindere die Gefahr von Diskriminierung und Gewalt in den Stadien. Dann kehrten auch wieder die Familien zurück auf die Ränge. Die Profifußballer erinnert er daran, dass ihre Berühmtheit auch eine hohe soziale Verantwortung mit sich bringe. Für Franziskus ist der wahre Sport gekennzeichnet durch Schönheit, Selbstlosigkeit und Kameradschaft. Wenn diese Eigenschaften fehlten, verliere ein Spiel an Kraft, auch wenn eine Mannschaft gewinne.  Auch wenn die Spieler bekannte Persönlichkeiten seien, blieben sie doch normale Menschen im Sport und im Leben „mit eurem Ansehen und euren Fehlern, mit eurem Herzen und mit euren Ideen, mit euren Ambitionen und euren Problemen“.

Was der Papst den Fußballern mit auf den Weg gab, gilt auch für andere Bereiche: Verliert nicht die Bodenhaftung, ihr seid auch nur Menschen! Seid Vorbilder und seid Euch eurer sozialen Verantwortung bewusst. Maßstäbe, die Franziskus übrigens auch für sich selbst anzulegen scheint. „Wir müssen uns doch daran gewöhnen, normal zu sein“, hatte er gegenüber den Journalisten bei der fliegenden Pressekonferenz erklärt, als er auf die schwarze Aktentasche angesprochen wurde, die er selbst an Bord der Maschine getragen hatte.

Am Ende war Franziskus noch zu einem Scherz aufgelegt. Nachdem er alle Anwesenden einzeln begrüßt hatte, wies er darauf hin, dass nicht nur die Italiener, sondern auch die Argentinier schön in einer Reihe angestanden hätten. „Das ist wichtig, denn hier im Vatikan rügt man mich immer und sagt, ich sei undiszipliniert. Jetzt haben sie aber gesehen, wie unser Volk eigentlich ist.“ War das wirklich ein Scherz oder worauf spielte Franziskus hier an?

P.S. Der Papst bat die Teilnehmer der Audienz, für ihn zu beten, „damit auch ich auf dem ,Spielfeld’, auf das Gott mich berufen hat, eine ehrliche und mutige Partie spielen kann: zum Wohle von uns allen“.

Frag den Robert

Er sei schon immer ein kluger Junge gewesen, wusste seine Mitschülerin aus Grundschulzeiten zu berichten. Und wenn sie nicht weiter gewusst hätten, dann hätte man halt gesagt: Frag den Robert, der wird es wissen. Der Robert von damals ist heute der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Erzbischof von Freiburg. Beim Festakt zu seinem 75. Geburtstag heute im Freiburger Konzerthaus bekamen die geladenen Gäste im Talk mit Moderator Frank Elstner das eine oder andere bisher unbekannte Detail aus dem Leben des Jubilars zu hören.

Erzbischof Zollitsch heute Mittag auf dem Münsterplatz in Freiburg. (dpa)

Der Festakt war, ganz nach dem Wunsch des Erzbischofs, keine staatstragende Abfolge von Grußworten, sondern eine gelungene Mischung aus einer substantiellen Rede von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zur Bedeutung Europas (,das dem Donauschwaben Zollitsch sehr am Herzen liegt), dem lockeren Talk von Elstner und Gästen sowie bewährter badischer Gastfreundschaft.

Der Charakter des Festes entspricht dem des Jubilars. Erzbischof Zollitsch  ist bescheiden in seinem Auftreten, aber stets sachlich und den Menschen zugewandt. Dabei weiß er sehr genau, was er will, ist pragmatisch-realistisch und hat klare Vorstellungen. Er ist dialogbereit und offen für seine Gesprächspartner. Auf diese Weise ist es ihm gelungen, die auseinanderdriftenden Strömungen innerhalb der deutschen Bischöfe gut zu moderieren. Ohne seinen starken Impuls würde es den Dialogprozess in der deutschen Kirche nicht geben. Dass es in anderen Diözesen mit dem Dialog nicht so gut läuft, zeigt nur, dass man dort das Prinzip „Frag den Robert“ nicht unbedingt beherzigt…

