Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog

Interessantes und Hintergründiges aus dem Vatikan

Kommt die Wahrheit ans Licht?

Skandal im Apostolischen Palast

Spektakulärer Prozess im Vatikan. Am ersten Tag des Vatileaks-Prozesses gegen den ehemaligen Kammerdiener des Papstes, Paolo Gabriele, gab es allerdings keine Sensationen. Das könnte sich am kommenden Dienstag ändern. Dann sagen die ersten Zeugen aus. Neben sechs Gendarmen der Vatikanpolizei wurden auch der Privatsekretär des Papstes, Georg Gänswein, sowie eine Mitarbeiterin aus dem päpstlichen Haushalt als Zeugen benannt. Dass die Zeugenbefragungen allerdings Neuigkeiten bringen werden gegenüber den bisherigen Ermittlungen, ist kaum zu erwarten. Spannend dürften allerdings die Aussagen des Kammerdieners selbst werden. Bisher beteuerte er in den Vernehmungen stets, er habe alleine gehandelt. Bei einem anonymen TV-Auftritt Anfang des Jahres hatte er noch von rund 20 Gesinnungsgenossen im Vatikan gesprochen. Bleibt er bei seiner Version des Einzeltäters?

Eine Sache, die heute bekannt wurden, mutet übrigens etwas seltsam an. Der Antrag der Verteidigerin Gabrieles, den in der Wohnung des Angeklagten gefundenen Goldklumpen auf Fingerabdrücke zu untersuchen, wurde abgelehnt. Begründung: Er sei mittlerweile durch zu viele Hände gegangen. Das spricht nicht gerade für professionelle Ermittlungsmethoden.

Das wohl interessanteste Dokument darf im Prozess nicht verwendet werden: das Ergebnis der Untersuchung einer dreiköpfigen Kardinalskommission zum Vatileaks-Skandal. Die Würdenträger hatten dem Papst im Sommer ihre Ermittlungsergebnisse präsentiert. Seither sind sie unter Verschluss. Ein Antrag der Verteidigerin Gabrieles, das Dokument für den Prozess heranzuziehen, wurde mit der Begründung abgelehnt, dass kirchliches und weltliches Verfahren nicht vermischt werden dürften. Sollen so die wahren Hintergründe des Skandals vertuscht werden? Ein solcher Schluss scheint etwas voreilig, denn immerhin liegt es in der Macht des Papstes, nach Abschluss des Prozesses die Ergebnisse der Kardinalskommission zu veröffentlichen. Auch wenn in den vergangenen Tagen immer wieder betont wurde, dass das vatikanische Gericht unabhängig seine Arbeit verrichtet und sein Urteil fällt, scheint es am Ende doch so, dass allein Benedikt XVI. letzte Klarheit in den Skandal bringen kann. Einmal mehr ist Transparenz gefragt im kleinsten Staat der Welt, um der Wahrheit eine Chance zu geben.

Der Prozess könnte übrigens schnell vorüber sein. Der vorsitzende Richter erklärte heute, dass eventuell vier Verhandlungstage ausreichen. Das würde bedeuten, dass schon am nächsten Samstag Schluss sein könnte. Das wäre dann ein kurzer Prozess in einem der spektakulärsten juristischen Verfahren im Vatikan.

 

 



Und sie bewegt sich doch

Erzbischof Zollitsch bei der Abschluss-PK

Die Öffentlichkeit hat wenig Notiz genommen von der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda; einzig das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zum Thema Kirchenaustritt und Kirchensteuern am Mittwoch sorgte für Aufregung. Sonst waren die Reihen bei den täglichen Pressegesprächen etwa zum Religionsunterricht und Katechese oder bei der Vorstellung des neuen Internetportals katholisch.de eher spärlich besetzt – ein Zeichen für die sinkende gesellschaftliche Relevanz der Kirche?