Einer der Höhepunkte seiner Amtszeit war zweifelsohne der Besuch von Papst Benedikt im September 2011 in Freiburg. An dem Ort, an dem heute gefeiert wurde, hielt Benedikt XVI. damals die inzwischen berühmte Konzerthaus-Rede, in der er die Entweltlichung der Kirche forderte und damit große Interpretationsdebatten auslöste. Zu den Führungsprinzipien Zollitschs gehörte es, dass er strittige Themen mit nach Rom nahm, um sie dem Papst vorzustellen und um Verständnis für die deutschen Positionen zu werben. Seit dem Wechsel im Pontifikat ist dieser Weg schwieriger geworden für ihn. Aber es wäre gut, wenn auch Papst Franziskus für die verbleibende Amtszeit des Freiburgers den Rat beherzigen würde: Frag den Robert….

Warnung vor innerkirchlichen Schismen

Ein weiteres Geheimnis des Konklaves ist gelüftet. Der Vatikan hat jetzt den Vortrag von Kardinal Prosper Grech veröffentlicht, den der maltesische Kardinal am 12. März nach Schließung der Türen der Sixtinischen Kapelle unmittelbar vor dem ersten Wahlgang gehalten hat. Darin spricht er von der Ökumene, der Glaubens- und Kirchenkrise im Westen, und er warnt vor der „Gefahr kleinerer Schismen/Spaltungen“ innerhalb der katholischen Kirche.

Die Kardinäle beim Einzug ins Konklave am 12.3.2013 - kurz vor der Rede Kardinal Grechs. (reuters)

Der 87-jährige Grech durfte selbst nicht mitwählen. Die Kardinäle hatten ihn im Vorkonklave dazu bestimmt, die in der Wahlordnung vorgesehene Meditation nach dem „Extra Omnes“ zu halten. Er fand deutliche Worte: Grech warnte davor, die Botschaft des Evangeliums zu „verdünnen“. „Wenn man beim Evangelium Kompromisse macht, beraubt man es seiner Dynamik, wie wenn man einer Handgranate den Sprengstoff entnimmt.“ Nur weil das II. Vatikanische Konzil den Weg zum Heil auch für diejenigen geebnet habe, die außerhalb der Kirche seien, bedeute dies nicht, dass die Notwendigkeit der Taufe relativiert werde.

Grech sprach vom „Verfolgt-Sein“, das für die Kirche „konstitutiv“ sei, ebenso wie die Schwäche ihrer Mitglieder. Es habe in der jüngeren Vergangenheit Angriffe von Medien gegeben, die die Kirche nicht liebten. Wenn es Anschuldigungen von außen gegen die Kirche gebe, die unberechtigt seien, sollten diese nicht bekümmern, auch wenn sie schmerzten. Etwas anderes sei es aber, wenn man gegen die Kirche die Wahrheit sage, wie es bei vielen Anschuldigungen wegen Pädophilie der Fall gewesen sei. „Dann müssen wir uns demütig zeigen gegenüber Gott und den Menschen. Dann müssen wir versuchen, das Böse um jeden Preis auszurotten, wie das Benedikt XVI. gemacht hat.“ Nur so könne man Vertrauen in der Welt zurückgewinnen und ein Beispiel der Ehrlichkeit abgeben. „Heute glauben viele Menschen nicht an Christus, weil sein Angesicht verdunkelt oder verdeckt wird von einer Institution, der es an Transparenz mangelt.“