Die Vollversammlung produzierte keine großen Schlagzeilen, war aber nichtsdestoweniger spannend. Denn die katholischen Bischöfe haben sich intern einiges vorgenommen: wiederverheiratete Geschiedene, kirchliches Arbeitsrecht und Frauenförderung. Was sich vor zwei Wochen beim Gesprächsprozess in Hannover noch wie eine kleine Sensation anhörte, stellte sich in Fulda als seit langem diskutierte Themen unter den Bischöfen heraus – auch wenn es noch lange keine konkreten Ergebnisse gibt.

So gibt es zum Thema wiederverheiratete Geschiedene bereits seit einem Jahr intensive Beratungen. Dabei geht es um die Frage des Sakramentenempfangs – vor allem der Kommunion – aber auch um arbeitsrechtliche Fragen, nämlich um die Beschäftigung von wiederverheirateten Geschiedenen im kirchlichen Dienst. Es ist Bewegung in die Sache gekommen. Allerdings bleibt das Thema kontrovers, gerade auch im Gespräch mit Rom. Der neue Chef der vatikanischen Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, bis vor gut zwei Monaten noch selbst Mitglied der Bischofskonferenz, machte klar: An der Unauflösbarkeit der Ehe ist nicht zu rütteln. Also eine „Zweite Ehe“ wird es mit Rom nicht geben. Das betonen auch die deutschen Bischöfe.

Man darf gespannt sein, wie die „Lösungen der Barmherzigkeit“ aussehen werden, die nun eine bischöfliche Arbeitsgruppe ausarbeiten soll. Von Fulda geht, wie schon von Hannover, das Signal, aus: Sie bewegt sich doch, die katholische Kirche. Bei dem Herbsttreffen der Kirchenführer wurde aber auch klar, dass Veränderungen Zeit brauchen. Was ein großer Schritt für Bischöfe ist, ist bisweilen ein kleiner für viele Gläubigen.

 

 

„Dümmer als der Papst erlaubt“

Titanic-Chefredakteur Leo Fischer ist um keinen blöden Spruch verlegen. Als Reaktion auf die Rüge des Presserates, der den Cover des Juli-Heftes des Satiremagazins als „entwürdigend und ehrverletzend“ brandmarkte, bezeichnete er den Presserat als „dümmer als der Papst erlaubt“, weil dieser nicht zwischen Benedikt XVI. und Joseph Ratzinger unterschieden habe. Weil der Titanic-Verlag den Presserat nicht anerkennt, will er auch die Rüge nicht veröffentlichen.

Die Titanic lebt ohnehin nach dem Motto „Viel Feind, viel Ehr“ und freut sich über alle öffentliche Aufmerksamkeit, die sie mit ihren Publikationen erfährt. Dass sie mit der Darstellung des Papstes als inkontinentem und mit Fäkalien beschmierten Mann die Grenzen des guten Geschmacks weit unterschritten hat, finden die Redakteure offenbar ganz toll. Und sie scheuen sich auch nicht, mit dem neuen Cover eine Collage zu Bettina Wulff und Mohammed auf den Markt zu bringen, der nur Öl ins Feuer der muslimischen Empörung gießt. Es ist schlimm, dass die Spekulation mit der Provokation vermutlich auch hier wieder aufgehen wird – alles hilft der Auflagensteigerung. Selbst ein Aufruf zum Boykott würde nur wieder in die Hände der selbsternannten Wächter des Rechtes auf Beleidigung spielen. Ich kann nur sagen: Fischers Antwort auf dem Presserat fällt voll auf ihn selbst zurück. Am besten sollte man ihn ignorieren (auch wenn ich dies mit diesem Blog nicht getan habe)

Drinnen oder draußen? Kirchensteuerrebell scheitert

Drinnen oder draußen - halboffen gibt es nicht.

„Ganz oder gar nicht“ lautet die Devise beim Kirchenaustritt. So sieht es zumindest das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Damit ist der Freiburger Kirchenrechtler Hartmut Zapp mit seinem Versuch gescheitert, zwar einerseits aus der „Körperschaft öffentlichen Rechts“ auszutreten und keine Kirchensteuern mehr zu zahlen, zugleich jedoch volles Mitglied der katholischen Kirche zu bleiben. Ein solcher Teilaustritt geht nicht, so die Leipziger Richter heute. Sie verweisen in ihrem Urteil auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen.