Mit Blick auf die vordringlichsten Aufgaben eines neuen Papstes spricht Grech das Thema Ökumene an. Die Vorurteile würden leider nur langsam abgebaut und theologische Vereinbarungen seien nicht einfach. Doch im Einsatz für die Einheit zu ermüden würde bedeuten, sich „explizit gegen den Willen Gottes zu stellen“. Aber auch innerkirchlich sei es für den neuen Papst eine große Herausforderung, die Einheit der katholischen Kirche zu erhalten. „Zwischen ultratraditionalistischen Extremisten und ultraprogressiven Extremisten, zwischen Priestern, die gegen den Gehorsam rebellieren, und jenen, die die Zeichen der Zeit nicht erkennen, gibt es immer die Gefahr kleiner Schismen.“ Einheit möchte Grech aber nicht mit Uniformismus gleichgesetzt sehen. Es habe in der Kirche immer „inner-kirchliche“ Diskussionen gegeben. Jeder sei frei, seine Meinung zu sagen; allerdings immer innerhalb des „depositum fidei/Glaubensguts“, das der Papst zusammen mit den Bischöfen hüte.

Interessant ist meines Erachtens ein Abschnitt des Vortrags, in dem Grech ausführlich auf den „Glaubenssinn der Gläubigen“ eingeht. In Anlehnung an die Konzilskonstitution Dei Verbum (8) betont er, dass „auch der ‚sensus fidelium‘ ein ‚locus theologicus‘ ist, den die Hirten der Kirche berücksichtigen müssen“.  Bedeutet das, dass künftig die Gläubigen mehr gehört werden sollen?

Grechs Rede unmittelbar vor dem ersten Wahlgang im Konklave erinnert in vielen Punkten an das, was wir hier in den letzten vier Monaten über Papst Franziskus zusammengetragen haben. Grech fasste noch einmal in zentralen Punkten die Inhalte des Vorkonklaves zusammen. Es war also weniger ein Profil des neuen Papstes als vielmehr ein Profil des neuen Pontifikats, das er entwickelte. Das Ergebnis ist bekannt. Ob das „Experiment Franziskus“ gelingt, ist noch offen.

P.S. Papst Franziskus geht es auf jeden Fall weiter beherzt an. Er gönnt sich keinen Sommerurlaub. Heute hat er die Kompetenzen der vatikanischen Finanzaufsichtsbehörde AIF erweitert und ein neues „Finanz-Sicherheits-Komitee“ ins Leben gerufen. Ziel ist der Kampf gegen Geldwäsche und gegen die Finanzierung von Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Franziskus hat die entsprechenden Bestimmungen auf alle Behörden des Heiligen Stuhls sowie im Vatikanstaat ansässige Organisationen und juristische Personen ausgeweitet. Er reagierte mit den neuen Maßnahmen unter anderem auf Forderungen der Anti-Geldwäsche-Organisation der EU-Kommission, Moneyval.

P.P.S. Die vielen Gegenstände, die die Menschen bei den Papamobilfahrten in Rio de Janeiro ins Papamobil geworfen haben, wurden laut Vatikan alle fein säuberlich registriert. Ein Teil sei in Rio geblieben, ein Teil wie etwa Kleidung wurden an die vatikanische Caritas weitergegeben. Andere kommen ‚gar in die Vatikanischen Museen. Die Liste der gegenstände ist lang: T-Shirts, Briefe, Hüte, Schals, Fotos und sogar ein Bischofsring. Übrigens war auch der Ball und das Shirt, die Franziskus nach seiner Rückkehr aus Rio in S. Maria Maggiore ablegte, aus diesem Fundus.

P.P.P.S. Die Rede von Kardinal Grech gibt es bisher leider nur auf Italienisch in den Acta Apostolicae Sedis 105, 4-5 ab Seite 352.

Wer hat’s erfunden?

Eine kurze Randbemerkung zur aktuellen Diskussion um den „Veggie Day“, den die Grünen vorgeschlagen haben. Schon ‚mal etwas vom Freitagsgebot gehört? Das Christentum kennt nicht erst seit diesem Wahlkampf einen „Veggie Day“: den Freitag. Okay – genau genommen geht es da natürlich um etwas anderes. Dass die Christen eigentlich am Freitag auf Fleisch verzichten, hängt mit dem frühchristlichen Fastengebot für diesen Tag zusammen im Gedenken an den Todestag, das Leiden Jesu.

Erstmals wird um das Jahr 150 n.Chr. in einer Kirchenordnung, der Didache, von einem wöchentlichen Fasten gesprochen. Damals sind es sogar noch zwei Tage in der Woche: der vierte und der Rüsttag (=Freitag) – im Gegensatz zu den „Heuchlern“, die demnach am zweiten und fünften Tag fasteten. Im katholischen Kirchenrecht gibt es bis heute den Canon 1251: „ Abstinenz von Fleischspeisen oder von einer anderen Speise entsprechend den Vorschriften der Bischofskonferenz ist zu halten an allen Freitagen des Jahres.“ Die Deutsche Bischofskonferenz schreibt 1996 in einer „Partikularnorm“ zum zitierten Canon des Kirchenrechts: „Alle Freitage des Jahres sind im Gedenken an das Leiden und Sterben des Herrn kirchliche Bußtage, an denen der Christ zu einem Freitagsopfer verpflichtet ist; ausgenommen sind die Freitage, auf die ein Hochfest fällt. Das Freitagsopfer kann verschiedene Formen annehmen: Verzicht auf Fleischspeisen, der nach wie vor sinnvoll und angemessen ist, spürbare Einschränkung im Konsum, besonders bei Genussmitteln, Dienste und Hilfeleistungen für den Nächsten. Das durch das Freitagsopfer Ersparte sollte mit Menschen in Not geteilt werden. Auch eine andere spürbare Einschränkung im Konsumverhalten ist denkbar.“

Hier ist übrigens noch ein wichtiger Aspekt des Fastens genannt. Neben der religiösen Dimension hat es immer auch eine soziale Komponente. Man fastete früher am Freitag, damit auch die Armen am Sonntag ein ordentliches Mahl hatten. Dieses Moment ist heute fast völlig in Vergessenheit geraten, wenn es ums Fasten geht.

Also: Fleischlos am Freitag passt gut zum Freitagsgebot, ist gesund und sozial. Braucht es da noch einen „Veggie Day“ am Donnerstag?

Papst schreibt an Muslime

Es passt ein wenig in den aktuellen Regierungsstil von Papst Franziskus. Der Pontifex nimmt die meisten Sachen lieber selbst in die Hand. Er nutzt zwar den Apparat für Zuarbeiten, doch das Ganze scheint derzeit sehr hierarchisch auf den Papst zugeschnitten. So verwundert es zunächst nicht, dass auch die Botschaft des Vatikans zum Ende des Fastenmonats Ramadan in diesem Jahr von Franziskus höchstpersönlich unterschrieben wurde und nicht wie zuletzt immer üblich vom „Minister“ für interreligiösen Dialog. Doch dürfte in diesem Fall es weniger die Frage des Regierungsstils gewesen sein, als vielmehr die Tatsache, dass – und so  begründet er auch seine persönliche Unterschrift unter das Dokument – Franziskus der Dialog mit den Muslimen wichtig ist.

Interreligiöses Miteinander - beim Papstgottesdienst in Aparecida war auch ein Vertreter des Islam dabei.

Das hat er zu Beginn seines Pontifikats deutlich gemacht; danach kam in diese Richtung wenig. Daher war es wohl an der Zeit, selbst Initiative zu ergreifen. Zumal sich einige islamische Stellen bereits verwundert gezeigt hatten, dass auf die positiven Reaktionen in der muslimischen Welt auf die Wahl von Franziskus dieser bisher kaum reagiert habe – etwa auf das Angebot der Kairoer Al-Azhar-Universität, den 2011 wegen kritischer Äußerungen Papst Benedikts XVI. zur Situation in Ägypten eingestellten Dialog wieder aufzunehmen.