Die deutschen Bischöfe haben verständlicherweise erleichtert auf das Urteil reagiert; hatte man doch befürchtet, dass im Falle eines Erfolgs von Zapp das Kirchensteuermodell grundsätzlich in Frage gestellt werden könnte. Das hätte ungeahnte Folgen für die katholische, aber auch die evangelische Kirche in Deutschland gehabt. Immerhin hat die katholische Kirche im vergangenen Jahr rund 4,9 Milliarden Euro an Kirchensteuern eingenommen, die evangelischen Kirchen rund 4,5 Milliarden Euro. Auch in Rom dürfte man über das Urteil erleichtert sein. Die deutschen Katholiken gehören zusammen mit ihren US-amerikanischen und italienischen Glaubensbrüdern und –schwestern zu den wichtigsten finanziellen Stützen des Vatikans.

Die Richter bestätigen also die deutschen Bischöfe, wenn es um den Kirchenaustritt geht; vergangene Woche bekamen sie schon den päpstlichen Segen dazu. In einem von Rom genehmigten Dekret wurde klargestellt, dass mit dem Austritt vor dem Meldeamt auf jeden Fall auch kirchliche Rechte verwirken – etwa der Empfang der Sakramente oder die Übernahme kirchlicher Ämter oder des Patenamts. Rom verpflichtet allerdings die Pfarrer, das Gespräch mit den Ausgetretenen zu suchen. Dazu wurde ein Brief entworfen, der in Teilen eher wie ein Drohbrief wirkt und weniger wie der Versuch, ein offenes Gespräch über die Beweggründe des Kirchenaustritts zu führen.

Nun gibt es beim Kirchenaustritt Rechtssicherheit im zivilen und im kirchlichen Bereich. Doch angesichts der Brisanz des Themas dürfte in diesem Falle nur juristisch gelten: „Lipsia et Roma locuta – causa finita“ – Leipzig und Rom haben gesprochen, die Sache ist erledigt. Die Debatte um Kirchensteuern und Staatsleistungen an Kirchen wird weitergehen – sie ist ein Dauerbrenner.

Für alle Freunde der „Entweltlichung“ sei zum Jahrestag der Freiburger Rede (25.9.2011) des Papstes angemerkt, dass nun auch dem Letzten klar sein muss, dass die Kirchensteuern damit nicht gemeint waren. Doch was war es denn dann?

Briefentwurf für aus der Kirche ausgetretene Personen: http://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse/2012-145b-Allgemeines-Dekret-Kirchenaustritt_Pastorales-Schreiben.pdf

Dialogprozess oder Synode

Am Rande der Bischofskonferenz wurde heute die Neuauflage der Synodendokumente von 1971-1975 vorgestellt. Es ist schon interessant, wenn man die Situation damals mit heute vergleicht. Eine Synode, die Beschlüsse fassen kann, ist nicht das Mittel der Wahl für die deutschen Bischöfe heute. Sie tun sich zum Teil ja schon schwer mit dem wesentlich unverbindlicheren Dialogprozess. Wenn man betrachtet, dass in Hannover lediglich etwa die Hälfte der Ortsbischöfe anwesend war, dann kann man davon ausgehen, dass eine beschlussfähige Versammlung wie eine Synode erst recht nicht mehrheitlich gewünscht ist.

Andererseits: was würde eine Synode nützen, deren Beschlüsse nicht umgesetzt werden, wie es zahlreichen Voten der Würzburger Synode ergangen ist? Kardinal Karl Lehmann hat in einem Statement angeregt, dem Schicksal der damaligen Voten einmal nachzugehen. Sie seien in der Vielzahl der weltweit eingereichten Vorschläge zur Revision des Kirchlichen Gesetzbuches offensichtlich untergegangen. Die Antwort auf diese Frage, so Lehmann, habe für das Verhältnis zwischen der Gemeinsamen Synode und der Leitung der Gesamtkirche zweifellos Gewicht. Und weil das so ist, so meine Vermutung, wird man es auch nicht angehen. Dann würde schließlich erneut deutlich, dass die Ortskirchen in Rom viel zu wenig gehört werden.

Was bleibt vom Papstbesuch in Deutschland?

Papst Benedikt XVI. in Freiburg

War da `was? Klar – vor einem Jahr hat Papst Benedikt XVI. seine Heimat besucht. Vier Tage lang tourte er durch Deutschland. Berlin, Erfurt und Freiburg waren die Stationen. Rund 360.000 Menschen kamen zu den Veranstaltungen mit dem Papst – dazu noch Zehntausende entlang der Fahrstrecken des Papamobils. Über 20 Millionen kostete der Besuch – rund ein Euro pro Katholik in Deutschland.

Im Vorfeld des Besuchs gab es viele Diskussionen. Die Rede im Bundestag war heftig umstritten. Forderungen wurden gestellt, was er alles tun und lassen sollte – im Bereich der Ökumene, im Umgang mit dem Missbrauchsskandal, bei der Suche nach Lösungen angesichts der schweren Krise der Kirche in Deutschland. Damit waren die Erwartungen hoch, vielleicht zu hoch, als dass er sie hätte erfüllen können.

Und was ist geblieben – ein Jahr danach? In Erinnerung ist die Konzerthausrede in Freiburg. Mit der hatte Benedikt XVI. zum Abschluss seiner Reise noch einmal einen Paukenschlag gesetzt. Das zentrale Stichwort: „Entweltlichung“. Doch was er konkret damit meinte, sagte er nicht. Noch ein Jahr danach wird leidenschaftlich darüber diskutiert. Einzig klar scheint, dass er nicht die Abschaffung der Kirchensteuern forderte. Das greift zu kurz. Aber darf eine Papstansprache so im Wagen bleiben?

Diskussion in Freiburg: Was bleibt vom Papstbesuch?

Darüber entspann sich beim Jahresrückblick in der Katholischen Akademie in Freiburg gestern Abend eine heftige Diskussion. Bemängelt wurde dort von vielen, dass der Papst zu wenig konkret auf die Probleme der Menschen und der Kirche in Deutschland eingegangen sei. Auch seien seine Ansprachen für die „einfache Basis“ bisweilen nicht verständlich gewesen. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Teilnahme an den Gottesdiensten mit dem Papst für viele Gläubige ein unvergessliches Erlebnis war, das sie in ihrem Glaubensleben bestärkt hat. Kommt es bei einem Papstbesuch also mehr auf das Gefühl an als auf zählbare Ergebnisse?

Diese hätten sich viele bei der Ökumene gewünscht. Doch vom Treffen in Erfurt bleiben zwiespältige Gefühle zurück. Einerseits würdigte Benedikt XVI. den Reformator Martin Luther; zugleich stieß er die Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland vor den Kopf, als er ihnen ein falsches Verständnis von Ökumene vorwarf mit seiner berühmten Aussage, dass er keine „ökumenischen Gastgeschenke“ mitbringe, da derartige Forderungen ein „politisches Missverständnis des Glaubens und der Ökumene“ darstellten. Ob die EKD der richtige Adressat für derart harsche Worte war? Es gibt Gesprächsbedarf beim Thema Ökumene. Das hat nicht zuletzt der Aufruf „Ökumene jetzt“ prominenter Christen vor wenigen Wochen gezeigt.

Benedikt XVI. hat bei seinem Deutschlandbesuch Debatten losgetreten, die die Kirche noch lange beschäftigen werden. Ob er die breite Basis erreicht hat, ist fraglich. Schon beim Besuch selbst sind weniger Menschen gekommen als erwartet. Ein Jahr später wird in den Gemeinden abseits von Berlin, Erfurt und Freiburg kaum mehr über die Reise gesprochen; längst bestimmen die Sorge um die Zukunft der Pfarreien und die Diskussion um die allgemeine Krise der Kirche wieder den Alltag.