Franziskus möchte seine Botschaft nach eigenen Worten als Ausdruck der „Wertschätzung und Freundschaft allen Muslimen gegenüber, vor allem gegenüber den religiösen Führern“ verstanden wissen. Er spricht die Muslime als „liebe Freunde“ an. Thema seiner Botschaft ist „die Förderung des gegenseitigen Respekts durch Erziehung“.  Dabei legt er Wert darauf, dass es ein „gegenseitiger Respekt“ ist, also keine Einbahnstraße. Zu respektieren seien etwa das Leben und die physische Unversehrtheit jeder Person, ihre Würde und das Ansehen, das Eigentum sowie ihre ethnische und kulturelle Identität, ihre Ideen und politischen Entscheidungen. Man müsse über den anderen respektvoll denken, sprechen und schreiben – nicht nur in dessen Anwesenheit – und dabei jegliche Ungerechtigkeit und Diffamierung vermeiden.

Um dieses Ziel zu erreichen komme den Familien, Schulen und sozialen Kommunikationsmitteln eine hohe Verantwortung zu, um zu eben einem solchen respektvollen Umgang miteinander zu erziehen und beizutragen. Respekt gelte es auch zu üben gegenüber den Werten und Symbolen der jeweils anderen Religion sowie deren Führer und Orten. Letzteres dürfte auch eine Anspielung auf die Angriffe gegenüber Christen und christlichen Einrichtungen etwa im Nahen Osten oder in Nigeria sein. Seit Wochen sind in Syrien zwei orthodoxe Bischöfe verschwunden bzw. entführt.

Zum Abschluss unterstreicht Franziskus noch einmal, dass er eine Vertiefung des Dialogs zwischen Christen und Muslimen wünscht. Konkrete Vorschläge dazu macht er nicht. Vor einigen Wochen hatte es Spekulationen über ein Treffen von hochrangigen Vertretern der drei monotheistischen Religionen, Judentum, Christentum und Islam, in Rom gegeben. Derzeit ist es still darum geworden. Ende September findet in Rom das jährliche Nachfolgetreffen des Friedenstreffens von „Assisi 1986“ statt. Jedes Jahr bringt die römische Gemeinschaft Sant’Egidio dazu hochrangige Vertreter verschiedener Religionen zusammen. Dass das Treffen in diesem Jahr in der Ewigen Stadt sein wird, böte dem Papst die Möglichkeit, selbst einzugreifen. Sollte die Heilig-Land-Reise Anfang 2014 zustande kommen, wird man natürlich auch dort nicht um einen interreligiösen Akzent herumkommen.

Allerdings sind große symbolische Gesten eine Sache. Wie man Franziskus kennt, dürfte er damit nicht zufrieden sein, wenn es nicht auch an der Basis zu einem dialogischen Miteinander der Religionen kommt.

P.S. Der Vatikan hat nach Medienberichten erstmals in der Geschichte ein Rechtshilfegesuch an Italien gestellt. Es geht um die Ermittlungen rund um die finanziellen Machenschaften des Vatikanprälaten Nunzio Scarano, der seit Ende Juni in Italien im Gefängnis sitzt. Er war im Zusammenhang mit einem 20-Millionen-Euro Transfer aus der Schweiz nach Italien verhaftet worden. Papst Franziskus hatte sich bei der fliegenden Pressekonferenz am Sonntag von dem Prälaten distanziert.

P.P.S. Papst Franziskus wird am 14. August wohl doch nicht zum Fußballspiel Italien gegen Argentinien gehen. Das teilte jetzt der vatikanische Pressesprecher mit. Er wird die beiden Mannschaften vor dem Spiel im Vatikan empfangen, aber nicht ins Stadion kommen. Mal sehen, ob der Papst bei dieser Entscheidung bleibt. Immerhin ist er ein großer Fußballfan; zuletzt hatte er in seiner Predigt bei der Vigil des Weltjugendtags den Glauben mit Fußball in Verbindung gebracht. Das Freundschaftsspiel wurde eigens ihm zu Ehren angesetzt. Wäre also schade, wenn er nicht auch dabei wäre.