Ganz oder gar nicht

Die Diskussion zieht sich schon über Jahre hin, jetzt haben Rom und die Deutsche Bischofskonferenz gesprochen. „Roma locuta, causa finita“ (Rom hat gesprochen, der Fall ist erledigt). Es geht um die Frage, ob jemand aus der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechtes austreten kann und sich dennoch weiterhin der Kirche der Gläubigen zugehörig fühlen kann, wie dies der emeritierte Freiburger Kirchenrechtler Hartmut Zapp für sich in Anspruch nimmt.

Wartenummern ziehen beim Amtsgericht

Klingeln mit Konsequenz

Für die Bischöfe ist ganz klar: Wer aus der Kirche austritt, tritt aus der Kirche aus, mit allen Konsequenzen. Zwar zieht der Schritt vor dem Meldeamt nicht mehr automatisch die Exkommunikation nach sich, das war dem Vatikan wichtig. Dafür bekommt der Austretende Post von seinem Pfarrer und wird zum persönlichen Gespräch eingeladen. Der Hirte geht also verpflichtend seinem verlorenen Schäfchen nach. Aber wenn dieses nicht in die Herde zurückkehren will, hat es auch kein Recht mehr auf den Empfang der Sakramente, auf aktives und passives Wahlrecht und keinen Anspruch auf ein kirchliches Begräbnis. So viel Konsequenz muss sein.

Für die Theologie ist die Taufe ein unauslöschliches Siegel, das nicht entfernt werden kann. Daraus abzuleiten, dass man Kirchensteuern sparen kann und trotzdem der Kirche zugehören, wie es manche gerne möchten, ist falsch. Denn auch die Gemeinschaft der Glaubenden gehört zwingend zum christlichen Glauben dazu, wie es im Credo bekannt wird.

Gegen Hartmut Zapp, der seit 2007 keine Kirchensteuer mehr zahlt, hatte das Erzbistum Freiburg geklagt, der Fall wird am kommenden Mittwoch in Leipzig verhandelt. Dann wird klar werden, ob auch für das Bundesverwaltungsgericht gilt, was Rom (und die Bischofskonferenz) gesprochen haben.

Gespräche gescheitert?

Nationalwallfahrt der Piusbruderschaft

Stehen die Gespräche zwischen dem Vatikan und der traditionalistischen Piusbruderschaft vor dem Aus? Der deutsche Disktriktobere, Pater Franz Schmidberger, hat jedenfalls jetzt in einem Interview erklärt, dass die Forderungen Roms für die Gemeinschaft inakzeptabel seien. Das hört sich nicht nach Versöhnung an. Oder ist es ein weiterer Versuch, den Vatikan unter Druck zu setzen? Denn natürlich ist klar, dass Papst Benedikt XVI. viel an einer Einigung gelegen ist. Er möchte Einheit und kein Schisma.

Würde die Einigung nicht gelingen, wäre das auch für ihn eine Niederlage – mit einem hohen Preis. Denn der Wirbel um die Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe der Piusbruderschaft im Januar 2009 war groß. Zum einen war bzw. ist da der Holocaustleugner Richard Williamson unter den vier Bischöfen; zum anderen brachten aber auch die zum Teil erzkonservativen Positionen der Piusbruderschaft viel Verunsicherung bei katholischen Gläubigen. Dass der Papst ausgerechnet dieser Gruppe die Hand der Versöhnung reichte, verstärkte den Verdacht, er verordne seiner Kirche eine „Rolle rückwärts“ hinter das II. Vatikanische Konzil zurück.

Die neuen Äußerungen aus den Reihen der Piusbruderschaft zeigen nun, dass Benedikt XVI. nicht zum „Ausverkauf“ des Konzils bereit ist. Zwar hat er die vorkonziliare Messe als außerordentlichen Ritus wieder zugelassen; doch fordert er gleichzeitig die volle Anerkennung der „reformierten“ nachkonzliaren Liturgie. Die Piusbrüder sollen außerdem anerkennen, dass das II. Vatikanische Konzil ungebrochen in der Reihe aller Konzilien und Lehren der katholischen Kirche stehe. Das geht für die Piusbrüder zu weit. Gehört es doch gerade zu ihrem Proprium, zentrale Inhalte des Konzils abzulehnen, weil sie darin einen Bruch mit der Tradition sehen – eben bei der Liturgie, bei Themen wie Ökumene und Religionsfreiheit.

Und jetzt? Die Piusbruderschaft hat in den vergangenen Monaten immer wieder versucht, einen Keil zwischen den Papst und die römische Kurie zu treiben. Sie wollten glauben machen, Benedikt stehe nicht hinter den klaren Forderungen der Glaubenskongregation. Doch jetzt hat er in einem Brief an die Piusbruderschaft bestätigt, dass das sein Kurs ist. Übrigens hat er schon kurz nach der Aufhebung der Exkommunikation Ende Januar 2009 erklärt, dass er von den Piusbrüdern Bewegung in der Sache erwartet. Diese scheint bisher nicht erfolgt zu sein. Vielmehr bekräftigt der deutsche Distriktobere in seinem Interview von dieser Woche, dass die „lehrmäßigen Differenzen“ nicht auf der Seite der Piusbrüder lägen, sondern in Rom.

Von dort war in den letzten Tagen nichts zu hören. Die Position des Vatikans sei bekannt. Das II. Vatikanische Konzil müsse anerkannt werden – so etwa der neue Chef der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, vergangene Woche in einem Gespräch. Kann es da zu einer Lösung kommen? In genau drei Wochen, am 11. Oktober 2012, ist der 50. Jahrestag der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils. Wäre das nicht ein idealer Anlass, um klare Verhältnisse zu schaffen?

Ist das Dialog?

Papstmesse in Beirut

Der Papst ist weg und die Proteste beginnen. Was ist denn das für ein Stil? Kaum hatte Benedikt XVI. den Libanon verlassen, rief gestern Abend die radikalislamische Hisbollah zu Demonstrationen gegen das islamkritische US-Video auf. Die ganze Woche über werde man Proteste im Libanon organisieren. Als ich diese Meldung heute Morgen in den Agenturen las, dachte ich, ich sei im falschen Film. Oder nur blauäugig? Der Führer der Miliz, Scheich Hassan Nasrallah, erklärte nach Medienberichten, er habe sich mit Äußerungen zum Video bis nach dem Papstbesuch zurückhalten wollen. Das ist einerseits ehrenwert. Immerhin hatten Journalisten-Kollegen in Beirut in der Nähe des Flughafens Plakate gesichtet mit der Aufschrift: „Hisbollah grüßt Papst Benedikt“. Doch was nützt das, wenn seine Friedens- und Dialogbotschaft nicht gehört wird? Gut Nasrallah ruft zu Protesten auf, nicht zu Gewalt. Er kritisiert das Video als einen Versuch, Zwietracht zwischen Christen und Muslime zu sähen, die zum Blutvergießen führen soll. Er fordert internationale Vereinbarungen, die Angriffe auf Religionen verbieten. Wie friedenstauglich die schiitische Organisation und ihre Anhänger wirklich sind, muss sich bei den Demonstrationen zeigen. Vielleicht hat der Papstbesuch ja doch etwas bewirkt? Bleibt zu hoffen, dass die Botschaft Benedikts bei den Menschen angekommen ist. Immerhin haben die libanesischen Medien ausführlich über den Besuch berichtet.

Kommt der Papst noch einmal nach Nahost?

Ups – das war dann noch eine kleine Überraschung zum Abschluss: Will Benedikt XVI. noch einmal in den Nahen Osten? Beim Abschied am Flughafen sagte er: „Eure Wärme und Eure Herzlichkeit haben mir darauf Geschmack gemacht wiederzukommen.“ Andere Ziele in der Region gäbe es genug. Als die ersten Ideen für die Libanonreise gesponnen wurden – vor knapp zwei Jahren – war noch Syrien als Teil des Trips geplant. Das zerschlug sich spätestens im vergangenen Jahr. Ägypten wäre ein weiteres Ziel, das auf Benedikts Reisekarte fehlt. In Jordanien, Israel, den Palästinensergebieten und Zypern war er schon. Für 2013 steht außer dem Weltjugendtag in Rio de Janeiro nichts auf dem Plan. Immer wieder gibt es Spekulationen, ob er die Reise wird machen können – mit dann 86 Jahren. Im Libanon hat er sich kaum Müdigkeit anmerken lassen. Hitze und Schwüle konnten ihm offenbar nichts anhaben. Allerdings war das Programm wie inzwischen üblich etwas ausgedünnt.

Papamobil: Papst Benedikt XVI. in Beirut

Papamobil: Papst Benedikt XVI. in Beirut

4.392 Kilometer, 2 Tage, 12 Stunden und 10 Minuten, 8 Reden. Das sind die technischen Daten der 24. Auslandsreise Benedikts XVI. Drin stecken viele Inhalte. Durch die Reden ziehen sich Leitbegriffe wie Frieden, Dialog der Religionen und Kulturen, Versöhnung, Freiheit. Oft spricht er von Brüderlichkeit. Er will ganz „Pontifex“, Brückenbauer, Christen und Muslime zueinanderführen, Christentum und Islam. Er will verhindern, dass Fundamentalisten beider Seiten einen Gegensatz zwischen den Religionen, zwischen West und Ost konstruieren. Seine Reden, obwohl schon seit Wochen vorbereitet, sind nach dem Schmäh-Video über den Propheten Mohammed aktueller denn je.

Versöhnung und Dialog: Jugendliche in Beirut

Versöhnung und Dialog: Jugendliche in Beirut

Muslime lobten seine Worte. Entscheidend ist aber, ob die Menschen der Region sie auch in Taten umsetzen. Die Probe steht noch aus. Rivalitäten, Misstrauen und Hass prägen noch immer den Alltag. Die Jugendlichen, die zum Treffen mit dem Papst kamen, wurden eingeschworen auf Versöhnung und Dialog. Den eigens ins Arabische übersetzten Jugendkatechismus und das Neue Testament in der erhobenen Hand gelobten sie vor der Begegnung mit dem Papst Friedenswillen. In der Menge von 20.000 fiel das leicht; zu Hause wartet auf sie der harte Alltag.

Den Christen gab der Papst wichtigen Rückhalt. Für sie verlangte er das Recht auf freie Religionsausübung, privat und öffentlich. Sie dürften nicht Bürger zweiter Klasse sein, forderte er, denn sie gehörten ebenso zur Identität der Region wie andere Gläubige: Ein Orient ohne Christen wäre nicht mehr der Orient, so Benedikt XVI., denn die Christen hätten zusammen mit den anderen Religionen Anteil an der besonderen Identität der Region. Sogar der sunnitische Großmufti des Libanon, Scheich Mohammed Raschid Kabbani, pflichtet ihm da bei: Auch die Muslime bedauerten die Abwanderung der Christen aus dem Nahen Osten, sagte Kabbani dem Papst bei ihrem Treffen. Diese Aussage nimmt die muslimischen Religionsführer in der Pflicht.

Der Papst wiederum formuliert Forderungen an die christlichen Oberhirten. Sein Schreiben „Die Kirche im Nahen Osten“ (Ecclesia in medio oriente), das Schlussdokument zu einer Bischofssynode von 2010 im Vatikan, das er den Bischöfen am Sonntag übergab – es zeigt deutlich an, wo die katholischen Kirchen im Nahen Osten in den kommenden Jahren noch Hausaufgaben zu machen haben, etwa in der Zusammenarbeit untereinander.

Der Papst ist abgereist. Im Nahen Osten bleiben viele Baustellen. Benedikt XVI. ging mit der Hoffnung, dass seine Reise ein Baustein auf dem Weg zum Frieden sein möge – und dass er wiederkommen kann.